76 | unter Beobachtung

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„Wie meinst du das, er ist ich?", fragte ich Mira und starrte sie entsetzt an. Sie zuckte mit den Schultern. „Er sieht aus wie du. Wie eine Kopie von dir!", platzte es aus ihr heraus. Sie ließ mich kurz stehen, lief ins Wohnzimmer und zog dort die Vorhänge zu. Ich folgte ihr. „Wie eine Kopie von mir?", wiederholte ich ihre Aussage. Mira drehte sich zu mir um. „Ja. Er sieht original aus wie Du! Wie dein Zwilling!", sagte sie. Ich schüttelte fassungslos den Kopf. „Zweieiig allerdings.", setzte sie schnell hinzu, „Also ich könnte euch auf jeden Fall auseinanderhalten. Aber er ist... Scheiße, kannst du dir vorstellen, wie unheimlich das war?!"

Sie ging zum Küchenschrank, zog ein Glas heraus und goss sich Wasser ein. Dann schaute sie mich an. „Willst du auch was trinken?"

„Nein, danke.", sagte ich benommen. Noch immer verarbeitete mein Gehirn die neuen Informationen. „Ich weiß, es ist schwer für dich, aber...", setzte ich an, als Mira sich auf die Couch fallen ließ. Ich folgte ihr. Sie musterte mich aufmerksam. „Aber?"

„Ich will alles wissen.", sagte ich entschieden. Sie sah in meine Augen. „Ich weiß.", sagte sie, „Gib mir bitte ein wenig Zeit, ja?" Ich nickte. „Klar, alle Zeit der Welt.", sagte ich – natürlich widerwillig, denn ich war ziemlich aufgebracht. Ich versuchte sie das trotzdem nicht merken zu lassen. Sie schien sich voll und ganz auf ihre Atmung zu konzentrieren.

„Wollte Pia nicht heute noch mal bei dir übernachten?", fragte ich und Mira musterte mich mit einer hochgezogenen Augenbraue. „Doch.", sagte sie, „Aber sie hat heute ein Abschlussessen mit ihren Arbeitskollegen. Das dauert etwas länger." Ich nickte. Mir konnte es nur Recht sein. „Du magst sie immer noch nicht besonders, oder?", fragte Mira grinsend. „Ich hab keine Meinung zu ihr.", antwortete ich, „So lang sie dir eine gute Freundin ist, respektiere ich sie."

Wir schwiegen einen Moment. Ich konnte meine Ungeduld nicht länger mit irgendwelchen Fragen ablenken. „Wieso hast du mich nicht direkt angerufen?", fragte ich sie und merkte selbst, dass es wie ein hysterischer Vorwurf klang. Doch Mira schien es mir nicht zu verübeln. Sie seufzte stattdessen. „Ich bin rein, so schnell ich konnte. Ich hatte kaum die Tür zu, als ich wieder angefangen habe zu hyperventilieren. Ich wollte erst mal gegen die Attacke angehen. Danach hätte ich dich sofort angerufen.", erklärte sie, noch immer seltsam ruhig. Ich war wirklich stolz darauf, wie stark sie mit der Situation umzugehen schien.

„Okay.", sagte ich nur und fühlte mich ziemlich ätzend. „Das ging alles so wahnsinnig schnell.", sagte Mira und lehnte ihren Kopf gegen meine Schulter. Ich hörte ihr aufmerksam zu. „Ich bin aus dem Auto gestiegen und als ich an der Haustür nach dem Türschlüssel am Schlüsselbund gesucht habe, stand plötzlich ein Typ am Treppenabsatz hinter mir. Ich hab ihn sofort gesehen, weil er sich in der Tür gespiegelt hat. Er hatte dunkle Sachen an, eine schwarze Jeans und einen schwarzen Kapuzenpullover. Er ist groß, muskulös, trägt einen Bart... Glaubst du es mir wenn ich dir sage, zuerst dachte ich wirklich noch, das wärst du?!"

Sie seufzte. „Als er dann näher kam und ich gesehen habe, wie er sich bewegt, wusste ich, dass du das nicht bist.", sagte sie, schloss einen Augenblick ihre Augen und atmete tief durch. „Hat er dich angesprochen?", fragte ich bemüht ruhig, doch am liebsten hätte ich gerade Miras Wohnung kaputt geschlagen. „Ja.", sagte sie und öffnete ihre Augen wieder, „Er redet sogar wie du." Mira schluckte. „Felix, ich wusste ehrlich gesagt nicht, von wem er mehr besessen ist – von dir oder von mir! Er kleidet sich wie du, er trägt seinen Bart und seine Haare wie du, er redet wie du, er hat sogar einige deiner Gesichtszüge."

Mir wurde gerade ziemlich unheimlich, auch, wenn ich es Mira nicht offen zeigte. „Was hat er zu dir gesagt?", fragte ich und sah tief in ihre Augen. „Dass es schön ist, mich zu sehen. Dass ich wunderschön bin. Dass er oft an mich denken muss.", zählte Mira gefasst auf. „Hat er dir Angst gemacht?", fragte ich. Mira sah mich mit offenem Mund einen Augenblick an, bevor sie antwortete. „Was glaubst du denn, Felix?!", fuhr sie mich plötzlich an, „Da steht ein Double von meinem Freund vor meiner Tür, der mir seit Wochen bedrängende Nachrichten schickt, und lauert mir auf! Kann ich das auch anders als beängstigend empfinden?! Am besten halte ich mit ihm auch noch Smalltalk oder was?!"

My ryde or die chick || Kollegah FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt