97 | #wma

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„Mach dir keine Sorgen, Schatz.", sagte Mira und schaute eindringlich in meine Augen. Ich versuchte, die aufkeimende Nervosität zu verdrängen. Seit die Polizei Hans-Henning Waldhausen in Untersuchungshaft genommen hatte, war ein wenig Ruhe in unser Leben eingekehrt. Sie ermittelten bereits gegen ihn. Mit seinem Einbruch hatte er sich selbst ziemlich tief in die Scheiße geritten. Ich war unsagbar glücklich darüber, dass es Mira noch gelungen war, die Polizei zu rufen, bevor Hans-Henning in unser Schlafzimmer eingedrungen war. Dass ich ausgerechnet zur selben Zeit nach Hause gekommen war, war purer Zufall gewesen. Ich vermied es mir vorzustellen, was alles hätte passieren können. Ich war genau im richtigen Moment nach Hause gekommen.

Ich hatte keine Sekunde bereut, dass ich ihn schließlich von Angesicht zu Angesicht auseinander genommen hatte. Er hatte jeden gebrochenen Knochen in seinem Körper verdient! Er hatte tatsächlich die Frechheit besessen, mich anschließend wegen Körperverletzung anzuzeigen. Natürlich nervte es mich, dass ich heute dafür vor Gericht stehen musste. Aber dank meinem guten Anwalt spekulierte ich auf eine saftige Geldstrafe, nicht mehr. Trotzdem war ich nervös, auch, wenn ich großkotzig ständig Beiträge oder Fotos mit dem Hashtag #wma geteilt hatte, um mit der Berichterstattung der Medien zu spielen. Ich hatte eindeutig aus Notwehr gehandelt. Immerhin hatte Hans-Henning mich einfach so aus Neid und Eifersucht angefallen. Das war zumindest die offizielle Version meiner Geschichte, bei der ich natürlich bleiben würde.

Mira hatte inzwischen ihr Smartphone und sämtliche Nachrichten als Beweismittel übergeben, die nicht nur die Anklage dieses Bastards sondern auch unsere heutigen Aussagen untermauern würden, dass er besessen von meinem Leben war und mich deshalb angegriffen hatte. Ich hatte ihr übergangsweise ein neues Telefon und eine neue Nummer besorgt, da ich aus Erfahrung wusste, dass solche polizeilichen Ermittlungen schon mal etwas dauern konnten.

„Hör auf, nachzudenken!", riss mich Miras leise Stimme aus den Gedanken. Sie stand vor mir auf dem Gang vor dem Gerichtssaal und schaute mich aus großen Augen an. Eigentlich hatte ich sie gebeten, seperat für ihre Aussage zu erscheinen, doch sie wollte mich unbedingt begleiten. Sie wollte diesem Bastard zeigen, dass sie zu mir und an meiner Seite stand, trotz Allem, was er uns angetan hatte! Das war mir eigentlich nicht Recht, aber ich hatte sie davon nicht abbringen können.

„Alles wird gut.", versicherte ich ihr jetzt und versuchte, selbst daran zu glauben. Plötzlich drückte sie meine Hand und schaute an mir vorbei. Ich folgte ihrem Blick. Dieser Bastard betrat gerade mit seinem Anwalt den Flur und warf uns einen süffisanten Blick zu. Ihm würde sein behindertes Grinsen gleich vergehen. Mira fixierte ihn mit einem düsteren Blick. Sie hatte ihn seit dem Einbruch nicht mehr gesehen und das war auch gut so. Sie reckte ihm trotzig ihr Kinn entgegen, um ihm zu zeigen, dass er sie nicht gebrochen hatte. Das stimmte. Natürlich hatte sie Respekt vor ihm gehabt und dass er ihr körperlich nah gekommen war, setzte ihr sehr zu, aber trotzdem hatte sie ihm die Stirn geboten und sich von ihm nicht einschüchtern lassen. Sie wandte ihren Blick von ihm ab, während ich ihn mit meinem eisigen Blick weiter durchbohrte.

Ihre warmen Hände an meinen Wangen ließen mich herumfahren. Sie schaute mir entschlossen in die Augen. „Entspann dich.", sagte sie noch mal ganz ruhig, „Du hast es selbst gesagt. Die können dir nichts. Niemand wird gegen Dich aussagen. Niemand außer er - und seine Aussagen werden wir schon entkräften." Ich nickte, bevor sie mir schließlich einen Kuss auf die Lippen drückte. Ich lächelte. Sie gab mir die Sicherheit, die ich für den heutigen Tag brauchte.

Zwei Stunden später verließ ich erleichtert den Gerichtssaal. Mira folgte mir und versuchte, sich vor den Medien so gut es ging hinter mir zu verstecken. Mich nervte, dass solche Verfahren nie unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden und die Medien hier ihre Bilder abgreifen konnten. Ich lächelte versonnen, während ich mit meinem Anwalt und Mira die Treppenstufen herunter lief. Der Richter hatte mich - wie erwartet - lediglich zu einer Geldstrafe verurteilt. Weitere Konsequenzen hatte ich nicht zu befürchten. Ich war so gut gelaunt, dass ich mich dazu hinreißen ließ, vor dem Gericht Bilder mit ein paar wartenden Fans zu machen. Irgendwie hatte ich ein Déjà-Vu. Trotz der guten Laune ignorierte ich bestmöglich alle Berichte, die aufgrund des Verfahrens in den Medien auftauchten. Für mich war zumindest diese Geschichte damit abgeschlossen. Ich hoffte, dass das Medieninteresse jetzt langsam abflachen würde.

„Du glaubst gar nicht, wie erleichtert ich bin!", platzte es aus mir heraus, als ich schließlich auf die Couch in meinem Wohnzimmer fiel. Mira lächelte mild. „Auch, wenn wir es vorher wussten, aber trotzdem war ich auch echt nervös.", gab sie jetzt zu. Ich grinste. „Das hast du aber heute Mittag ganz gut verborgen." Sie grinste ebenfalls. „Denkst du, ich beunruhige dich noch mehr?" Ich legte meinen Arm um sie und zog sie zu mir heran. Sie schloss ihre Augen. „Jetzt müssen wir nur noch dafür sorgen, dass dieser Hurensohn seine gerechte Strafe bekommt.", sagte sie. Ich seufzte lautlos. Ich konnte es kaum erwarten, dass sie ihm endlich den Prozess machten. Ich verstand sowieso nicht, wieso das so lang dauerte. „Das wird er.", versicherte ich ihr.

„Yana hat sich bereits angeboten, als Nebenklägerin auszusagen.", sagte Mira jetzt. Ich schaute sie fragend an und hob eine Augenbraue. „Hast du mit ihr gesprochen?" Sie nickte. Kurz nach dem Einbruch hatte Mira mich gebeten, den Kontakt zu Yana herzustellen. Sie hatte sie kennenlernen und mit ihr über ihr gemeinsames Schicksal sprechen wollen. Glücklicherweise hatte Yana zugesagt. Mira und Yana waren sofort auf einer Wellenlänge gewesen. Meine kleinen Heimlichkeiten hinter Miras Rücken waren bereits vergessen. „Ja.", sagte Mira jetzt, „Sie hat sich direkt bereit erklärt, auszusagen. Und auch Sandra will eine Aussage machen." Ich hob eine Augenbraue. Wer war die doch gleich? Ich kam inzwischen ziemlich durcheinander „Sandra?", hakte ich also nach. Nach einem so aufregenden Tag verzieh Mira mir sicher, dass ich nicht mehr ganz auf der Höhe war.

Mira lächelte mild. „Das ist die, die er nach Yana und vor mir gestalkt hat. Die, bei der das Verfahren aufgrund Mangel an Beweisen eingestellt worden ist.", erinnerte sie mich. „Ah, stimmt.", sagte ich, als ich mich schließlich an Yanas Erzählungen erinnerte. „Ich denke, mit zwei Nebenklägerinnen hat das Arschloch direkt noch viel weniger Chancen.", teilte sie mir ihre Gedanken mit und strich durch ihre Haare. Ich küsste ihren Haaransatz und schloss erleichtert meine Augen. Die Anspannung der vergangenen Wochen begann von mir abzufallen. Ich fühlte mich plötzlich unglaublich müde. Miras warme Hand an meiner Wange ließ mich meine Augen langsam wieder öffnen. Sie lächelte.

„Leg dich mal hin.", sagte sie leise und setzte sich in den Schneidersitz. Ich lächelte vorfreudig, dann legte sie sich ein Kissen in ihren Schoß und ich legte meinen Kopf hinein. Entspannt schloss ich meine Augen und genoss das sanfte Kribbeln, als Miras Fingerspitzen schließlich durch meine Haare fuhren. Gott, wie hatte ich das vermisst! „Entspann dich, Schatz.", sagte sie leise und begann, meinen Kopf zärtlich zu massieren. Ihre Hände hatten noch immer diese unglaublich beruhigende Wirkung auf mich. Während sie so durch mein Haar strich und meinen Kopf massierte, hüllte mich eine angenehme Müdigkeit ein. Ich kämpfte nicht dagegen an, sondern ließ mich einfach fallen.

Als ich meine Augen wieder aufschlug, war es bereits dunkel. Mira saß noch immer im Schneidersitz unter meinem Kopf und strich durch meine Haare. „Wie lang habe ich geschlafen?", fragte ich. Sie lächelte. „Eine Stunde, glaub ich.", sagte sie. Ich blieb noch einen Moment liegen und schaute sie einfach nur an. Sie war wunderschön, auch aus dieser Perspektive. Meine Finger fuhren an ihre Wange, bevor ich langsam in ihren Nacken strich und ihren Blick fixierte. Sie sah mir tief in die Augen und beugte sich zu mir herunter. Ihre Haare kitzelten in meinem Gesicht und ich strich sie zur Seite. Als ihre Lippen jetzt meine sanft berührten, kribbelte es in meinem ganzen Körper. Ich konnte dieses unbeschreibliche Gefühl nicht in Worte fassen. Mira und ich waren einfach füreinander gemacht. Eine unglaubliche Wärme verbreitete sich von meinem Herzen aus in meinem Körper, als ich ihren Kuss erwiderte. Mira kicherte in den Kuss hinein. „Was?", fragte ich an ihren Lippen und richtete mich langsam auf. „Nichts.", sagte sie leichthin, „Ich bin einfach nur glücklich." Sie schaute mich mit diesem wunderschönen strahlenden Lächeln an, in das ich mich bereits verliebt hatte, als sie noch sechzehn gewesen war. Ich schaute tief in ihre Augen, bevor ich meine Hand an ihre Wange legte. „Ich kann gar nicht beschreiben, wie glücklich ich erst bin.", sagte ich dann, bevor ich sie zu mir zog und ihre Lippen mit einem zärtlichen Kuss verschloss.

Wer hat sie nicht vermisst, diese liebevollen und stressfreien Momente?

My ryde or die chick || Kollegah FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt