34 Schulgeschichten #Kürbistumor

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"Der Neue ist komisch."

"Ja, stimmt! Der antwortet nie, wenn man was fragt."

"Richtig unhöflich!"

"Ich denke, er fühlt sich zu gut für uns. Schon alleine wie er Abstand sucht."

"Der kommt doch sogar aus so eine super reichen Familie!"

Verärgert sah ich in die Runde mit meinen Mitschülern. Sie redeten über den neuen Jungen aus unserer Klasse. Heute morgen hatte er einfach an der Tür gestanden. Der Lehrer hatte ihm den Platz vor mir zugeteilt. Während den ganzen drei Stunden hat er nie ein Wort verloren. Auch nicht, wenn man ihn etwas gefragt hat. Er hat einen nur angesehen und höchstens mit nicken oder Kopf schütteln geantwortet.

"Euch kommt aber nicht in den Sinn, dass er stumm sein könnte",zischte ich wütend.

Kurze Stille breitete sich aus. Alle sahen zu mir und schienen über meine Aussage nachzudenken.

"Das kann nicht sein. Dann wäre er auf einer speziellen Schule."

"Ja, genau. Was hätte ein Stummer bei uns verloren?"

"Ich meine es ernst!"

Meine Stimme überschlug sich fast. So toll unser Klassenzusammenhalt auch war, wenn jemand neues dazukommt, ist er automatisch der Außenseiter. Das gleiche hatte ich auch schon mal durchleben müssen, aber durch meine angenehme Art wurde ich schnell akzeptiert. Dies würde aber bei dem neuen schwierig werden, wenn er stumm war.

"Ich bin weg",verabschiedete ich mich.

Im Augenwinkel hatte ich ihn gesehen. Den Neuen. Er eilte über den Pausenhof zu dem Eingang des Schulgebäudes. Kurz vor der Tür holte ich ihn ein.

"Hey, du heißt Manuel, richtig?",begrüßte ich ihn lächelnd.

Er sah mich erste verwirrt an, aber nickte dann als Antwort. Ich öffnete die Tür und hielt sie ihm auf. Dankend lächelte er mich an, was aber schnell wieder verschwand.

"Meine Freunde hatten diskutiert, ob du vielleicht stumm bist. Deshalb wollte ich dich mal fragen",begann ich.

Er reagierte darauf nicht, sondern ging stur weiter.

"Soll ich ja-nein Fragen stellen?",fragte ich.

Er ignorierte mich und ging die Treppe zu unserem Klassenzimmer hoch.

"Ich darf dich Manu nennen, oder?",fragte ich.

Er nickte zögerlich und öffnete dann die Klassenzimmertür. Noch waren wir alleine hier.

"Also Manu, willst du vielleicht deine Antworten aufschreiben?"

Er nickte und holte seinen Block heraus. Aus dem offenen Mäppchen nahm er einen Kugelschreiber und wartete auf meine Fragen.

"Bist du jetzt stumm?"

Merkst selber, wie unnötig die Frage war

"Ich weiß wie schwierig es ist, wenn man neu in eine Klasse kommt. Man hat das Gefühl nicht dazu zu gehören und dieses Gefühl will ich niemandem antun. Ich will dir helfen "

Ich brauche keine Hilfe

"Jeder braucht Hilfe."

Mag sein

"Warum denkst du, dass du keine Hilfe brauchst?"

War schon immer auf mich alleine gestellt. Hat auch geklappt

"Warum bist du stumm?"

Traumatischen Erlebnis in früher Kindheit

"Musst du da nicht zu einem Psychologen?"

Eltern wollen das nicht

"Warum?"

Zerstört ihren Ruf

"Also sind sie reich und haben einen Einfluss auf irgendwas wichtiges!"

Ich wüsste nicht, was das mit meiner Persönlichkeit zu tun hätte

Oder mit einer vielleicht bevorstehenden Freundschaft

"Stimmt, sorry. Was ist denn passiert? Also das Erlebnis."

Will nicht darüber reden

"Und schreiben?"

Er sah mich verwirrt an.

"Na, reden kannst du ja so oder so nicht, auch wenn du möchtest. Also habe ich dich gefragt, ob du darüber nicht etwas schreiben möchtest. "

Nein

"Warum nicht?"

Habe ich schon versucht, bringt mir nichts außer Mitleid

"Sei doch nicht so pessimistisch!"

Lieber das, als sich Hoffungen zu machen, die dann immer wieder zerstört werden

Im Augenwinkel sah ich wie meine Freunde hereinkamen. Einer stellte sich neben uns. Er musterte Manu abwertend und wendete sich dann zu mir.

"Willst du lieber zu uns kommen oder bei dem da bleiben?",fragte er.

Ich sagte nichts, sondern sah auf das Blatt, wo seine Antworten standen.

"Ich glaube, ich unterhalte mich lieber mit Manu",sagte ich.

Mein Klassenkamerad verdrehte die Augen und sah kurz ebenfalls auf das Blatt bevor er sich zu den anderen gesellte.

"Du musst ihn entschuldigen",sagte ich.

Manuels Gesicht war blass.

"Der nimmt uns noch Patrick weg",hörte ich ihn nuscheln.

Diesmal verdrehte ich die Augen.

"Manu, du bist toll. Lass dich nicht von ihnen unterkriegen",sprach ich ihm Mut zu.

Daraufhin zuckte er nur mit den Schultern und wandte sich zum Lehrer, der soeben die Klasse betreten hatte.

Hatten sie Manu verletzt mit ihren Worten? Nur weil er stumm war, war er noch lange nicht unsympathisch, unfreundlich oder gar asozial. Ich verstand einfach nicht, welche Probleme sie mit ihm hatten.

"Patrick, pass auf und starr nicht aus dem Fenster!"

Oneshots | YouTuberWo Geschichten leben. Entdecke jetzt