Kapitel 6

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So saßen wir eine lange Zeit und Ben beruhigte sich langsam wieder. Da klopfte es auf einmal an der Tür.
"Ich bin sofort wieder da.", sagte ich und gab Ben noch einen Kuss, bevor ich aufstand und die Tür öffnete. Vor mir stand Julia. Ich ging nun raus und schloss die Tür hinter mir.
"Was gibt's? Ist irgendwas passiert?", fragte ich vorsichtig. Hoffentlich nicht noch mehr Tote ider Verletzte.
"Ne ne. Nichts passiert. Keine Sorge.", beruhigte sir mich.
"Was ist dann?"
"Sollen ich und dein Bruder Essen machen?"
"Das heißt so viel wie ihr wollt Pizza bestellen?"
"Eigentlich dachten wir an Tütensuppe, aber das ist auch keine schlechte Idee."
"Ne. Lass mal. Ich koche gleich."
"Bist du sicher, dass du Ben alleine lassen kannst?"
"Nein. Aber dem geht's so weit relativ gut. Der kann mit kommen."
"Was heißt so weit wieder relativ gut?"
"Naja. Körperlich geht es ihm schon wieder ganz gut."
"Und ich denke mal psychisch so gar nicht."
"Genau."
"Wo genau liegt das Problem?"
"Zu viele Tote, die ihm nahe standen. Er ist über den Tod seiber Mutter damals nie richtig hinweg gekommen. Jetzt stirbt auch noch sein Vater und sein Pferd. Die Stute war sein ein und alles. Sie war die Einzigste, der er wirklich alles anvertraut hat."
"Ja. Alles ein bisschen schwierig."
"Zu schwierig. Er kann das alles nicht verarbeiten."
"Wie kommst du darauf?"
"Ich hab ihn schon ewig nicht mehr si viel weinen sehen."
"So schlimm?"
"Ja. So langsam mach ich mir echt Sorgen."
"Aber solange er nur weint ist das doch okay oder nicht?"
"Wenn es denn nur das wäre. Er entwickelt richtig Verlustängste."
"Wie kommst du denn jetzt darauf?"
"Er har davon geträumt, dass ich auch sterbe. Das hat ihn total fertig gemacht."
"Jetzt wäre vielleicht mal ein Besuch beim Psychlogen angebracht."
"Da bekomm ich ihn nie im Leben hin."
"Freiwillig vielleicht nicht, aber manchmal muss man Ben halt zu seinem Glück zwingen."
"Er würde sich dem Typen nie im Leben anvertrauen. Es grenzt ja schon fast an ein Wunder, dass ich ihn mittlerweile so weit hab, dass er wenigstens mit mir spricht."
"So ein Psychologe kann Wunder bewirken."
"Nein. Lass mal. Das würde er mir ewig übel nehmen."
"Okay. Kann ich vielleicht sonst noch irgendwie helfen?"
"Ich wollte gleich nochmal eine Runde mit Ginger joggen gehen. Nur so eine Stunde oder so. Könntet ihr euch in der Zeit ein bisschen um Ben kümmern?"
"Ja klar. Jenny wollte gleich übrigens auch nochmal vorbei schauen."
"Okay. Essen gibt es so in einer Stunde. Ich lass mir irgendwas einfallen. Wenn nich gibt's spontan doch Pizza."
"Gut. Wenn noch was ist dann sag Bescheid!"
"Ja. Mach ich!"
Julia ging nun und ich setzte mich wieder zu Ben.
"Schatz, ich müsste dann mal so ein bisschen Essen machen. Kommst du gleich mit runter?", fragte ich ihn.
"Ja.", kam es leise von ihm. Da klopfte es auch schon wieder an der Tür.
"Das ist bestimmt Jenny. Die wollte nochmal vorbei kommen. Mach dich schon mal ein bisschen frisch. Ich komme gleich wieder.", sagte ich und ging raus. Wie erwartet, war es Jenny. "Hey!", begrüßte sie mich.
"Hey! Wie läuft es draußen so?", fragte ich.
"Ganz gut. Die Pferde stehen jetzt alle nochmal in der Führmaschiene. Die holen wir dann gleich rein. Und wie sieht's hier aus? Wie geht's Ben? Julia sagte gerade, dass es ihm wohl nicht so gut geht."
"Körperlich geht es ihm schon wieder ganz gut, aber psychisch dafür umso schlechter. Er kann das alles nicht verarbeiten und entwickelt schon so richtig Verlustängste."
"Was meinte Julia dazu?"
"Die meinte ich sollte ihn mal zum Psychologen schicken, aber mit dem spricht er sowieso nicht."
"Du weißt, dass Julia Psychologie studiert hat?"
"Nein. Das wusste ich bis eben gerade noch nicht."
"Sie ist in der Richtung sehr interessiert und kennt sich mit sowas ziemlich gut aus."
"Hätte man mir sowas vielleicht ein bisschen eher verraten können? Dann hätte man den Selbstmordversuch gestern vielleicht verhindern können."
"Ich dachte du wusstest davon."
"Ne. Wusste ich nicht. Aber jetzt ist eh zu spät."
"Was ist denn jetzt eigentlich mit Ginger?"
"Mit der wollte ich gleich mal so eine Stunde joggen gehen. Ich hab schon mit Julia gesprochen. Es wäre ganz nett, wenn ihr dann so ein bisschen auf Ben aufpasst."
"Moment mal. Ben weiß doch auch nicht, dass Julia im Prinzip Psychologin ist oder?"
"Nein. Soweit ich weiß nicht."
"Dann könnte sie doch in der Zeit mal ein bisschen mit ihm reden. Vielleicht kriegt sie da ja was raus."
"Stimmt! Da hab ich ja noch gar nicht dran gedacht! Die Idee ist super!"
"Soll ich dann mal mit ihr reden?"
"Ja. Das wäre nett. Wir kommen dann auch gleich runter. Ich muss auch noch irgendwas kochen."
"Bist du sicher, dass wir nicht einfach irgendwas n bestellen wollen? Du hast doch jetzt echt andere Probleme, als dafür zu sorgen, dass alle was zu Essen haben."
"Ja. Ich hab auch schon überlegt, ob wir nicht einfach Pizza bestellen."
"Dann bestell doch einfach drei große Pizzen. Dann kann jeder, der will was essen und gut ist."
"Ja. Dann machen wir das so. Wir setzen uns aber trotzdem mal ein bisschen unten hin. Kann ja nicht schaden, wenn wir mal so ein bisschen frische Luft kriegen."
"Okay. Ich spreche mit Julia und kümmer mich dann um die Pferde. Wir sehen uns später."
"Ja. Bis dann!"
Jenny machte sich nun auf den Weg nach unten, während ich zurück zu Ben ging. Dieser hatte sich in der Zeit etwas frisch gemacht und sah nun wenigstens nicht mehr ganz so erbärmlich aus. Seine Augen waren allerdings trotzdem rot geweint und sein blasses Gesicht dazu, ließ ihn aussehen, wie ein Zombie. So wirklich gut sah er nicht aus, aber das war ja auch kein Wunder.
"Ist alles okay?", fragte ich. Von ihm kam nur ein Nicken.
"Okay. Dann komm.", sagte ich und so gingen wir nun gemeinsam runter, wo es momentan völlig leer war. Die anderen waren alle draußen mit den Pferden beschäftigt. So schnappte ich mir nun das Telefon und bestellte Pizza, um dann schonmal den Tisch zu decken und mich schließlich zu Ben zu setzen.

Sprung ins ChaosWo Geschichten leben. Entdecke jetzt