70 | Prinzessin

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Als Farid schließlich aufbrach, war es spät geworden. Mira hatte uns wieder allein gelassen und wir hatten uns total verquatscht, wie zwei Weiber. Als ich jetzt mein Schlafzimmer betrat, lag Mira bereits im Bett. Sie lag in Embryostellung in die Bettdecke gekuschelt mit dem Rücken zur Tür auf der rechten Seite des Bettes. Die linke Seite lag näher an der Tür, weshalb ich dort schlief. Es war einfach eine Angewohnheit von mir. Bei Eindringlingen wollte ich immer zwischen ihnen und meinem Mädchen stehen.

Leise zog ich mich aus und legte mich dann zu Mira ins Bett. Vorsichtig zog ich die Bettdecke über mich und horchte in die Stille hinein. Miras Atem ging ruhig und gleichmäßig. Sie schlief tief und fest. Nur zu gern hätte ich jetzt in ihr schönes Gesicht geschaut. Gerade, als ich entspannt in die Kissen sank, regte sie sich langsam. Sie drehte sich zu mir um und schlug langsam die Augen auf. „Wie spät ist es?", fragte sie, als sei diese Information jetzt ungeheuer wichtig für sie. „Schlaf weiter, Baby.", flüsterte ich und drückte ihr einen sanften Kuss auf die Stirn. Ob sie uns vorhin hatte reden hören? Ich versuchte es in ihren Augen zu lesen, kurz, bevor sie sie wieder schloss. „Gute Nacht, Playboy."

Ich seufzte lautlos. Sie hatte uns also gehört. Ob sie jetzt sauer war? Oder enttäuscht? Sie wusste, dass ich nichts hatte anbrennen lassen, als ich Single gewesen war. Aber vielleicht war sie trotzdem abgefuckt deswegen – auch, wenn wir damals überhaupt keinen Kontakt gehabt hatten. Mich fuckte der Gedanke jedenfalls extrem ab, dass irgendwann irgendein Hurensohn seinen Schwanz in Mira gesteckt hatte! Ich schob diese behinderten Gedanken bei Seite und schloss meine Augen. Es dauerte nicht mehr lang, bis mich die Müdigkeit vollständig einhüllte und ich in einen tiefen Schlaf fiel.

Als ich am nächsten Morgen aufwachte, lag Mira noch neben mir. Sie schlief noch immer wie ein Engel. Sie lag mit dem Gesicht zu mir gewandt vor mir, ihre Hände vor ihrem Kopf abgelegt, und war einfach wunderschön. Ich betrachtete sie einen Augenblick und fuhr sanft mit meinen Fingern über ihre Wange. Sie seufzte leise, doch sie bewegte sich nicht. Ich lächelte. Es war ein unbeschreibliches Gefühl, neben ihr aufzuwachen.

Plötzlich ließ mich ein Vibrationsgeräusch zusammenfahren. Suchend schaute ich mich um und entdeckte Miras Smartphone auf dem kleinen Nachttisch an meinem Bett. Es leuchtete hell auf. Ich seufzte und griff danach, um nach der Uhrzeit zu sehen. Als ich es in meinen Fingern hielt, vibrierte es erneut und eine Nachricht poppte auf dem Lock-Screen auf. Ohne es wirklich zu wollen, glitten meine Augen über die Buchstaben. Ich kniff meine Augen zusammen, als ich – wider Erwarten – eines der Wörter zusammensetzen konnte.

Prinzessin.

Prinzessin, hallte es in meinem Kopf nach. Wer nannte Mira denn Prinzessin? Ich schüttelte den Kopf. Wahrscheinlich spielte mir mein Gehirn einen Streich. Wieso sollte ich ausgerechnet jetzt ein Wort lesen können, nachdem es mir die vergangenen Wochen nicht gelungen war?

Ich legte Miras Iphone wieder auf den Nachttisch zurück und versuchte, meinen Gedanken keine weitere Bedeutung zu schenken. Prinzessin. Ich schüttelte den Kopf und sank in die Kissen zurück. „Guten Morgen...", sagte Mira leise. Überrascht drehte ich den Kopf zu ihr und schaute in ihre müden, dennoch wunderschönen Augen. „Morgen.", sagte ich gedankenverloren, während sie mich argwöhnisch beobachtete.

„Ist alles in Ordnung?", fragte sie und stützte ihren Kopf auf ihre Hand. Es irritierte mich, dass sie mich nicht küsste, so wie sie es sonst tat. Aber vielleicht interpretierte ich in ihr Verhalten auch zu viel hinein. Immerhin war ich morgens auch nicht mit der besten Laune gesegnet. Wahrscheinlich war ich heute Morgen einfach etwas empfindlich. Außerdem konnte es genauso gut sein, dass sie wegen der Unterhaltung zwischen Farid und mir gestern Abend auf Abstand zu mir ging.

„Ja, sicher.", sagte ich also und musterte sie nachdenklich. Dann drehte ich mich auf die Seite und stützte mein Gesicht auf meiner Hand ab, spiegelte ihre Körperhaltung und strich mit meiner Hand über ihre Wange. „Bei dir auch alles cool?", fragte ich und schaute prüfend in ihre Augen. Mira erwiderte meinen Blick. „Was sollte nicht cool sein?", fragte sie seltsam kühl. Ich seufzte. „Ist es wegen gestern Abend?", fragte ich jetzt direkt. Wenn, dann wollte ich es sofort wissen. Mira sah mich ernst an. „Was war gestern Abend?", fragte sie ahnungslos. Ich legte die Stirn in Falten. „Ich habe mit Farid über die alten Zeiten gesprochen.", sagte ich. Miras Blick veränderte sich nicht. „Und?", fragte sie. Hatte sie es doch nicht gehört? Wieso war sie dann so distanziert?

„Wir haben unter anderem über Bitches gesprochen.", sagte ich also. Miras Blick veränderte sich noch immer nicht, doch ihr Mundwinkel zuckte verräterisch. „Und?", fragte sie, während sich genau dieser Mundwinkel langsam nach oben zog. „Ich dachte, vielleicht hast du da irgendwas mit angehört, was sich für dich komisch angefühlt hat oder so." Miras Mundwinkel verzog sich zu einem frechen Grinsen. „Ist schon okay.", grinste sie jetzt frech, „Du warst halt ein Checker. Kann man nicht mehr ändern. Ich hoffe, du hast dir dabei wenigstens alle Geschlechtskrankheiten eingefangen, die es gibt!" Ihr freches Grinsen lockte mich aus der Reserve und ich checkte, dass sie mit meinem Gewissen gespielt hatte.

Ich legte meine Hand an ihren Hinterkopf und zog sie zu mir, um sie zu küssen. Doch sie drehte ihren Kopf zur Seite und meine Lippen streiften lediglich ihre Wange. Ich sah sie skeptisch an. „Was ist?", fragte ich. „Nichts.", sagte sie. Ich seufzte. „Bist du doch sauer?", fragte ich sie. Sie schüttelte den Kopf. „Nein.", antwortete sie. „Was ist es dann?", fragte ich und sah in ihre Augen. Ich versuchte, in ihnen eine Antwort auf meine Ratlosigkeit zu finden. Mira schüttelte den Kopf. „Es ist nichts.", sagte sie, „Ich bin nur irgendwie nicht in der Stimmung." Ich legte fragend den Kopf schief. „In der Stimmung für was?", fragte ich. „Für Nähe.", sagte sie und machte sich schließlich von mir los. Ich sank frustriert in die Kissen zurück. „Alter...!", entfuhr es mir gereizt, „Dann sag doch einfach, dass es dich gestört hat!" „Hat es nicht.", erwiderte sie erneut, dann rollte sie sich zur Seite des Bettes und stand auf. Ich sah sie mit offenem Mund an. War das jetzt ihr Ernst?

„Verdammt, rede mit mir!", sagte ich genervt. Sie sah mich kurz an, dann lief sie um mein Bett herum. „Es ist nichts!", wiederholte sie gereizt, „Ich bin einfach nicht gut drauf und möchte ein wenig meine Ruhe haben, okay?!" Ich sah sie aus großen Augen an. „Okay.", sagte ich schließlich. Sie warf mir einen letzten Blick zu, dann schnappte sie sich ihr Smartphone vom Nachttisch und ließ mich allein im Bett zurück. Ich sank nachdenklich in die Kissen zurück. Ob es vielleicht daran lag, dass wir seit Wochen nur aufeinander hockten? Fühlte sie sich vielleicht langsam eingeengt und würde gern einfach mal ein paar Tage für sich sein?

Ich versuchte, Mira heute den ganzen Tag lang in Ruhe zu lassen und ihr den Freiraum zu geben, um den sie mich heute Morgen gebeten hatte. Einfach war es nicht für mich, aber ich bemühte mich, sie weitestgehend nicht anzusprechen. Ich schaffte es bis zum Abend, sie zu ignorieren. Erst, als sie schließlich neben mir auf die Couch fiel, auf der ich chillte und in mein Iphone vertieft war, brachen wir unser Schweigen. Ich sah sie von der Seite prüfend an. Sie versuchte ein Lächeln.

„Tut mir leid.", sagte sie jetzt versöhnlich, „Ich brauchte einfach mal ein wenig Zeit für mich. Das hatte nichts mit dir zu tun." „Okay.", sagte ich und legte meinen Arm um sie. Dann zog ich sie zu mir heran. Ich entschied, die Sache heute nicht mehr zum Thema zu machen. „Sollen wir noch einen Film gucken oder so?", fragte Mira und schaute mich an. „Können wir gleich machen.", sagte ich versöhnlich, „Lass mich nur schnell ein paar Sachen nachschauen." Mira seufzte. „Schatz, hör doch einfach mal auf damit.", redete sie mir ins Gewissen, als ich mich zu meiner Facebook-App klickte. „Ich will nur schnell ein Bild hochladen.", sagte ich, „Ich hab seit Wochen nichts mehr gepostet und ich glaube, ein Lebenszeichen wäre nicht schlecht."

„Okay.", sagte Mira, „Da hast du wahrscheinlich Recht." Sie zog die Beine an ihren Körper und zog die Kuscheldecke zu sich heran, während ich mich in meine Fotos klickte und das Bild hochlud. Ich wollte mein Iphone gerade achtlos zur Seite legen, als mein Blick auf ein Posting auf meiner Pinnwand fiel. Irgendein Mädchen hatte unmittelbar unter mein letztes Bild kommentiert. Ihr Posting bestand aus einem geteilten Bericht mit einem kleinen Bild. Ich klickte auf den Bericht und wurde auf die entsprechend Seite weitergeleitet.

Ich seufzte, als zwei Bilder nebeneinander aufpoppten. Das eine zeigte Mira gestern beim Tragen der Einkaufstüten zum Auto, das andere zeigte mich gemeinsam mit Farid. Darunter ein kleiner, knapper Zweizeiler. Ich kniff meine Augen zusammen und versuchte, ihn zu lesen.

„Nicht sehr bosshaft! Hier trägt seine Freundin die Einkäufe zum Auto, während Kolle ein Schwätzchen mit Kumpel Farid hält."

Noch ehe ich checkte, dass es mir gerade gelungen war, zwei zusammenhängende Sätze zu lesen, beugte Mira sich über das Display. Sie seufzte und setzte an etwas zu sagen, als ich mich plötzlich an die Nachricht auf Miras Smartphone erinnerte und erstarrte.

Prinzessin.

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Was ist denn da schon wieder los? Müssen wir uns Sorgen machen? Was geht da hinter seinem Rücken bloß ab? Fragen über Fragen!
Dankeschön für eure Kommentare und Rezensionen :)

My ryde or die chick || Kollegah FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt