20 Meine Todesgeschichte #Dizzi

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Lieber Felix,

Ich weiß nicht, wie ich beginnen soll. Ich denke es wäre das beste dir zu erklären wie es zu dem gekommen ist. Also fangen wir mal an.
Weißt du noch als wir zusammen zu Abend gegessen haben. Wir haben uns Fertignudeln gemacht, weil keiner von uns kochen konnte. Ich weiß noch ganz genau das Lächeln, das du den ganzen Abend getragen hast.

"Jetzt brennen auch noch die Fertignudeln an!",rief er belustigt. "Wir sind wohl nicht zum kochen geeignet",bemerkte ich kichernd. Er nahm den Topf vom Herd und rührte mit einer Kuchengabel, da nichts anderes mehr da war, darin rum. "Sieht aber noch gut aus." Er zeigte mir den Inhalt, indem er den Topf auf einer Seite leicht anhob. "Sagen wir so, wir werden nicht sterben",ergänzte ich. Wir füllten unsere Schüsseln und nahmen die Gabeln. Wir setzten uns an den Tisch. "Gleichzeitig, okay?", fragte er. Ich nickte. "1...2...3!" Gleichzeitig steckten wir uns den ersten Bissen hinein. Schnell bemerkte ich, dass etwas nicht stimmte. Ich spuckte schnell die Nudeln wieder aus, genau wie er. "Hast du da nochmal Salz rein getan?",fragte ich. "Wie meinst du nochmal. Du hast gesagt, ich soll es salzen",verteidigte er sich. "Und dann habe ich gesagt, ich mache das schon",warf ich ihm vor.

Wir waren betrunken vor Glück. Ich kann mich nicht daran erinnern, irgendwann einen schöneren Abend erlebt zu haben. Aber alles muss irgendwann einmal enden und so auch dieser Abend. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass mir die paar Stunden mit dir nicht geholfen hätten zu vergessen, was für ein Mensch ich bin. Trotzdem reichte ein glückliches Ereignis nicht aus meine Zukunftspläne in die Tat umzusetzen. Dieses Ereignis verzögerte es nur. Ich fand also kurzzeitig meine Lebensfreude wieder, aber ich habe eine zerstörte Seele, die mich immer wieder auf Null zurückbringt. Und genau das hat mich zu dem getrieben, was ich dir schon sagen wollte, aber mich nie getraut habe.

"Izzi, du bist ein guter Freund ",flüsterte er in mein Ohr. "Und woher willst du das wissen?",fragte ich zweifelnd. Er fasste an meinen Unterarm. Die neuen Wunden brannten bei der Berührung mit dem Stoff. Ich zuckte nur kurz, aber ließ mir sonst nichts anmerken. "Stimmt was nicht?",fragte er besorgt.

Ich hätte dir die Wahrheit sagen sollen. Entweder hätte es ein schnelleres Ende für mich bedeutet oder ein langes Leben, aber ich streubte mich dagegen.

"Nein, alles okay. Ich habe mich nur am Unterarm an meinem Backblech gebrannt",log ich. "Soll ich es mir ansehen?",fragte er und sah mich mit funkelnden Augen an. Sie hatten eine Spur Besorgnis zwischen Freundschaft und Glück. "Nein, passt schon. Es ist nur eine kleine Verbrennung. Nichts schlimmes",entgegnete ich.

Verstehst du es bis jetzt, oder muss ich mich anders ausdrücken? Ich vermute, aber du kapierst es schon irgendwie.
Als nächstes kamen dann die anderen. Sie nahmen immer mehr Zeit von dir in Anspruch, den ich zu sehr benötigte. Es mag jetzt egoistisch, aufdringlich und eifersüchtig wirken, aber ich brauchte dich und du bemerktest es nicht einmal. Wie solltest du auch? Ich habe diese Seite von mir versteckt so gut es ging. Bis ich einmal schwach wurde.

An meiner Wange rannten heiße Tränen in Bahnen hinunter. Ich wischte sie mir im Sekundentakt weg, aber es kamen immer wieder neue nach. "Izzi, wo bist du?",rief er. Er hatte die Wohnungstür, zu der ich ihm einen Schlüssel gab, aufgemacht und suchte jedes Zimmer ab. "Ich mach mir Sorgen",rief er immer wieder. Als er dann plötzlich vor mir stand konnte ich mich nicht mehr halten. Ich sprang auf ihn zu und umarmte ich so fest ich konnte. "Was ist denn los?",fragte er besorgt, "Du bist zur Zeit nicht mehr du." Neue Tränen bildeten sich und tropften auf sein Shirt. "Das war ich nie",schluchzte ich.

Und irgendwie habe ich es ausgenutzt, dass du mich so gesehen hast. Im Nachhinein könnte ich mich dafür schlagen, dass ich so gehandelt hatte. Ich bin eben so und das hasse ich an mir. Ich glaube, wenn du das ließt, bin ich es nicht mehr. Aber zurück zum Thema. Wer will schon einen Freund, der sich ritzt, sich hasst, keine Lebensfreude mehr hat? Keiner. Du hast dich immer mehr von mir abgeschottet, hast mir kaum noch geschrieben, mich nicht mehr besucht. Und als dann mein Wohnungsschlüssel, den ich dir gegeben hatte, in meinem Briefkasten lag, war mir alles bewusst. Du wolltest nichts mehr mit mir zu tun haben.

Ich öffnete wie jeden Tag meinen Briefkasten, um wieder mal in die gähnende Leere zu blicken. Doch ich sah dort einen Schlüssel am Boden, meinen Schlüssel. Felix hatte ihn mir zurückgegeben. Das war die Bestätigung, dass er nichts mehr mit mir zu tun haben will. Ich drückte den Schlüssel gegen meine Brust und lief so schnell wie möglich in die Wohnung zurück.

Du hast mich in den letzten Tagen ignoriert, aber ich kann es verstehen. Ich war eine elendige Heulsuse, die besitzergreifend handelte und nur an sich selbst dachte. Gott sei Dank werde ich jetzt wo anders sein, wo ich besser sein werde. Du musst dir keine Sorgen um mich machen. Es war schmerzlos und frei gewählt. Ich wollte es so und es war für mich vorbestimmt. Von dort oben werde ich über dich wachen, damit du ein langes glückliches Leben führen kannst. Das bin ich dir schuldig. Ich hoffe du verzeihst mir, dass ich dich so genervt hatte. Du warst der beste Freund, den man sich wünschen konnte!

Dein Izzi

Oneshots | YouTuberWo Geschichten leben. Entdecke jetzt