83 | Eskalation

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Atemlos platzte ich in unser Hotelzimmer. Ich fand Mira im Schneidersitz auf dem Bett sitzend, völlig in Tränen aufgelöst. Dieser Anblick ließ mir einen kalten Schauer über den Rücken laufen. So aufgelöst hatte ich sie selten gesehen. Wahrscheinlich das letzte Mal mit sechzehn. „Was ist los?", fragte ich besorgt. Mira sagte nichts, hielt mir stattdessen irgendein Blatt Papier entgegen. Als ich näher kam, erkannte ich einen schwarzen Briefumschlag. Ich starrte sie verständnislos an. Wieso nahm sie diese Sachen mit sich?

Sie schluckte, sagte jedoch nichts. Stattdessen wischte sie sich über ihre tränennassen Wangen, während ich zu ihr aufs Bett sank. Ich schaute noch einmal in ihre Augen, dann öffnete ich den Umschlag. Was ich jetzt sah, ließ mir das Blut in den Adern gefrieren.

Ich hielt ein Foto von Mira in den Händen. Sie lag im Bett in ihrem Schlafzimmer und schlief. Ein zweites Bild zeigte ein Close-Up ihres Gesichts, das offensichtlich wo anders entstanden war. Auch hier hatte sie die Augen geschlossen und schien zu schlafen. Erst, als mein Blick auf den Kopfkissenbezug des Hotelbettes fiel realisierte ich, dass es sich bei dem zweiten Bild um eine Aufnahme aus diesem Hotelzimmer handelte. Sie war also maximal ein paar Stunden alt. Meine Hände zitterten vor Wut, als ich die dazu gehörige Nachricht aus dem Umschlag zog.

Du bist wunderschön, wenn du schläfst. Endlich habe ich dich zum ersten Mal berühren können! Deine Haare sind so unfassbar weich und du riechst so gut! Ich will dich jeden Morgen riechen, wenn ich aufwache! Ich könnte stundenlang Bilder von dir machen und sie danach betrachten!

Nur langsam checkte mein Gehirn, dass dieser Hurensohn nicht nur in diesem Hotelzimmer, sondern vor allem auch in ihrer Wohnung gewesen war! Er hatte sich also Zugang zu ihrer Wohnung verschafft und schien diese Grenze bedenkenlos zu überschreiten! Mira zitterte. Erst, als ich nach ihrer Hand griff, bemerkte ich, dass ich nicht weniger zitterte als sie. Ich wollte so viel sagen, doch mir fehlten einfach die Worte. „Es... Es tut mir so leid.", stammelte ich und schaute in ihre Augen. Tränen liefen über meine Wangen. Ich war voll mit Emotionen. Ich schämte mich, weil ich sie nicht hatte schützen können. Ich war wütend, weil dieser Hurensohn die Chance bekommen hatte, ihr unbeobachtet so nah zu kommen und sie sogar zu berühren. Ich war verzweifelt, weil ich ihr nicht hatte helfen können. Mira sagte nichts, kämpfte mit ihrer Atmung und versuchte, sich zu kontrollieren. Eine ganze Weile lang sagten wir nichts, saßen einfach nur wie versteinert miteinander da.

Irgendwann stand ich auf und begann damit, im Zimmer nervös auf- und abzulaufen wie eine Raubkatze. Ich konnte noch immer nicht fassen, dass er ihr wirklich so nah gewesen war. Plötzlich brannten meine Sicherungen durch. Ich griff nach irgendeinem Stuhl und warf ihn mit einem Wutschrei in den Spiegel an der Wand. Es folgte der Tisch. „Schatz!", keuchte Mira atemlos, während ich meinen Emotionen freien Lauf ließ und das gesamte Hotelzimmer auseinander nahm.

Als ich irgendwann wieder zu mir kam, sah ich mich fassungslos in dem völlig zertrümmerten Raum um. Mira saß noch immer auf dem Bett und schaute mich sprachlos aus großen Augen mit offenem Mund an. So außer mir hatte selbst sie mich in all den Jahren noch nicht erlebt. Sie stand langsam auf und kam zu mir herüber. „Geht es dir jetzt besser?" Ihre Stimme war nicht mehr als ein Flüstern. Sie legte ihre Hände sanft an mein Gesicht und wischte mit ihren Daumen über meine Wangen. Erst jetzt bemerkte ich, dass sie nass von Tränen waren. Sie wischte die Tränen weg und zog mich einfach in ihren Arm. Ich schloss meine Augen und drückte sie fest an mich, hielt sie fest und versuchte, ruhig zu atmen. Als ich meine Augen wieder öffnete, fiel mein Blick auf mein eigenes Spiegelbild im zerbrochenen Wandspiegel. Ich erschrak selbst bei diesem Anblick.

Meine Augen waren düster. Das satte blau war einem düsteren schwarz gewichen, zumindest wirkte es so. Meine Augen waren so gerötet als hätte ich gerade das beste Dope meines Lebens geraucht. Meine Wangen glänzten noch ein wenig. Mein ganzes Gesicht war rot vor Wut, meine Gesichtszüge kalt wie Eis. An Miras Stelle hätte ich vermutlich Angst vor mir gehabt. Doch sie stand einfach nur da und hielt mich fest. Ich löste mich ein wenig von ihr und schaute in ihre Augen.

„Tut mir leid, dass du mich so erleben musstest.", sagte ich und meinte es ehrlich. Mira legte den Kopf schief. „Vor mir muss dir so was ganz sicher nicht leid tun.", sagte sie und lächelte. Ich wusste nicht, wie ihr das in dieser Situation überhaupt gelingen konnte. Es war mir ziemlich unangenehm, dass sie mich so erlebt hatte. „Und es muss dir auch nicht peinlich sein oder so.", sagte sie, als könne sie meine Gedanken lesen. „Ich liebe dich, weil du bist wie du bist.", sagte sie und schaute mir fest in die Augen. Manchmal sagte sie genau im richtigen Moment genau das Richtige. „Ich liebe dich auch."

Ich versuchte ihr Lächeln zu erwidern, doch es gelang mir nicht. Ich bewunderte sie einmal mehr für ihre Art. Wie schaffte sie es, in solchen Momenten ihr Lächeln nicht zu verlieren? Ich schaute mich im Zimmer um und seufzte. Das Zimmer war kaum wiederzuerkennen. Nur das Bett erinnerte schwach daran, wie das Zimmer vorher ausgesehen hatte. Mira folgte meinem Blick und seufzte ebenfalls. „Ich glaube, diesmal kommst du nicht so günstig davon wie in Paris."

Heute dann mal der emotionale Boss. Ich hoffe ihr mochtet ihn. :) Danke für eure Votes und Kommentare. Ich freue mich so sehr! Bald 19.000 ❤️

My ryde or die chick || Kollegah FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt