96 | Zusammenhalt

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„Was ist passiert?!", fragte ich leise, als wir schließlich auf der Polizeiwache für unsere Aussage saßen. Dieser Bastard hatte Mira zwar nicht vergewaltigt, aber trotzdem hatte sie darauf bestanden, dass eine Frau ihre Aussage aufnahm und ich bei ihr war. Die blonde Polizeibeamtin mittleren Alters klärte Mira darüber auf, dass sie ihre Aussage auf Tonband aufzeichnen würde. Sie wusste bereits die ganze Vorgeschichte und gab sich ziemlich einfühlsam und verständnisvoll. Ich merkte, dass Mira bereit war, sich ihr mehr zu öffnen als den Beamten zuvor.

Ihre Finger verkrampften sich um meine Hand. Ich strich sanft mit meinem Daumen über ihren Handrücken. „Alles ist gut, ich bin bei dir.", sagte ich. Als sich ihre Atmung schließlich endlich normalisierte, schaute die Beamtin sie fragend an.

„Also, Frau Nowak, erzählen Sie mir bitte genau, was passiert ist. Wenn Sie sich an Details nicht erinnern können, ist das nicht schlimm. Das ist normal." Miras Finger zitterten, also umfasste ich sie mit meinen Händen. „Lassen Sie sich Zeit.", sagte die Frau in Blau einfühlsam. Ich war wirklich kein Fan der Bullen, gerade nicht bei meiner Vorgeschichte, doch diese Frau verhielt sich gerade sehr vorbildlich.

„Ich habe die halbe Nacht wach gelegen. Felix und ich haben uns gestritten. Ich konnte einfach nicht schlafen." erzählte sie dann und schaute der Polizistin fest in die Augen. Ich bereute unseren Streit einmal mehr in dieser Nacht! Mit meiner Sturheit hatte ich alles nur noch schlimmer gemacht!

„Auf einmal habe ich Geräusche gehört. Sie kamen aus dem Wohnzimmer." Die Beamtin nickte. „Woher wussten sie, dass nicht ihr Freund wieder nach Hause gekommen war?", fragte sie. Mira lächelte mild. „Wenn er nachts nach Hause kommt, ist das anders. Ich höre die Haustür zugehen und wie er sie abschließt. Außerdem zieht er im Flur die Schuhe aus." Ich lächelte gerührt. „Aber das vorhin war komisch. Ich habe Schritte gehört. Die höre ich sonst nicht, wenn Felix die Schuhe auszieht. Die Schritte waren ziemlich deutlich hörbar, also wusste ich, dass es nicht Felix ist. Er versucht nämlich auch immer, mich nicht aufzuwecken." Sie warf mir ein mildes Lächeln zu und ich erwiderte es. Sie machte das wirklich toll, nicht nur wegen ihrer süßen Worte über mich.

Mira strich durch ihre Haare. „Sie haben Ihn also im Wohnzimmer gehört.", wiederholte die Beamtin Miras Aussage. Sie nickte. „Ja. Ganz eindeutig. Doch dann lief er in den Flur." Sie seufzte. „Was haben Sie dann getan?", fragte die Beamtin. „Ich habe versucht, Felix anzurufen.", sagte Mira, „Aber sein Handy war aus. Ich dachte, er hat es vielleicht wegen unserem Streit ausgemacht, weil er Zeit für sich brauchte." Ich seufzte. „Mein Akku war leer.", gestand ich reumütig. Ich fühlte mich direkt noch schlechter. Ich war manchmal wirklich ein miserabler Freund. Andererseits – damit hatte ich nun nicht unbedingt rechnen können!

„Und was ist dann passiert?", fragte die Blondine und musterte Mira aufmerksam. Mira strich mit ihren Fingerspitzen durch ihre Haare. „Ich wusste nicht, was ich tun soll, also habe ich die Polizei angerufen. Ihr Kollege sagte, dass sie sofort eine Streife vorbeischicken. Leider waren die nicht schnell genug." Sie senkte kurz ihren Blick, dann schaute sie der Frau wieder in die Augen. „Sorry, sollte keine Kritik sein." Ich schmunzelte. „Was ist dann passiert?", fragte die Beamtin. Ich hielt den Atem an und mein Herz schlug mir bis zum Hals. Ich wusste nicht, ob ich die Antwort auf diese Frage überhaupt hören wollte. „Dann kam er ins Schlafzimmer.", sagte sie und ihre Stimme zitterte. Mein Hals wurde trocken. „Er kam direkt auf mich zu. Sein Blick war ganz schön gruselig." Tränen traten in ihre Augen. „Er war so stark, Schatz..."

Ich starrte sie besorgt an. „Was hat er dir angetan?!", entfuhr es mir aufgebracht. Hatte sie nicht vorhin gesagt, er hatte sie nicht angefasst?! „Nichts, er... Er hat mich an meinem Oberarm zu sich hochgezogen." Sie deutete auf einen dunklen Fleck unter ihrer Schulter und ich biss wütend die Zähne zusammen. „Was ist dann passiert?" Es tat mir leid, dass ich ihr jetzt auch noch diese quälenden Fragen stellte.

„Er hat mich aufs Bett gedrückt." Ich starrte sie entsetzt an, während die blonde Beamtin nur nickte. Ich unterdrückte meine aufkeimende Wut, so gut es mir möglich war. Ich würde Mira nicht helfen, wenn ich jetzt hier ausrastete. Sie brauchte jetzt den starken Mann an ihrer Seite, nicht den Choleriker.

„Er hat mich aufs Bett gedrückt.", wiederholte Mira tonlos und die Vorstellung zerfetzte mein Herz. „Haben Sie sich gewehrt?", fragte die Beamtin. Mira schluckte. „Ja.", sagte sie. „Wie genau haben Sie sich gewehrt?", fragte sie. „Ich habe versucht, ihn von mir zu drücken, aber er war einfach so stark...." Sie brach ab und wischte sich tapfer eine Träne von ihrer Wange. „Er hat meine Hände mit einer Hand festgehalten und mir dann einfach nur in die Augen gesehen. Dann plötzlich hat er mir mit seiner Hand durchs Gesicht gestrichen und komische Shhh-Laute gemacht, wahrscheinlich um mich zu beruhigen. Ich dachte, wenn ich jetzt falsch reagiere, wird er vielleicht wütend und-" Sie brach ab und schluckte, dann wich sie meinem Blick aus. „Es tut mir so leid.", flüsterte sie. Ich schüttelte den Kopf. „Nein, Baby! Nein! Dir muss nichts leid tun! Mir muss es leid tun, weil ich dich allein gelassen habe!" Sie strich eine weitere Träne von ihrer Wange. „Zum Glück bist du dann nach Hause gekommen.", sagte sie mit zitternder Stimme.

„Was ist dann passiert, Frau Nowak?", mischte sich die Beamten vorsichtig wieder in unsere Unterhaltung ein. Mira schluckte. „Er hat sich zu mir herunter gebeugt, um mich zu küssen, doch ich habe den Kopf weggedreht und mich versucht zu wehren. Er wurde dann plötzlich ziemlich wütend. Ich hatte wahnsinnige Angst, dass er mir jetzt was antut! Aber dann war plötzlich Felix da." Die Beamtin nickte. „Und was hat Herr Blume dann getan?" Mira warf mir einen unsicheren Blick zu. Sie wusste, dass ihre Aussage mich im Zweifelsfall belasten würde. Ich nickte, doch sie schüttelte den Kopf. „Daran kann ich mich nicht mehr erinnern.", sagte sie stattdessen. Sowohl die Polizistin als auch ich wussten, dass Mira nicht die Wahrheit sagte, um mich nicht zu belasten. „Frau Nowak...", sagte sie einfühlsam „Lassen Sie sich Zeit."

Mira seufzte. „Ich weiß es nicht mehr.", wiederholte sie, „Ich möchte nichts aussagen, an das ich mich nicht erinnern kann." Die Polizistin nickte. „Wenn Ihnen doch noch etwas einfällt, können wir das jederzeit der Aussage hinzufügen." Mira nickte. „Was ist das Nächste, an das sie sich erinnern?", fragte sie also jetzt. Mira legte kurz den Kopf schief. „Dass auf einmal die Polizisten in unser Schlafzimmer gestürmt kamen und Felix zu Boden gedrückt haben. Sie dachten, er wäre der Einbrecher." „Hmm.", machte die Polizistin. „Und dann?" Mira zuckte mit den Schultern. „Dann haben sie diesen Typen in Handschellen gelegt."

„Du glaubst gar nicht, wie stolz ich auf Dich bin.", sagte ich leise zu Mira, als wir ein paar Stunden später endlich wieder nach Hause kamen. Mira seufzte und fiel mir erleichtert in die Arme. „Und du glaubst gar nicht, wie froh ich bin, dass du bei mir warst und das mit mir zusammen durchgestanden hast." Sie drückte sich fest an mich. Ich lächelte und schloss meine Augen. Ich sog ihren Mandelduft ein und genoss einen Augenblick lang einfach nur ihre Nähe. Dann löste ich mich von ihr und schaute in ihre Augen.

„Es tut mir so leid.", sagte ich leise und strich durch ihre Haare. Sie legte den Kopf schief und schaute mich traurig an. „Mir tut es leid.", sagte sie, „Ich hätte dir von den neuen Briefen erzählen sollen. Aber ich wollte dich nicht wahnsinnig machen." Ich nickte. „Ich weiß.", sagte ich, „Es tut mir leid, dass ich so ausgeflippt bin. Ich konnte das einfach nicht kontrollieren." Sie strich durch meine Haare. „Ich kann dich sogar verstehen.", räumte sie ein und versuchte zu lächeln. Ich seufzte schwer. „Ich hätte mir nie verziehen, wenn er dir noch Schlimmeres angetan hätte.", sagte ich dann bedrückt, „Ich verzeihe es mir ja schon jetzt nicht." Mira schüttelte den Kopf. „Nein, lass das. Lass uns damit aufhören, uns selbst irgendwelche Vorwürfe zu machen. Das bringt uns nicht weiter. Wir brauchen unsere Energie noch für was auch immer da noch auf uns zukommt." Sie faszinierte mich einfach immer wieder. Ich lächelte und zog sie zu mir heran. Ich legte meine Hände an ihr Gesicht, während ich ihr tief in die Augen schaute.

„Ich liebe dich.", sagte ich leise und presste meine Lippen sanft auf ihre. Mira erwiderte meinen Kuss vorsichtig und schlang ihre Arme um meinen Hals. Dann schenkte sie mir ein strahlendes Lächeln. „Ich liebe dich auch." Ich strich durch ihre Haare. „Egal, was passiert. Wir stehen das zusammen durch.", versicherte ich ihr. Sie lächelte. „Ich weiß."

Ich bin so glücklich über meine 24000 Leser! Vielen dank euch allen! Ich hoffe, ihr mochtet das ruhigere Kapitel nach der ganzen action.

My ryde or die chick || Kollegah FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt