Wenig später lag ich auch schon im Sand und neben mir die Stute, die wieder auf die Beine sprang und wie bescheuert durch die Halle raste.
"Lisa?", hörte ich Ben panisch rufen und stand nun wieder auf, um mich kurz etwas von dem Sand zu befreien.
Wenig später stand Ben auch schon neben mir und fragte besorgt: "Ist alles in Ordnung?"
"Ja. Alles gut. War doch nur ein kleiner Sturz.", meinte ich.
"Kleiner Sturz? Du hast dich fast mit ihr überschlagen! Du hättest dabei drauf gehen können!", schimpfte Ben.
"Bleib mal locker. Ist doch alles gut. Guck lieber mal, ob Scarlett in Ordnung ist."
"Ist sie und du wirst sie nicht mehr reiten!"
"Warum das denn jetzt?"
"Das ist viel zu gefährlich!"
"Wenn du das so siehst, darf ich zu keinem Pferd mehr gehen, denn dann ist jedes Pferd gefährlich, das sich erschreckt! Der Pferdesport ist nun mal lebensgefährlich! Damit muss man leben! Ein Pferd könnte dich nur mit einer einzigen Bewegung töten! Da ist es völlig egal welches Pferd das ist und was du mit ihm machst! Ich werde sie auch weiterhin reiten, bis Lea sie selber wieder reiten kann! Und mir ist da völlig egal, ob du meinst mir das verbieten zu müssen oder nicht! Sie ist verdammt nochmal nicht gefährlich! Sie hat sich nur erschreckt!"'
"Ach und das Buckeln davor war alles nicht gefährlich?"
"Wenn du der Meinung bist, dass Buckeln gefährlich ist und ich kein Pferd mehr reiten darf, das buckelt, dürfte ich mich auf keins von den Pferden, die ich alle reite mehr drauf setzen! Außerdem kann Scarlett da gar nichts für! Ich hab es ja provoziert runter zu fliegen. Ohne die Unterbauten wäre ich auch nicht runter geflogen!"
"Verdammt Lisa das ist alles viel zu gefährlich! Ich kann dich doch nie wieder mit ruhigem Gewissen alleine springen lassen, weil ich immer Angst haben muss, dass du tot in der Ecke liegst, weil sie dich runter geschmissen hat!"
"Jetzt übertreibst du aber wirklich! Ich springe jetzt schon seit so vielen Jahren und mir ist noch nie was wirklich gefährliches passiert! Du kannst mir das nicht verbieten! Demnach müsste ich dir das Fußball spielen verbieten."
"Das ist doch was völlig anderes!"
"Was ist daran denn bitteschön anders? Du verletzt dich andauernd beim Fußball und ich bin noch nie auf die Idee gekommen dir das verbieten! Ganz im Gegenteil. Ich unterstütze dich noch dabei! Mir ist noch nie was wirklich schlimmes beim Springen passiert und du schiebst wegen so einem kleinen Sturz bei dem ich nicht mal einen Kratzer abbekommen habe, direkt wieder Panik! Es ist ja süß, dass du dir Sorgen um mich machst, aber, du überspannst den Bogen! Es reicht mir so langsam mit deiner chronischen Panik, das irgendwas passieren könnte! Du hast verdammt nochmal Verlustängste und wenn du damit nicht klar kommst musst du dir einen Psychologen suchen! Das hättest du schon nach dem Tod von deiner Mutter machen sollen oder spätestens nach dem von deinem Vater! Mich nervt es einfach nur noch, dass du dauernd denkst mir könnte sonst was passieren! Das tut es nicht! Sieh das doch verdammt nochmal endlich ein! Es steht nicht hinter jeder Ecke irgend jemand, der mich umbringen will und von so einem winzigen Sturz sterbe ich auch nicht!", sagte ich wütend und verließ nun die Halle. So schnell ich konnte, rannte ich zu Ginger und legte ihr nur kurz eine Trense an, um dann im vollem Galopp vom Hof zu rasen. Ich musste da einfach weg. Weg von Scarlett, weg von dem ganzen Chaos und vor allen Dingen erstmal weit weg von Ben. Ich wollte ihn nicht noch mehr verletzen, als ich es so schon getan hatte. Ich wollte nicht, dass er sich Vorwürfe machte, aber das musste einfach mal raus. Das hatte sich über so viele Jahre angesammelt und immer hatte ich mir eingeredet, dass er sich nur Sorgen machte und das das normal war, aber das war es nicht. Das war ganz und gar nicht normal. Er war krank. Und zwar ernsthaft krank. Diese Verlustängste zerstörten ihn und so langsam auch mich. Ich ertrug das einfach nicht länger. So sehr ich ihn auch liebte, aber irgendwann war auch bei mir Schluss. Den Satz: "Ist alles in Ordnung?", die andauernde Panik von Ben, der ganze Stress und vor allen Dingen der Gedanke, dass Ben eigentlich dauerhaft Angst hatte, machte mich auf Dauer kaputt. Wenn das so weiter gehen würde, würde ich irgendwann durchdrehen, weil ich nichts mehr durfte. Ich musste jetzt einen Schluss Strich ziehen, bevor es zu spät war. Entweder Ben würde sich ändern, oder es zumindest versuchen, oder es war vorbei. Ich wollte das nicht. Auf keinen Fall und ich würde auch alles tun, um das zu verhindern, aber ich konnte das einfach nicht länger. Der Gedanke, dass das Ben dann endgültig fertig machen würde, tat allerdings weh. Er würde sich über kurz oder lang dann umbringen, und das wollte ich nicht. Ich konnte ihn nicht verlassen. Ich konnte es einfach nicht!
Dann merkte ich auch schon wie mir die Tränen kamen. Wie würde es mit Bein weiter gehen? Würde er sich noch einmal fangen? Und vor allen Dingen, wie würde es mit uns weiter gehen? War das wirklich das Ende unserer Beziehung, die jetzt schon so lange an hielt? Sollte dieser Traum jetzt wirklich wegen so etwas zu Ende gehen? Das konnte doch nicht sein! Das durfte einfach nicht sein!
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Sprung ins Chaos
Random"Sprung ins Chaos" ist der 6. Teil meiner Buchreihe zu den Bewohnern des Gestüts Michalòw und knüpft direkt an den 5. Teil "Der falsche Sprung" an. Auch hier geht es wieder um Lisa, Ben und vor allen Dingen auch Emely, die mal wieder ordentlich Chao...