Kapitel 59

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Lisas Sicht:
Als ich wieder aufwachte, fand ich mich im Wohnabteil des Transporters wieder. Mein erster Blick fiel auf die Uhr. Schon sieben Uhr abends! Wie lange hatte ich denn geschlafen? Das waren doch niemals vier Stunden! Jetzt aber schnell! Hoffentlich hatte Tahir keinen Mist angestellt!
Ich sprang nun auf und machte mich schnell etwas frisch, um dann nach draußen zu gehen. Was ich dort sah, ließ mich, wie versteinert, stehen bleiben. Verwirrt rieb ich mir die Augen, doch das Bild blieb. Ich spürte, wie mir die Kinnlade runter klappte. Das durfte doch wohl nicht wahr sein! Das konnte einfach nicht sein! Da saß gerade doch nicht ernsthaft Ben ohne Helm und nur mit einem Halfter auf Tahir, oder? Nein! Das konnte nicht sein! Auf so eine hirnrissige Idee würde nur ich kommen. Das würde Ben niemals wagen!
Ich erwachte nun aus meiner Starre und rief laut: "Bist du geisteskrank? Komm da sofort runter!"
Der Hengst raste nun im vollem Galopp auf mich zu und ich konnte erkennen, wie Ben das Gleichgewicht verlor. Er fing sich allerdings gerade so noch einmal. Als der Hengst direkt vor mir allerdings eine Vollbremsung machte, verlor Ben dann endgültig das Gleichgewicht und rutschte seitlich von dem Rücken des Hengstes. Dieser schaute verwundert neben sich als wäre er total erstaunt, dass Ben doch tatsächlich auf dem Boden lag.
"Ist alles in Ordnung?", fragte ich vorsichtig. Wie ich Ben kannte, hatte der sich wohl schon wieder verletzt. Von ihm kam jedoch ein Nicken.
"Sicher?" fragte ich. Das wäre ja mal was ganz neues!
"Ja. Alles gut. Und bei dir?", fragte Ben und stand nun auf.
"Ne. Ich hab schon Halluzinationen."
"Warum?"
"Du hast gerade doch nicht ernsthaft nur mit einem Halfter auf Tahir gesessen oder?"
"Doch. Das hab ich."
"Wer hat dich dazu gezwungen?"
"Niemand. Wobei. Julia irgendwie indirekt."
"Was heißt das jetzt? Wie kommt es, dass du freiwillig auf einem Hengst der, ich zitiere, gemeingefährlich ist, steigst?"
"Das ist eine lange Geschichte."
"Leg los. Das interessiert mich jetzt."
"Ja. Es fing damit an, dass Tahir hier total ausgetickt ist und wir leicht mit ihm über fordert waren. Wir haben daraufhin dann Julia angerufen und die hat ihr Gedöns da mit ihm gemacht. Sie meinte dann er würde sich einfach nur Sorgen um dich machen und ich sollte mit ihm reden und ihn beruhigen. Ich hab sie erstmal für bescheuert erklärt, aber es hat dann irgendwie doch geklappt. Daraufhin hab ich mich dann um ihn gekümmert und bin mit ihm spazieren gegangen. Dabei hab ich mich mit ihm unterhalten und hab irgendwie die Zeit vergessen. Als es dann dunkel wurde, hab ich mich irgendwo in einem Wald wieder gefunden und hab meine Orientierung irgendwie völlig verloren. Und dann... Ja. Du wirst mich jetzt wahrscheinlich für bescheuert erklären, aber er hat mit mir kommuniziert und mir irgendwie klar gemacht, dass ich aufsteigen soll. Ich kann dir nicht erklären warum, aber irgendwie hab ich ihm einfach vertraut und bin aufgestiegen. Er hat mich dann hier her geführt und den Rest kennst du ja."
"Okay. Jetzt mach ich mir nicht nur Sorgen um meinen Gemütszustand, sondern auch um deinen. Bin ich irgendwie am Träumen oder so? Wenn ja ist der Traum ziemlich realistisch."
"Nein. Du bist wach."
"Das sagen Leute in irgendwelchen Träumen immer."
"Es ist wahr. Wirklich. Ich weiß auch nicht welche Sicherung bei mir durchgebrannt ist, dass ich auf solche Ideen komme. Vielleicht hat Julia mich einfach zu lange über ihr spirituelles Zeug voll gelabert. Keine Ahnung, aber du hast auf jeden Fall Recht. Der Hengst ist wirklich toll!"
"Endlich hast du es verstanden! Dieser Hengst ist nicht nur toll, sondern einfach große Klasse. Wenn man erstmal zu ihm durchdringt tut er alles für einen. Mit seinen kleinen Aussetzern muss man dann einfach leben."
"Ich werd trotzdem nie wieder freiwillig auf seinen Rücken steigen! Mach dir da bloß keine Hoffnungen!"
"Schade. Ihr beide saht schon irgendwie süß aus. Hatte so ein bisschen was von Pipi Langstrumpf."
"Die ist wenigstens noch mit Trense geritten und nicht nur mit einem Halfter!"
"Ach Ben. Auf Shalima bist du dauerhaft nur mit Halfter geritten. Teilweise sogar ohne alles!"
"Shalima galt aber auch nicht als gemeingefährlich! Außerdem war sie was ganz besonderes. Mit ihr hätte ich alles machen können."
"Das kannst du mit Tahir auch. Du musst dich nur drauf einstellen, dass er halt noch jung ist und seinen eigenen Willen hat."
"Du bist echt total verrückt!"
"Und du ein totaler Spießer. Gegensätze ziehen sich an. Dafür sind wir wohl das beste Beispiel."
"Ja. Irgendwie schon. So wirklich hab ich da noch nie drüber nachgedacht, aber du hast Recht. Wir sind die absoluten Gegensätze."
"Wo sind eigentlich die anderen?"
"Keine Ahnung."
In dem Moment kam Tom zu uns und fragte: "Kommt ihr auch?"
"Wohin denn?", fragte ich.
"Was wird denn nach einem Wochenende mit vielen Rennen immer gemacht?", fragte Tom. Ich zuckte jedoch nur mit den Schultern. Irgendwie stand ich gerade etwas auf der Leitung.
"Na feiern! Nach vier Rennen, wo du jedes Mal mindestens platziert warst und bei dem bedeutendsten gewonnen hast, hast du dkjr das auf jeden Fall verdient! Und Ben als treuer TT auch!", meinte Tom.
"Was ist denn ein TT?", fragte eine alters Dame, die gerade an uns vorbei ging.
"Turnier Trottel. Das sind die, die selber nicht reiten, sondern sich um die Pferde kümmern und satteln helfen.", erklärte ich.
"Aha. Sie haben da aber ein wirklich hübsches Pferd! Ist der heute gelaufen?", fragte die Frau nun und deutete auf Tahir.
"Ja. Das ist Tahir. Der hat mich heute zum Sieg getragen!", sagte ich stolz.
"Dann herzlichen Glückwunsch! Wie alt ist der denn?"
"Er ist jetzt sieben. Und jetzt schon ein kleiner Champion!"
"Wow! Wo habt ihr ihn denn her, wenn ich fragen darf? Meine Tochter sucht momentan nach einem neuen Pferd."
"Der stammt aus unserer Zucht. Gestüt Michalów. Wir ihnen wahrscheinlich was sagen."
"Ja klar! Und das ist euer Gestüt?"
"Ja."
"Wow! Eure Pferde sind echt toll! Ich denke wir werden demnächst mal vorbei kommen. So tolle Pferde können wir ins nicht entgehen lassen!"
"Ich würde ihnen empfehlen so bald, wie möglich zu kommen. Wir fangen jetzt an die Jungpferde aus zu bilden. Wenn sie sich beeilen sind die besten noch da."
"Steht er denn auch zum Verkauf?"
"Nein. Der bleibt auf jeden Fall bei uns."
"Schade, aber okay. Wir sehen uns dann!", sagte die Frau und ging wieder.

Sprung ins ChaosWo Geschichten leben. Entdecke jetzt