Kapitel 2

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Ben konnte seine Tränen nun nichtmehr zurück halten und begann zu schluchzen. Ich legte sanft einen Arm um ihn. Er lehnte sich an mich und fragte: "Warum ausgerechnet sie?"
"Sie war schon alt. Pferde leben nun mal leider nur 30 Jahre. Sie war mit ihren über 35 Jahren schon sehr alt. Da war es zu erwarten, dass sie irgendwann stirbt. Das weißt du doch selber am besten. Du hast jetzt erst gesagt, dass es ein Wunder ist, dass sie überhaupt noch lebt.", sagte ich vorsichtig. Ich bemühte mich nichta falsches zu sagen, aber das war in dieser Situation so gut wie unmöglich. Ben war jetzt einfach völlig fertig und das war ja auch verständlich.
"Was machen wir jetzt?", fragte Ben nach einer Weile.
"Was meinst du?", fragte ich.
"Mit ihr...", umschreib Ben, was er wollte. Er konnte das alles einfach noch nicht so richtig aussprechen und das war ja auch verständlich. Er kannte die Stute seit ihrer Geburt und die beiden waren seit dem unzertrennlich gewesen. Da war es nicht so einfach, dass sie jetzt nicht mehr da war.
"Ich würde sagen sie hat sich den Platz neben Darling verdient.", sagte ich. Ben schaute mich erstaunt an. Noch noe hatte ich ein Pferd mit Darling verglichen, aber ich wusste, dass Shalima ihm genauso wichtig war, wie Darling mir. Außerdem hatte die Stute viel füe uns getan. Unzählige Rennen hatte sie unter Ben geritten und einen Haufen toller Fohlen zur Welt gebracht, die zum größten Teil genauso erfolgreich waren, wie sie. Außerdem war sie immer eine tolle und umgängliche Stute gewesen, die eigentlich jedem, der mit ihr Zeit verbracht hatte ein Lächeln auf die Lippen gezaubert. Von Jenny war sie immer das Lieblingspferd, weil sie einfach alles brav mit sich machen ließ und dabei so liebenswert war.
"Bist du sicher?", fragte Ben nun.
"Ganz sicher. Sie ist dir genauso wichtig, wie Darling es mir war. Du brauchst einen Ort, wo du hin kannst. Außerdem hat sie so viel für uns getan. Sie hat sich dan verdient."
"Danke!"
"Schon gut. Ich weiß, wie das ist. Wollen wir rein oder willst du lieber hier bleiben?"
"Ich geh rein. Kümmer du dich um die Pferde."
"Vergiss es! Ich lass dich nicht alleine!"
"Ich komm schon klar."
"Nein tust du nicht. Gebs auf. Mich wirst du jetzt nicht mehr los."
"Ich merks. Und was ist mit den Pferden?"
"Die haben dann mal das ganze Wochenende frei. Ohne Jenny geht hier sowieso gar nichts."
"Und die anderen schaffen den Rest alleine?"
"Klar. Dann dauert das halt ein bisschen länger."
"Lisa das geht nicht! Du musst dich um die Pferde kümmern! Ohne dich läuft auch gar nichts. Irgendwer muss die Anweisungen geben und wenn Julia das macht geht das nicht gut."
"Und was ist mit dir?"
"Ich komme alleine klar."
"Sicher?"
"Ganz sicher."
In dem Moment klingelte schon wieder mein Handy.
"Gestüt Michalów, Lisa Michalów. Wie kann ich Ihnen helfen?", meldete ich mich.
"Guten Tag Frau Michalów. Ich wollte mit ihnen nochmal über Emely sprechen.", kam die Stimme von dem Lehrer.
"Hatte ich Ihnen nicht gesagt, dass wir Sonntag telefonieren?"
"Ja, aber da hab ich keine Zeit."
"Das ist nicht mein Problem. Ich kann jetzt verdammt nochmal nicht! Ich hab hier echt andere Probleme!"
"Es ist aber wichtig!"
"Ich würde sagen die 500 Pferde, die hier alles finanzieren sind wichtiger! Einen schönen Tag noch!", sagte ich und legte auf. Ben schaute mich nur verwundert an.
"Frag lieber nicht!", sagte ich genervt.
"Mach ich nicht.", meinte Ben.
"Soll ich dir hoch helfen?"
"Das wäre nett.", meinte Ben. So half ich ihm nun langsam hoch und begleitete ihn noch nach drinnen.
"Und du kommst wirklich alleine klar?", fragte ich. Ich war mir nicht sicher, ob das so gut war.
"Ja klar. Ich schaff das schon."
"Okay. Wenn was ist dann ruf an. Ich hab mein Handy immer dabei.", sagte ich und ging raus. Ich hatte jedoch kein gutes Gewissen dabei. Mir gefiel es gar nicht ihn alleine zu lassen.

Draußen kam mir Julian entgegen ind fragte: "Ist alles in Ordnung?"
"Wieso?", fragte ich.
"Du siehst ziemlich fertig aus. Ist irgendwas passiert?"
"Shalima ist gestorben."
"Oh. Wie geht's Ben?"
"Naja. Ich hab so das Gefühl nicht gerade gut, aber er meint ich könnte ihn ruhig alleine lassen."
"Wenn er das sagt. Er ist alt genug, um selber zu sagen, was er will und was nicht."
"Ja. Vielleicht ist es ja besser, wenn er ein bisschen Zeit für sich hat, aber irgendwie hab ich ein schlechtes Gewissen dabei."
"Er kommt schon klar. Wir müssen gucken, dass wir mit den Pferden alles hintereinander kriegen. Wir können ja zwischendrin immer mal nach ihm gucken."
"Bist du sicher?"
"Ganz sicher. Dich brauchen wir draußen. Jenny fehlt an allen Ecken."
"Ich weiß. Die reißt bei uns so einiges raus."
"Dann los. Wenn irgendwas ist sagt der schon Bescheid.", meinte Julian und schob mich in Richtung Stall. Mir war zwar immer noch nicht ganz wohl dabei, aber Julian hatte schon Recht. Die Pferde mussten auch versorgt werden.
So ging es nun mit jede Menge Stress weiter. In Rekordzeit trainierten wir die Pferde und ich schaute zwischendurch immer wieder nach Ben, um mich zu vergewissern, dass bei ihm auch wirklich alles in Ordnung war.
Bis spät in die Nacht hinein ritt ich noch die ganzen Pferde.
Als ich zum Schluss dann noch mit Ginger joggen ging, war es dann schin bald Mitternacht.
Auf der Hälfte klingelte dann auf einmal mein Handy.
"Gestüt Michalów, Lisa Michalów. Wie kann ich Ihnen helfen?", fragte ich leicht verwundert. Wer rief denn so spät noch an? War irgendwas passiert?
"Hey Lisa. Wo bist du?", hörte ich Julian fragen.
"Mit Ginger joggen. Wieso? Ist irgendwas passiert?", fragte ich sofort besorgt. Wenn er schon so fragte konnte das nichts gutes heißen.
"Weißt du, wo Ben ist?"
"Ist der nicht am Schlafen oben bei uns?"
"Ne. Das Haus hab ich schon durch. Da ist er nicht."
"Die Ställe auch?"
"Ja. Da ist er auch nirgends."
"Ganz sicher?"
"Ja. Die hab ich eigentlich alle durch."
"Warst du schon in Shalimas Box?"
"Ne, aber ich bin die Stallgasse lang."
"Geh da mal rein und guck, ob er da ist. Ich bleib dran.", sagte ich. Dann hörte ich, wie Julian raus ging und den Stall betrat. Seine Schritte hallten auf der Stallgasse und im Hintergrund hörte man die Pferde. Dann blieb er stehen und es herrschte absolute Stille. Was war jetzt passiert?

Sprung ins ChaosWo Geschichten leben. Entdecke jetzt