58 | Rauch im Paradies

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Überraschung. Neues Jahr, zweites Update. Ja, für alle, die sich dachten: das war jetzt aber ein schneller Übergang von Wut und Traurigkeit zu Lust und Liebe: Entspannt Euch. Toni 3.0 sieht das ähnlich.
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Mira machte wieder ein paar Schritte auf das Bett zu.
„Also, Hulk, hattest du einen kleinen Anfall von Roid Rage oder was ist los mit dir?", fragte sie und setzte sich wieder aufs Bett. Ich sah sie an und seufzte. Meine ganzen schlechten Gedanken kehrten zurück. Meine Lust war augenblicklich wieder verschwunden. Was eine Illusion, dass ich so meine und auch ihre Sorgen verschwinden lassen könnte... „Erzähl ich dir morgen.", sagte ich, „Ich will jetzt einfach nur nicht nachdenken." Mira sah prüfend in meine Augen. „Sicher?", hakte sie noch mal nach, „Sieht irgendwie aus, als täte dir reden gerade jetzt ziemlich gut."

„Glaub mir, das läuft uns nicht weg.", sagte ich entschieden. Ich wollte Mira nicht auch noch mit dieser Scheiße belasten, nachdem sie offenbar gerade ihre Vergangenheit eingeholt hatte. Wenn es mir schon nicht gelungen war, sie zu schützen, sollte ich zumindest noch ein wenig mit dieser Information warten. Außerdem ahnte ich, dass dieser Bericht auch einige Diskussionen mit Mira nach sich ziehen würde. Natürlich würde sie das alles ziemlich nerven. Sie hatte sowieso schon Probleme damit, wer ich inzwischen war. Aber wenn es nach ihr ging, würde ich mich einfach offen mit meiner Beziehung zu ihr umgehen und mich nicht ständig verstecken.

„Okay.", lenkte Mira leise ein. Vermutlich hatte ich einfach Glück, dass sie mitten in der Nacht keine Lust auf irgendwelche Diskussionen hatte. Ich wusste, dass sie Offenheit von mir erwartete und ziemlich genervt war. Aber da ich in den letzten Tagen auch nicht gebohrt hatte, ließ auch sie mir jetzt meine Zeit, die ich brauchte und das fand ich gut. Auch ihr schien die Lust wieder vergangen zu sein. Die Traurigkeit von eben war in ihre Augen zurückgekehrt und mein Herz wurde schwer bei diesem Anblick.
Ich griff nach ihren Fingern. Mira sah mich nachdenklich an. „Mach dir keinen Kopf, Baby. Auch nicht über deine Mutter. Zumindest nicht heute Nacht.", bat ich sie. Sie seufzte. „Ich versuche es."

In dieser Nacht machte ich fast kein Auge zu. Ein paar Mal verschwand ich im Bad und versuchte irgendwen zu erreichen, der mir von Deutschland aus weiterhelfen konnte, während Mira schlief. Als ich mich endlich damit abfand, dass ich in dieser Nacht das Problem nicht lösen konnte und endlich so müde wurde, dass ich hätte schlafen können, schlug Mira bereits wieder ihre schönen Augen auf.

Ich war ihr dankbar dafür, dass sie die letzte Nacht einfach überging und übergangsweise so tat, als wäre nie etwas gewesen. Als sie jedoch auf mich krabbelte und ich den sehnsüchtigen Blick in ihren Augen bemerkte, wies ich sie ab. Ich konnte sie einfach jetzt nicht vögeln; mein Kopf war einfach zu voll mit dieser Sache. Ich war wieder komplett im Problemlösermodus.

„Schatz?" Miras Stimme riss mich aus meinen Gedanken. „Hm...", machte ich und sah von meinem Iphone auf, in das ich mich seit geraumer Zeit vertiefte. Wir saßen inzwischen beim Frühstück, doch ich konnte unser letztes gemeinsames Frühstück in Paris überhaupt nicht genießen.

„Bist du schon fertig?", fragte sie skeptisch und deutete auf mein Frühstück. Es bestand aus Eiern und gegrilltem Gemüse, dazu gab es Müsli, Nüsse und Rosinen. Der heiße Kaffee war inzwischen schon so abgekühlt, dass er nicht einmal mehr dampfte. Ich hatte bisher nichts von alldem angerührt. Ich seufzte lautlos.

„Sorry, ich war kurz abgelenkt.", sagte ich und versuchte ein Lächeln, dann legte ich das Iphone zur Seite. „Was du nicht sagst.", erwiderte Mira trocken, „Hast du wieder irgendwelche Fotos auf Instagram gepostet?" Ich griff nach meinem Teller und zog ihn zu mir heran. Ich hatte während der letzten drei Tage mein Instagram nicht mal geöffnet. Ich hatte mich einfach auf Mira konzentriert und hatte - zumindest bis letzte Nacht - alles andere vergessen!

„Ich hab schon mal online eingecheckt.", antwortete ich. Das stimmte sogar, allerdings schon gestern Abend. „Für mich auch?" Ich nickte. „Ja." Eigentlich machte das ziemlich wenig Sinn, immerhin mussten wir unser Gepäck sowieso vor Ort am Schalter abgeben. Aber ich wollte so wenig Zeit wie möglich am Schalter verbringen, aus bereits bekannten Gründen. Ich nippte an meinem inzwischen nur noch lauwarmen Kaffee und verzog angewidert das Gesicht. Kaffee musste einfach heiß sein! Ich stellte die Tasse auf die Untertasse zurück und schälte die inzwischen kalten Eier. Ohne mein Frühstück überhaupt zu genießen, schob ich es einfach in mich hinein. Währenddessen verlor ich mich wieder in Gedanken.

Wie automatisiert griff ich wieder nach meinem Iphone und klickte mich in die Anrufliste. Dann probierte ich es wieder direkt bei diesem Hurensohn-Magazin. Niemand von diesen Dilettanten schien sich dafür verantwortlich zu fühlen, ans Telefon zu gehen.

„Du machst mich wahnsinnig!" Miras Stimme ließ mich von meinem Teller aufsehen, den ich während meines Anrufs mit meinem Blick nieder gestarrt hatte. Ich sah in ihre Augen und legte wieder auf. Mira griff nach meiner Hand. „Verdammt, Felix! Sag mir jetzt endlich, was los ist!", platzte es genervt aus ihr heraus. „Wieso kannst du nicht einfach akzeptieren, dass ich nicht darüber sprechen will?!", fuhr ich sie so laut an, dass uns die umliegenden Tische anschauten, und knallte wütend meine Gabel auf den Tisch. Mira sah mich mit offenem Mund an. Ein angriffslustiges Schimmern lag in ihren Augen.

„Ist das gerade dein Ernst?", fragte sie gereizt. „Habe ich dich in den letzten Tagen so sehr genervt, als du nicht mit mir reden wolltest? Ich habe schon meine Gründe dafür!", setzte ich aufgebracht hinterher. Ich wusste, dass es falsch war, Mira jetzt so anzumachen, aber ich konnte mich nicht bremsen. Meine ganze Wut platzte einfach so aus mir heraus. Mira lachte enttäuscht auf. „Keine Sorge, ich frag dich nicht mehr."

Ich seufzte und fuhr mir mit der Hand über den Kopf. Sie hatte Recht. Ich versuchte, mich zu beruhigen und ihr diese Information jetzt nicht im Affekt aufgebracht an den Kopf zu werfen. „Du hast Recht.", räumte ich ein und schaute auf das Display meines Iphones, das ich noch immer in der Hand hielt. „Alex hat-", setzte ich jetzt ruhiger zu einer Erklärung an, doch Mira hob abwehrend ihre Hände und stand auf. „Vergiss es, Felix. Was auch immer es ist, ich glaube kaum, dass es einen Grund dafür gibt, mich so blöd anzumachen! Ich will es schon gar nicht mehr wissen!" Mir den Worten verließ sie den Tisch und ließ mich allein zurück. Ich fühlte mich wie ein Arschloch, weil ich sie angeschrien hatte. Dabei traf Mira die wenigste Schuld.

Ich entschied, uns beiden etwas Zeit zu geben, uns zu beruhigen. Als ich schließlich unser Hotelzimmer betrat, saß Mira im Schneidersitz auf dem Hotelbett. Auf ihrem Schoß lag mein Ipad. Als ich zur Tür hereinkam, sah sie auf. Dieser seltsame Blick in ihren Augen ließ mich erschaudern. Saß sie etwa wieder über der E-Mail ihrer Mutter? Ich war innerlich zerrissen. Einerseits wollte ich sie gerade jetzt mehr schützen als je zuvor. Andererseits wollte ich es ihr jetzt einfach sagen. Es war besser, sie erfuhr es so schnell wie möglich von mir als von irgendeiner Freundin.

„Was machst du?", fragte ich möglichst friedlich. „Hast du dich jetzt abgeregt?" In ihrer Gegenfrage schwang eine gehörige Portion Gereiztheit mit. „Tut mir leid, dass ich dich angeschrien habe.", entschuldigte ich mich reumütig und sank neben Mira auf das Bett. Sie versank wieder im Display des Ipads. Ich folgte ihrem Blick. Sie saß an einer Antwort an ihre Mutter. Ich seufzte und zog das Ipad aus ihrem Schoß. Damit erlangte ich Miras volle Aufmerksamkeit. „Seit wann lässt du es so sehr an dich heran, wenn dich irgendwelche dahergelaufenen Hobbyrapper fronten?", fragte sie schließlich versöhnlicher.

„Am besten, du siehst es dir selbst an.", kommentierte ich, tippte die Adresse der Website des Magazins in den Browser und wartete, bis sich die Seite aufbaute. Wahrscheinlich passierte es in ganz normaler Geschwindigkeit, aber es kam mir vor wie die Ewigkeit. Als die Seite aufpoppte, musste ich dummerweise nicht groß nach dem Artikel suchen. Stattdessen kam er mir auf der Startseite nahezu entgegen; auf dem Ipad wirkte unser Foto noch viel größer als auf meinem Iphone.

Mira biss sich auf ihre Unterlippe, als auch sie schließlich das Foto erkannte und griff nach meiner Hand, während ihre Augen über den kleinen Artikel flogen. Erst jetzt sah ich, dass einige Leser sogar schon Kommentare hinterlassen hatten. Als Mira den Artikel gelesen hatte, hob sie ihren Blick und schaute mich an. „Oh.", sagte sie benommen und strich durch ihre Haare. „Hmm.", machte ich und gab ihr das Ipad wieder. Sie betrachtete einen Moment lang unsere Fotos. „Woher wissen die das alles über mich?!", platzte es jetzt aus ihr heraus. Dann sah sie mich an.

My ryde or die chick || Kollegah FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt