Mit ihm am Zügel ging ich dann in die nächste Ecke und stellte ihn dort vor die Wand, sodass er erstmal nicht so schnell weg konnte. Dann schwang ich mich schnell auf seinen Rücken und trieb ihn vorwärts, bevor er irgendwas tun konnte. Im relativ gesitteten Trab ritt ich dann aus der Halle. Der Hengst machte nun keine Anstalten mehr auch nur irgendwas zu tun. Er wusste schon, wer auf seinem Rücken saß und das er sich mit mir lieber nicht anlegt.
"Komm!", rief ich Katrin nun zu und so ritten wir in einem lockeren Trab in den Wald.
"Müssen die nicht noch Schritt gehen?", fragte Katrin nach einer Weile:
"Denen reichen zehn Minuten zum warm werden und so lange hat Jenny die schon in die Führmaschiene gestellt."
"Achso. Wie machst du das, dass der bei dir so brav läuft?"
"Der Hengst weiß schon mit wem er es machen kann und mit wem nicht. Der hat mich getestet, als ich ihn das erste Mal geritten bin und hat sich gemerkt, dass er sich mit mir lieber nicht anlegen sollte."
"Okay. Und was machen wir jetzt?"
"Erstmal schön locker traben. Und du gehst jetzt erstmal in den leichten Sitz. Wir müssen die Pferde so gut, wie möglich entlasten. Das ist bei Distanzrennen wichtig."
"Okay. Und wie sieht ein Distanzrennen so aus?"
"Du kriegst eine Karte und dann wird vorher die Route besprochen. Das können wir uns sparen, weil ich die Routen sowieso alle auswendig kann. Mit Hilfe der Karte reitet man dann eine vorgegebene Strecke. Zwischendurch sind immer etwa alle 20 Kilometer Pausen wo dann wieder eine Tierarztkontrolle ist. Wenn der Puls von dem Pferd dann nicht in 20 Minuten auf den Ruhepuls zurück ist, ist man ausgeschieden. Ansonsten kann man, sobald der Ruhepuls erreicht ist, weiter reiten. Am Ende ist dann nochmal eine Tierarztkontrolle."
"In welchem Tempo man reitet ist aber egal, oder?"
"Nein. Es wird eine Durchschnittsgeschwindigkeit vor geschrieben, die man mindestens erreichen muss. Ich reite aber prinzipiell eigentlich immer schneller. Unsere Pferde sind so trainiert, dass die das locker schaffen."
"Also trabt ihr die ganze Zeit oder wie?"
"Ist das jetzt dein Ernst?"
"Ja. Wieso?"
"Das ist ein Rennen. Trab ist die langsamste Gangart, die wir da reiten. Da wird fast die ganze Zeit galoppiert und wenn es sich anbietet auch mal in vollem Tempo."
"Okay. Dann ist das aber doch ganz schön anstrengend für die Pferde oder nicht?"
"Die sind so gezüchtet, dass die locker 80 Kilometer im vollem Galopp durchhalten. Außerdem sind das alles Araber. Die laufen, bis sie tot umfallen."
"Okay."
"Keine Sorge. Du musst das nicht alles verstehen. Du kommst sowieso mit mir. Du musst im Prinzip nur wissen, wie du auf dem Pferd sitzen musst und das kannst du ja. Einfach immer im leichten Sitz bleiben."
"Okay. Ich denke das krieg ich hin."
"Gut. Dann sehen wir mal, ob du im Galopp auch klar kommst.", meinte ich und galoppierte den Hengst unter mir an. Sahira galoppierte brav neben ihm und Katrin machte sich auf ihr gar nicht mal so schlecht.
"Stehen bleiben. Ich weiß, dass das beim Springreiten nicht so gemacht wird, aber bei Distanzrennen bleibst du gerade stehen.", verbesserte ich sie nur kurz.
"Aber das ist dann doch viel anstrengender."
"Für den Reiter ja, aber das Pferd wird dadurch noch mehr entlastet."
"Aha. Okay."Wir ritten nun locker weiter und die Pferde liefen eigentlich auch relativ entspannt, aber als wir dann wieder am Stall ankamen war Katrin trotzdem ziemlich fertig. Sie war das einfach nicht gewohnt. Dafür war der Hengst unter mir auch erstmal ausgepowert und machte nun kein Theater mehr. Ich übergab ihn nun also wieder an Jenny.
"Und?", fragte diese.
"Es ging eigentlich. Zwischendurch mal ein kleiner Buckler, aber sonst hat er bei mir nichts gemacht.", berichtete ich.
"Ja. Der ist schlau. Der weiß schon, dass er bei dir sowieso mit keinem von seinen Spielchen durch kommt."
"Der kennt mich schon."
"Und wie macht Katrin sich?"
"Eigentlich ganz gut. Sie muss halt so die Basis Sachen noch lernen. Als eingefleischte Springreiterin ist das hier eine völlig neue Welt."
"Ja klar. Welches Pferd willst du denn als nächstes?"
"Wie viel Uhr haben wir denn?"
"Wir haben jetzt gleich fünf Uhr."
"Okay. Dann mach bitte eben Paige für mich fertig und helf Katrin mit Lilly."
"Okay.", sagte Jenny und verschwand im Stall. Ich ging nun rein, um erst einmal nach Ben zu schauen. Dieser saß unverändert in der Küche und starrte Löcher in die Luft.
"Alles in Ordnung?", fragte ich.
"Mhh.", kam es nur von ihm.
"Wie soll ich das jetzt deuten?"
"Es geht so."
"Und das heißt? Muss ich dir jetzt alles aus der Nase ziehen?"
"Es tut höllisch weh und mein Bein ist glaube ich gleich eingefroren, aber sonst ist alles gut."
"Na super. Wenigstens ist sonst alles gut."
Von Ben kam nun keine Reaktion mehr.
"Ich denke wir haben dich dann genug Schock gefrostet. Wenn wir das noch ein bisschen länger machen ist dein Bein wirklich eingefroren.", meinte ich und nahm den Kühl Akku weg, der überraschender Weise noch immer kalt war.
"Hast du zwischendurch immer gewechselt oder warum ist der immernoch kalt?", fragte ich verwundert.
"Ja klar. Sollte ich das nicht oder wie?"
"Doch. Ich frag mich nur gerade, wie du das geschafft hast, wenn du nicht laufen kannst."
"Ich kann auch auf einem Bein hüpfen. Ich hab mich einfach immer am Tisch abgestützt."
"Okay... Du hättest auch einfach rufen können. Julia ist doch oben."
"Wozu, wenn ich es auch alleine hin krieg?"
"Darüber könnten wir jetzt diskutieren, aber ich kenne dich. Das bringt bei dir sowieso nichts."
"Stimmt."
Ich brachte den Kühlakku nun wieder in die Kühltruhe und holte auf dem weg eine Salbe aus dem Kühlschrank, die ich dort immer gekühlt stehen hatte. Ich kannte Ben ja schon und hatte für alle Fälle immer alles bereit.
Mit der Salbe und einem Verband bewaffnet ging ich dann zurück zu Ben und setzte mich neben ihn.
"Darf ich dich jetzt verbinden ohne, dass du mich schlägst, tritts oder ähnliches?", fragte ich nun. Von ihm kam nur ein Nicken. So rieb ich seinen Knöchel nun vorsichtig mit der Salbe ein und verband ihn. Ben zuckte zwar etwas zusammen, aber riss sich so gut es ging zusammen.
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Sprung ins Chaos
Random"Sprung ins Chaos" ist der 6. Teil meiner Buchreihe zu den Bewohnern des Gestüts Michalòw und knüpft direkt an den 5. Teil "Der falsche Sprung" an. Auch hier geht es wieder um Lisa, Ben und vor allen Dingen auch Emely, die mal wieder ordentlich Chao...