"Wie fühlst du dich? Hast du irgendwie Schmerzen? Oder ist dir schlecht?", fragte ich nun und setzte mich neben ihn.
"Mir ist gerade ziemlich schwindelig.", meinte Ben.
"Okay. Das ist erstmal normal. Dein Kreislauf ist momentan ziemlich hinüber. Sonst noch irgendwas?"
"Nein."
"Okay. Dann leg dich schlafen. Ich muss nochmal los.", sagte ich und stand auf. Ben packte mich jedoch am Arm und fragte: "Wo willst du hin?"
"Ins Büro. Ich muss noch ein bisschen arbeiten. Der Papierkram muss leider auch während der Pause gemacht werden.", sagte ich und nahm vorsichtig seine Hand von meinem Arm.
"Kannst du nicht hier bleiben?", fragte Ben.
"Schatz, das würde ich ja gerne, aber ich muss noch arbeiten. Ich hab doch Lotta dabei. Du musst dir keine Sorgen machen. Wirklich nicht."
"Bitte! Nur diese Nacht!"
"Okay. Dann lass mich nur ein paar Sachen holen, damit ich hier wenigstens noch ein bisschen arbeiten kann.", sagte ich und ging nun ins Büro, um mir einen Stapel mit Papieren und etwas zu schreiben mit nahm. Ebenfalls schrieb ich noch einen Zettel, den ich dann schließlich an die Tür vom Büro hing. Darauf stand:Hallo!
Ich bleibe bei Ben. Kümmert euch bitte drum, dass die Pferde morgen früh auch gefüttert werden. Ich weiß noch nicht, wie das hier alles weiter gehen soll. Ben braucht jetzt auf jeden Fall erstmal eine Pause und ich weiß nicht in wie weit ich den alleine lassen kann. Versucht das bitte alles irgendwie so gut, wie möglich alleine zu schaffen. Jenny du reitest dann bitte Ginger. Ich weiß nicht, ob ich das schaffe. Scarlett und Capricio haben frei. Alles andere weiß ich auch nicht. Kümmert euch einfach drum, dass das alles so weit läuft. Wenn irgendwas ist dann wisst ihr, wo ihr mich findet.
LisaDann ging ich wieder hoch und setzte mich zu Ben, der bereits im Bett lag.
"Ist alles okay?", fragte ich und strich ihm sanft über das Haar.Ben ihm kam nur ein Nicken.
"Okay. Dann schlaf ein bisschen. Ich bleibe hier. Keine Sorge.", sagte ich nun und gab ihm noch einen Kuss, bevor ich mich dann meinen Papieren zu wand.
Ben kuschelte sich eng an sich und schlief wenig später auch schon tief und fest. Es tat gut ihn jetzt so sorglos und irgendwie auch glücklich zu sehen. Das ließ mich all die Probleme für einen Moment vergessen. Auf meinen Papierkram konnte ich mich allerdings trotzdem nicht konzentrieren und so gab ich es nach einer Weile auf. Es machte keinen Sinn jetzt zu versuchen irgendwelchen Papierkram zu machen und ich packte diesen nun an die Seite. Stattdessen wand ich mich Ben zu und strich ihm sanft immer wieder über das Haar. Ich genoss es einfach ihn so ohne irgendwelche Sorgen und Ängste zu sehen. Warum konnte das nicht immer so sein? Warum musste ausgerechnet Ben solche psychischen Probleme haben? Er hatte doch niemanden was getan? Warum musste er dann so leiden? Das war einfach nicht fair! Warum musste man mir alles, was ich am meisten liebte nehmen? Warum musste mein Ben so sehr leiden und warum musste ich ihm dabei zu sehen? Ich wollte doch nicht mehr, als ein normales Leben! War das schon zu viel verlangt?
Durch eine Bewegung neben mir wurde ich nun aus meinen Gedanken gerissen. Ben kuschelte sich noch im Schlaf dichter an mich und legte seinen Kopf dann schließlich auf meinen Schoß. Man merkte, wie er meine Nähe suchte und es einfach genoss, dass ich ganz allein für ihn da war. Erst jetzt wurde mir so richtig bewusst wie selten das doch vor kam. Vielleicht lag es ja an mir. Vielleicht hatte ich einfach zu wenig Zeit für ihn und er hatte deswegen solche Angst mich zu verlieren. Ich sollte mir auf jeden Fall mehr Zeit für ihn nehmen! Das nahm ich mir nun vor. Und wenn es jeden Tag nur ein oder zwei Stunden waren, aber ich nahm mir vor jeden Tag etwas Zeit für Ben zu finden.
Von einem Klopfen wurde ich nun erneut aus meinen Gedanken gerissen.
"Ja?", fragte ich und so öffnete sich nun die Tür und Julia kam zum Vorschein.
"Darf ich rein kommen?", fragte sie vorsichtig.
"Ja klar. Schnapp dir einen von den Stühlen und setz dich zu mir.", sagte ich und so saß Julia wenig später auch schon neben mir.
"Wie geht's ihm denn so?", fragte sie nun.
"Naja. Momentan jetzt ganz gut. ", meinte ich.
"Und sonst?"
"Nicht gut. Der ist total fertig mit den Nerven."
"Okay. Meinst du er will wirklich sterben oder was ist deine Vermutung."
"Glaub ich nicht. Das war nur eine Kurzschluss Reaktion. Der war einfach total fertig und hat nicht nachgedacht, was er da überhaupt tut. Ich glaube nicht, dass er das wirklich ernst oder böse gemeint hat."
"Gut. So ungefähr sehe ich das auch. Was meinst du ist psychisch da so los?"
"Er hat einfach extreme Verlust Ängste. Jedes Mal, wenn ich aus seinem Sichtfeld verschwinde oder er das Gefühl hat, dass ich mich in einer Problemsituation befinde, die er nicht unter Kontrolle hat, schiebt er Panik. Das ist bei mir ganz extrem und bei Emely wird er auch ziemlich schnell panisch. bei der ist das aber nicht ganz so extrem."
"Okay. Und hast du eine Vermutung warum das so ist?"
"Ja. Ich bin einfach die Einzige, die er noch hat. Alle, die ihm sonst wichtig waren, hat er verloren. Ich denke, dass das mit seinem Bruder und seiner Mutter damals einfach sehr traumatisch war und das jeder Tod in seiner Nähe das alles irgendwie noch schlimmer macht. Richtig schlimm wurde es ja erst, nachdem dann sein Vater und Shalima gestorben sind. Ich denke das hat ihm so die letzte Sicherheit geraubt und ihm klar gemacht, dass jeder Zeit irgendwas passieren kann und das immer irgendwer in seinem Umfeld sterben kann. Seit dem ist er total übervorsichtig und macht sich dauerhaft Sorgen, dass mir irgendwas passieren könnte."
"Okay. Die Vermutung hatte ich auch so. Gab es heute irgend einen Auslöser dafür? Also ist irgendwas passiert, dass er irgendwie so richtig Panik hatte und dann auf die Idee gekommen ist, dass er nicht mehr leben will?"
"Ja. In wie weit hast du das mit Lea mit bekommen?"
"Ich hab hier gar nichts so wirklich mit bekommen. Ich hab noch mit niemanden so wirklich gesprochen. Ich kam hier nur an und hab Johannes zur Sau gemacht, weil er mich doch tatsächlich vergessen hat."
"Da kann er nichts für! Da war ich dran schuld."
"Okay. Und was war jetzt mit Lea? Das letzte, was ich mit bekommen hab war, dass sie von Scarlett geflogen ist, aber sich wohl nichts getan hat."
"Okay. Heute Morgen kam dann raus, dass sie sich doch was getan hat. Sie hat sich bei dem Sturz den Arm gebrochen und ich habe jetzt Scarlett in Beritt und trainiere mit Capricio. Ich hab mit Scarlett dann heute gearbeitet und hab mit ihr an den Unterbauten trainiert. Das ging auch halbwegs gut, bis dann der Regenbogen kam. Da ist sie dann ausgetickt und ist gestiegen. Dabei hat sie das Gleichgewicht verloren und ist zur Seite gekippt. Es ist aber weder mit noch ihr etwas passiert. Also wirklich nichts dramatisches."
"Okay. War Ben da dabei?"
"Ja. Der meinte dann, dass ich Scarlett nicht mehr reiten soll und wir haben uns dann relativ heftig gestritten. Das hat dann damit geendet, dass ich ihm an den Kopf geworfen habe, dass es mich nervt, dass er sich andauernd Sorgen macht. Ich hab ihn dann gesagt, dass ich der Meinung bin, dass er einen Psychologen gebrauchen könnte und das er einfach Verlust Ängste hat. Ich bin dann daraufhin auf Ginger weg und hab Johannes irgendwo im Wald die Ohren voll geheult und ihn davon abgehalten dich ab zu holen."
"Okay. Und wie ging es dann weiter?"
"Ich hab mich dann bei Johannes ausgeheult, bis Jenny völlig geschockt angerufen hat und meinte, dass Ben versucht hat sich die Pulsader auf zu schneiden. Daraufhin bin ich dann direkt los und den Rest kennst du ja."
"Gut. Sonst noch irgendwas, dass irgendwie wichtig sein könnte?"
"Nein. Eigentlich nicht. Mir fällt jetzt jedenfalls nichts spontan ein."
"Okay. Und wie sieht es mit dir aus? Kommst du damit klar?"
"So halb. Ich brauch einfach noch einen Moment, um damit klar zu kommen. Das ist nicht so einfach, wenn man seinen Mann vom Selbstmord abhalten muss."
"Gut. Wenn irgendwas ist dann sag Bescheid. Du musst nicht alleine damit klar kommen. Wir sind alle für dich da. Ich weiß wie schwierig es ist sich mit psychologischen Problemen von anderen zu beschäftigen. Das belastet einen. Und gerade bei dir ist das schwierig. Deine haupt Bezugsperson ist die, die betroffen ist. Aber wir verstehen dich alle. Es ist für dich nicht so einfach damit klar zu kommen, dass dein Mann versucht hat sich um zu bringen. Du kannst uns alle ruhig stundenlang voll quatschen. Nur jetzt vielleicht nicht unbedingt Jenny. Die steht noch ziemlich unter Schock. Aber bei Tom kann man sich zum Beispiel gut aus heulen. Der hat einfach eine extrem entspannte Aura und das hilft in solchen Situationen."
"Ja. Danke!"
"Kein Problem. Wir sehen uns dann morgen irgendwann."
"Bis dann!"
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Sprung ins Chaos
Random"Sprung ins Chaos" ist der 6. Teil meiner Buchreihe zu den Bewohnern des Gestüts Michalòw und knüpft direkt an den 5. Teil "Der falsche Sprung" an. Auch hier geht es wieder um Lisa, Ben und vor allen Dingen auch Emely, die mal wieder ordentlich Chao...