85 | Heimlichkeiten

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Morgen geht's los. Hier aber erst mal das neue Kapitel :)
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Mein Hals wurde trocken und mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Ich hatte das Gefühl, dass ich kaum noch atmen konnte. „Darf ich fragen, was er mit dir gemacht hat?"

Yana schwieg einen Augenblick. Es beunruhigte mich, dass sie mir nicht mehr in die Augen schaute. „Als er irgendwann verstanden hat, dass aus uns nichts werden wird, ist er vollkommen durchgedreht.", sagte sie leise. „Er hat mich bedroht und genötigt, Lügen über mich verbreitet, mich regelmäßig besucht und mir Angst gemacht, die Reifen meines Autos zerstochen, mich überfallen und fast..." Sie brach ab. Ich schluckte hart. Mir lief es eiskalt den Rücken hinab. Ich wusste nicht, ob ich überhaupt wissen wollte, was sie versuchte zu sagen. Yana atmete tief durch.

„Eines Nachts, als ich von einem Geburtstag nach Hause kam, stand er plötzlich hinter meiner Zimmertür. Es ging alles so schnell. Er hat mich aufs Bett gedrückt und..." Sie stockte wieder. Noch immer schien es ihr ziemlich schwer zu fallen, darüber zu sprechen. Obwohl ich sie nicht kannte, tat sie mir unheimlich leid. Ich beugte mich zu ihr herüber und legte meine Hand auf ihren Arm. „Tut mir leid, du musst nicht weiter erzählen.", sagte ich. Ich hatte keine alten Wunden aufreißen wollen. „In dieser Nacht hat er versucht, mich zu vergewaltigen.", sagte sie trotzdem und schaute mir dann wieder in die Augen. Ihr Blick erschreckte mich. Ihre vorher so schönen grünen Augen funkelten nicht mehr. Sie waren nur noch leer. Ich würde es nicht ertragen, wenn Mira mich eines Tages so anschaute!

„Das tut mir leid.", sagte ich noch mal. „Ich habe mich gewehrt, aber er war ziemlich stark. Er hat mich geschlagen und mich gewürgt, während er versucht hat, mich auszuziehen. Ich habe so laut um Hilfe geschrien wie noch nie in meinem Leben. Nur dank meiner Zimmernachbarin hat er es nicht geschafft." So leid mir Yanas Schicksal auch tat und so sehr es mich jetzt auch bewegte, ich musste unbedingt verhindern, dass er Mira das Selbe oder Schlimmeres antun konnte!

„Erst danach haben die Behörden endlich erkannt, dass er eine tickende Zeitbombe ist und reagiert. Ich verstehe aber bis heute nicht, dass sie ihn nicht eingesperrt haben." Sie seufzte. „Wie ist die ganze Sache ausgegangen?", fragte ich jetzt. Sie fasste sich nervös an ihre Haarspangen. „Es ging dann wegen Stalking, Verleumdung, Körperverletzung und Nötigung vor Gericht. Drei Jahre auf Bewährung und eine Geldstrafe hat er bekommen, was für ihn kein Problem war, weil seine Eltern reich sind. Ich kann das noch immer nicht glauben..." Ich schüttelte ungläubig den Kopf. „Und dann hat es einfach so von heute auf morgen aufgehört?", fragte ich. Yana zuckte mit den Schultern. „Ja. Das ist jetzt genau drei Jahre her. Anfangs habe ich gedacht, dass da noch was kommt, aber es kam nie was. Irgendwann rief mich dann die Polizei wieder an. Da habe ich auch verstanden, weshalb. Er stellte inzwischen einer anderen Frau nach."

„Aber dann müssen sie ihn doch wegsperren!", entfuhr es mir wütend. Sie sah mich erschrocken an. „Entschuldige." „Sie haben ihn dann in Untersuchungshaft genommen, aber das Verfahren wurde eingestellt, da er bei ihr noch nicht so weit gegangen war wie in meinem Fall." Ich konnte nicht verstehen, wieso sie einen Wiederholungstäter nicht einsperrten. Das Deutsche Rechtssystem ging mir wirklich auf die Nerven! „Und was hat er mit deiner Freundin gemacht?", fragte sie jetzt. Ich seufzte. „Zum Glück im Vergleich zu dir noch nicht so viel.", sprach ich meine Gedanken offen aus, ohne darüber nachzudenken. Sofort fühlte ich mich ziemlich unsensibel. „Tut mir leid.", sagte ich ein weiteres Mal an diesem Nachmittag. Yana lächelte mild. „Nicht schlimm.", sagte sie, „Ist ja eigentlich was Gutes für deine Freundin."

„Es hat angefangen wie bei dir. Textnachrichten, Briefe. Dann hat sie ihre Nummer gewechselt. Die Briefe hat sie allerdings weiterhin bekommen. Das ging so weit, bis er sie vor ihrer Haustür abgefangen und auf der Arbeit bedrängt hat." Irgendwie hatte ich Hemmungen, ihr von den letzten Ereignissen rund um die Fotos aus Miras Schlafzimmer zu erzählen. Das war irgendwie ziemlich intim. „Oh.", machte Yana, „Ich hoffe, dass es bei Euch auch gar nicht so weit kommt." „Wird es nicht.", versicherte ich ihr. Immerhin hatte Mira mich! Wir schwiegen einen Augenblick. „Ich danke dir für deine Offenheit.", sagte ich schließlich. Yana nickte.

My ryde or die chick || Kollegah FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt