Kapitel 55

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"Tahir, lass den Mist!", rief ich laut über den Platz und ging zu dem Hengst der nun relativ still stand.
"Danke!", sagte ich zu Jenny und nahm ihr die Zügel aus der Hand.
"Ich wünsche dir viel Spaß! Der Herr ist heute besonders gut drauf. Keine Ahnung, wie du es schaffen willst den zu händeln.", meinte Jenny.
"Ach. Ich krieg den schon ruhig."
"Soll ich ihn gerade noch halten, dass du dich umziehen kannst?"
"Das wäre nett. Ich beeil mich auch.", meinte ich und übergab ihr die Zügel wieder, um mir dann schnell meine Reitsachen an zu ziehen und wieder zurück zu Jenny zu gehen. Dort Übernahme ich wieder die Zügel des Hengstes und fragte: "Würdest du mir noch eine Gerte holen?"
"Ja klar.", meinte Jenny und drückte mir wenig später eine Gerte in die Hand.
"Danke! Kommt Katrin klar?", fragte ich.
"Ja. Janina hilft ihr. Die sind auch gleich fertig.", meinte Jenny und da kam Katrin dann auch schon mit Amir am Zügel zu uns. Der Hengst war deutlich alter als Tahir und auch viel erfahrener. Mit ihm würde Katrin garantiert klar kommen. Da war ich mir sicher. Sie konnte ja reiten. Sie hatte nur keine Ahnung von Distanzrennen und war es nicht gewohnt so schnelle und hibbelige Pferde zu reiten. Ihre Pferde waren eher ruhig und entspannt. Da würde sie mit so jemanden wie Tahir niemals klar kommen. Der war aber sowieso mein kleiner, spezieller Fall.
"Und? Können wir anfangen?", fragte ich auf deutsch.
"Wie schaffst du es so früh am Morgen schon so wach zu sein?", fragte Katrin und gähnte.
"Ich hab das von Kind an jedes Wochenende gemacht. Da bist du das irgendwann gewohnt."
"Ich weiß nicht, ob ich mich daran gewöhnen könnte."
"Als Züchter kannst du auch ohne Schlaf auskommen. Wenn in der Nacht drei Fohlen geboren werden schläfst du auch nicht. Da ist das um zwei Uhr morgens aufstehen noch entspannter."
"Das stimmt allerdings."
Wir wurden nun von dem Hengst neben mir abgelenkt, der sich mit einem Steigen bemerkbar machte.
"Wir legen ja schon los!", sagte ich und schon war der Hengst wieder ruhig, sodass ich aufsteigen konnte. Ich hatte allerdings kaum den Fuß im Steigbügel, als der Hengst auch schon einen SatSatz nach vorne machte. Schnell schwang ich mich auf seinen Rücken und saß die folgenden Bocksprünge so gut es ging aus.
"Können wir uns jetzt wieder abregen?", fragte ich und trieb den Hengst vorwärts. Dieser hatte allerdings andere Absichten und stieg auf die Hinterbeine. Ich gab ihm dafür einen Klaps mit der Gerte und trieb ihn weiter vorwärts. Der Hengst hatte nun scheinbar für das Erste keine Lust mehr und wir schafften einen halbwegs ordentlichen Schritt zum warm werden. Danach folgte eine komische Mischung aus Trab und Galopp, bevor es dann zum Start gehen konnte.
"Ist der immer so?", fragte Katrin nun.
"Ja. Es hat schon einen Grund, warum ich die einzigste bin, die sich noch auf ihn drauf setzt.", meinte ich.
"Warum verkauft ihr ihn nicht? Er macht euch doch nur Ärger."
"Er ist aber trotzdem ein Champion. Du musst ihn laufen sehen. Dann weißt du, warum ich ihn so gerne reite."
"Läuft der so toll?"
"Traumhaft. An dem ist ein Dressurpferd verloren gegangen. Gleichzeitig ist der aber auch total schnell. Er hat alles, was es für ein gutes Distanzrennpferd braucht. Ausdauer, Schnelligkeit, starke Gelenke und dabei sieht er auch noch wunderschön aus."
"Aber er macht vorher ein riesen Theater und steigt alle paar Minuten."
"Damit kann ich leben. Wenn der erstmal ordentlich erzogen ist, wird das ein tolles Pferd. Er ist ja noch jung."
"Wie alt ist der denn?"
"Sieben."
"Und mit sieben Jahren läuft der schon 160 Kilometer?"
"Ich sag ja, dass er ein Champion ist."
"Wann geht es hier eigentlich los?"
"Jetzt gleich.", meinte ich und kurze Zeit später fiel auch schon der Startschuss. Tahir stürmte direktmlos, doch ich hielt ihn zurück. Der Boden war zu hart, um hier direkt vollgas zu geben. Außerdem sollte er sich nicht gleich so verausgaben. So hielten Katrin und ich und relativ am Ende des Feldes auf. Sobald der Boden allerdings weicher wurde, gab ich Katrin ein Zeichen und wir holten auf. Bei der ersten Pause hatten wir uns dann bereits bis in die Mitte des Feldes vor gekämpft.
So ging es relativ locker weiter. Tahir machte es mir allerdings an diesem Tag nicht ganz so einfach, da er immer wieder versuchte aus zu brechen und zwischendurch auch öfter mal stieg oder Rodeo spielte. Aus irgend einem Grund war er an diesem Tag nicht ganz so gut drauf. So war ich bereits in der dritten Pause ziemlich fertig. Das ich die letzten Wochen kaum geschlafen hatte, machte das nicht gerade besser.
"Ist alles in Ordnung?", fragte Ben direkt besorgt. Er hatte sofort gemerkt, dass etwas nicht stimmt.
"Ja. Alles gut. Der Herr ist nur heute etwas anstrengend.", meinte ich.
"Willst du nicht lieber abbrechen?"
"Auf keinen Fall! Der muss sich heute auspowern. Sonst geht morgen gar nichts mehr."
"Und was ist mit dir? Dir geht's nicht gut. Das seh ich dir doch an!"
"Mir geht's gut. Ich bin nur ein bisschen fertig.", meinte ich und ging nun zu Jenny, die sich gerade um Tahir kümmerte.
"Kannst du ihm ein Gebiss ein schnallen? Ohne wird das heute nichts mehr.", fragte ich.
"Ja klar. Ist er so anstrengend?"
"Ja. Ich weiß nicht, was mit dem heute los ist. Versucht dauernd aus zu brechen und nutzt jede Gelegenheit, um so richtig rum zu bocken und zu steigen."
"Na super. Pass nur auf, dass der dich nicht noch runterschmeißt! Es war erstmal genug Krankenhaus für die nächsten Wochen!"
"Der kriegt mich nicht runter. Keine Sorge. Ich kenn den schon. Mit seinen Tricks kommt der bei mir nicht durch."
"Na dann ist ja gut."

Kurze Zeit später ging es dann auch schon weiter. Mit dem Gebiss lief der Hengst unter mir dann schon etwas ruhiger und ich bekam ihn zumindest so weit in den Griff, dass er wenigstens nicht mehr ausbrach.
"Warum reitet ihr die Pferde eigentlich ohne Gebiss?", fragte Katrin nach einer Weile.
"Araber sind sehr empfindlich. Wenn man die mit Gebiss reitet muss man sehr, sehr fein sein. Da ist es einfachere sie gebisslos zu reiten. Außerdem muss man da nicht immer die Trense abnehmen, damit die Pferde was fressen können."
"Achso. Okay."
"Den Herrn hier muss ich nur manchmal mit Gebiss reiten. Das sit auch ein ganz weiches, aber ohne kriegt man den manchmal einfach nicht gehandelt."
"Ja. Wie macht Johannes das mit seinen Pferden? Das sind doch auch Araber und der reitet die auf Kandarre."
"Das sind keine reinen Araber. Da ist ein großer Anteil KWPN mit drin. Außerdem sind die von Anfang an auf Trense ausgebildet worden. Da sind die nicht ganz so empfindlich."
"Achso. Okay."

Sprung ins ChaosWo Geschichten leben. Entdecke jetzt