13 Suizid #Germanletsdado

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Meine Wange war tränenüberströmt. Unzähliger heißer, salziger Tropfen rannen um die Wette, welche als erstes unten ankommt. Sie tropften auf meine Brust. Meine Oberschenkel und weiter. Weiter hinunter in die Tiefen des dunkeln Flusses. Ich saß auf dem breiten Geländer einer etwas abseitigen Brücke. Mir war schlecht so sehr wollte ich es. Mein Magen drehte sich um und mir wurde plötzlich schwindelig. Trotzdem hielt ich mich fest. Ich werde von hier gehen, mich endlich von diesen Qualen befreien und versinken. Ich werde vergessen werden, so schnell wie ich gesunken bin und ich werde nicht vermisst werden. Nicht in dieser grausamen Welt, die sich selbst zerstört. Vor meinem inneren Auge zieht mein Leben vorbei. Ein paar wenige Ereignisse blieben mir unverändert im Gedächtnis.

"Hey Marla",nuschelte ich. "Hi",erwiderte sie nett lächelnd ,"Ist was?" Meine Hände zitterten stark. Ich war aufgeregt. "Marla, ich weiß, es ist komisch, aber ich fühle etwas. Ich fühle mich gut, wenn ich in deiner Nähe bin",nun zögerte ich. Marla hörte mir aufmerksam zu, "Ich mag dich wirklich sehr. Wenn ich dich nicht sogar liebe." Jetzt war es raus. "Äh sorry, Maurice, aber du bist nicht so mein Typ",sagte sie schnell und sah mich entschuldigend an. Dann verschwand sie.

Meine erste Abfuhr mit fünfzehn war mir immer in Erinnerung gewesen. Genauso wie der erste Schnitt.

Zitternd nahm ich die Klinge. Was soll schon groß schlimm daran sein? Wenn es meinen Schmerz verschwinden lässt, kann es nur gut sein. Ich atmete tief ein. Kurz kontrollierte ich nochmal alles. Die Tür war abgeschlossen, aus der Dusche prasselte das Wasser und ich hatte alles da, was ich brauchte. Ein Tuch zum Blut aufsaugen, eine Klinge, ein Pulli zum verstecken und ein Verband, damit der Pulli nicht blutig wurde. Ich hatte an alles gedacht. Ich schloss die Augen aus denen langsam Tränen kamen und dann setzte ich die Klinge an meine Haut. Sie ließ sich leicht zerschneiden und leistete kaum Wiederstand. Ich zischte kurz, da es sehr weh tat, aber als ich an das Geschehene dachte, verschwand der körperliche Schmerz. Sie glichen sich aus. Es tat gut.

Und jetzt war ich soweit. Ich wollte springen, weil ich mich als Schwul geoutet habe und meine Freunde nichts mehr von mir wissen wollen.

"Hey",flüsterte ich. "Was ist los, Maudado?",fragte Zombey sofort. "Dado, alles okay?",kam es auch von Palle. "Du kannst uns vertrauen",meinte Manu sofort. Ich glaubte, er hatte Verdacht geschöpft, was mit mir zur Zeit los war. "Also ähm, ich wollte euch sagen, dass ich nicht so bin wie ihr glaubt",gab ich zu. "Wie meinst du das?",fragte Zombey besorgt. "Also die anderen wissen es schon und finden es nicht so schlimm, aber ich habe Angst vor eurer Reaktion." "Schieß los",meinte Palle vertraulich. "Okay, ich sage es jetzt einfach gerade heraus",sagte ich mehr zu mir, als zu den anderen. Gespannte Stille breitete sich aus. "Ich bin schwul",sagte ich schnell. Es sagte immernoch niemand etwas. "Äh",stotterte Manu. "Das ist toll, denke ich. Ich habe nichts dagegen",meinte Zombey sofort. "Das ist mal was anderes",versuchte Palles," also was gutes anderes." "Ich verstehe schon." Dann verließ ich den Teamspeak.

Ich lehnte mich ein wenig vor. Das Rauschen des Flusses beruhigte mich.

"Willst du wirklich springen?",fragte plötzlich eine Stimme.

Mein Kopf wirbelte um und sah in die grünen Augen von Manu. Ich schluckte nur, aber antwortete nicht.

"Es ist deine Entscheidung, Maudado",er sah mich eindringlich an.

Obwohl er mit mir redete blieb er immer auf Abstand. Zwei, drei Meter von mir weg.

"Wenn du wirklich springen willst, dann halte ich dich nicht davon ab. Du hast sicher deine Gründe, warum du da sitzt."

Seine Augen glänzten. Er machte einen Schritt auf das Geländer zu, aber nicht auf mich.

"Wenn du wirklich springen willst, dann höre mir jetzt drei, vier Minuten lang zu. Wenn ich gehe, darfst du springen. Dann kann dich keiner mehr aufhalten."

Seine Hand strich über das dunkle Holz.

"Allerdings musst du wissen, dass es eine Person gibt, die dich liebt. Diese Person kenne ich. Ich kenne sie gut. Sie war am Boden zerstört, als du dich nie wieder gemeldet hast. Dieser Person bedeutest du was. Und diese Person hat ewig gebraucht um es zu verstehen. Und wenn du jetzt springst, reißt du diese Person mit dir. Nicht ihren Körper, sondern ihre Seele, ihre Persönlichkeit, ihren Grund zu leben. Diese Person wird dann in Schuldgefühlen versinken und sich Vorwürfe machen, dass sie nicht ein Wort gesagt hat, als du sie brauchtest."

Nun sah er mir wieder in die Augen. Sie waren tränenerfüllt.

"Diese Person wird sich zerstören, wie du es mit dir gemacht hast. Sie wird in sich zusammenbrechen, sich abschotten und in Schuldgefühlen versinken. Sie wird sich denken, dass sie alles mit einem Wort hätte verhindern können und dass es nur ihre Schuld war. Sie wird sich aufgeben. Sie wird ihren Körper aufgeben und irgendwann auch hier an dieser Brücke stehen. Wie du. Und dann wird keiner da sein, um sie zu retten. Diese Person wird sich denken, dass es nicht so kommen hätte müssen. Diese Person wird sich wünschen, dass sie es verhindert hätte. Diese Person wird sich wünschen, dass sie dich jetzt von dem Geländer weggezogen hätte, statt nur dumm rumzustehen, zu heulen und von ihr zu erzählen. Sie wird dein Leben für immer auf ihrem Gewissen haben und dich nie vergessen. Was sie aber vergessen wird, ist, dass sie dir die Chance gegeben hat, dich zu entscheiden, ob du springen willst. Wenn dein Leben wirklich so schlecht war, dass du dem ganzen nochmal eine Chance gibst, dann spring. Spring und du wirst alles vergessen. Aber wenn du diese Person retten willst, dann gehst du jetzt da runter und rennst ihr nach. Denn diese Person fühlt sich schon jetzt schuldig und will an deiner Stelle da stehen. Nur damit du leben kannst."

Über seine blasse Haut flossen unaufhörlich Tränen bis er sich umdrehte und ging. Ich dachte an seine Worte. Nur damit ich leben konnte. Er würde sich für mich opfern. Ein Hoffnungsstoß erweckte mich. Ich schwang meine Beine über das Geländer und sprang auf den harten Boden. Ich rannte so schnell ich konnte zu ihm.

"Manu, warte!"

Oneshots | YouTuberWo Geschichten leben. Entdecke jetzt