24 Seine Worte #Zomdado

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Der Regen prasselte auf meine Kapuze. Ich hatte sie mir tief in die Stirn gezogen und lief mit meinem Handy in der Hand ohne Ziel durch die Stadt. Viele Leute kamen mir entgegen. Sie redeten, lachten. Sie waren glücklich trotz des Regens. Viele mit Regenschirm sahen mich mitleidig an, aber dann sah ich schnell weg. Ich wollte nicht mehr hier sein. Mit schnellen Schritten kam ich zu einem Spielplatz, wo natürlich nichts los war. Wer lässt auch schon seine Kinder im Regen raus?

Ich setzte mich auf eine der zwei Schaukeln. Zuvor zog ich meine Jacke aus und legte sie darauf, um nicht nass zu werden. Mit dem T-shirt, das ich darunter hatte, war es zwar kalt, aber ich ignorierte es. Mein Handy spielte weiterhin Musik. Ich verlor mich in ihr. Ich schaltete die Gedanken aus und ließ mich einfach von den Tönen leiten.

"Warum bist du komplett schwarz angezogen?",fragte plötzlich ein Junge. Ich drehte meinen Kopf zu ihm. Seine wahrscheinlich blonden Haare klebten nass auf der Stirn. Er hatte es mir gleich getan und seine Jacke auf die Schaukel gelegt und sich daraufgesetzt. Im Regen würde ich ihn zwei bis drei Jahre jünger schätzen, also 12. "Du bist doch sicher alt genug, um es zu wissen",erwiderte ich. "Warst du gerade auf einer Beerdigung?" Ich sah ihn verwirrt an. "Nein, warum?",fragte ich. "Na, du bist schwarz angezogen und siehst traurig aus." "Noch nie was von 15- Jährigen depri Jungs gehört, die überall als Emo beleidigt werden?",gab ich genervt zurück. "Nein",antwortete er unschuldig. "So einer bin ich." "Und was ist dein Problem?",fragte er. "Hau ab",zischte ich zurück. Ich brauchte keinen der mit mir redet. Ich wollte keinen!

"Und was ist dein Problem?",fragte er erneut. "Bist du taub? Du sollst abhauen!",rief ich genervt. Jetzt schwieg er, aber gehen tat er nicht. Je länger wir so dasaßen, desto stärker war das Bedürfnis ihm alles zu erzählen. "Ich hasse alles",begann ich. "Alles?" "Ja, alles. Ich hasse diese Welt. Ich hasse die Menschen, die denken sie wären etwas besonderes. Ich hasse meine Mitschüler. Ich hasse meine Verwandten, meine Bekannten. Ich hasse meinen Bruder, meine Mutter. Ich hasse sogar meine besten Freunde. Ich hasse eben alles." "Vielleicht hasst du auch einfach dich." Diese unschuldige Stimme hallte in meinem Kopf nach. Ja, vielleicht hasste ich mich einfach. Ich dachte lange über seine Aussage nach.

"Aber das kann nicht dein einziges Problem sein",meinte er und sah auf meinen vernarbten Arm. "Es hilft mir damit umzugehen. Ich bin von vielen unverstanden. Anstatt mir zu helfen, machen sie mich nieder",erzählte ich. Er sah mich mitleidig an. Wie ich diesen Blick hasste. "Hör auf!",befahl ich. "Womit?" "Mit diesem mitleidigen Blick. Ich habe mir zwar dieses Leben nicht ausgesucht, aber ich tue auch nichts dagegen. Dann bekomme ich wenigstens keine Aufmerksamkeit. Ich will dieses Leben so, weil es eh bald vorbei sein wird!",rief ich verärgert. "Ich glaube ich bin zu jung, um dieses Aussage zu verstehen." Schulternzuckend begann er leicht zu schaukeln. "Man ist nie zu jung, nur zu kurzsichtig",entgegnete ich.

"Ist Kurzsichtigkeit etwas schlechtes?",fragte er. Ich schüttelte den Kopf. "Warum nicht?" "Weil man da Dinge einfach als das betrachtet, was sie wirklich sind und nicht was sich dahinter verbergen könnte." "Das muss ich mal meinem Lehrer erklären. Der ist nämlich auch kurzsichtig",meinte er. "Hat er eine Brille?" "Ja." "Dann ist es nicht die Art von Kurzsichtigkeit, wie diese hier."

Wie schwiegen uns an. Durch das Einatmen kam die kalte Luft in meine Kehle und Lunge. Es fühlte sich an, als würde ich von innen und außen erfieren. Ich begann über mein Leben nachzudenken. Über die guten Seiten. Allerdings fiel dies ziemlich lasch aus. Außer ein paar Urlauben, als mein Vater noch lebte oder Ausflüge mit ihm, hatte ich keine schönen Erinnerungen. "Ich hab darüber nachgedacht",meinte der Junge plötzlich. "Ach ja." Meine monotone Stimme klang erschreckend kalt. "Ja. Du willst dich umbringen, oder?",fragte er. "Wer weiß",antwortete ich. "Du weißt es." "Ja",hauchte ich.

Plötzlich sah er verängstigt zu einer Frau, die wutbrannt auf uns zu stürmte mit einem pinken Regenschirm, hochhackigen Schuhen und einer Tierfelljacke. "So schlimm kann dein Leben gar nicht sein. Bitte warte mit dem Umbringen bis ich 18 bin. Dann komme ich und rette dich. Ich muss jetzt heim!" Mit einer schnellen Bewegung schnappte er seine Jacke und lief der Frau entgegen. Sie schimpfte mit ihm und schlug ihn auf den Hinterkopf. Er schrie leicht auf. Der Regen verstärkte sich und sie verschwanden. Das einzige was von ihm übrig war, waren seine letzten Worte.

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Ich hab ein neues Cover. Also bitte nicht wundern!

Oneshots | YouTuberWo Geschichten leben. Entdecke jetzt