Chapter Eighty-Two

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„Hey!" Joe stolperte mit einer vollgepackten Tüte auf den Armen ins Wohnzimmer, wo Anna gerade dabei war, ihre mittlerweile getrocknete Wäsche in dem kleinen Regal neben dem Fernseher zu verstauen, das ihr dankenswerterweise als Staufläche überlassen worden war.
„Hey Joe! Soll ich dir helfen?" Immerhin mühte er sich gerade damit ab, die Küchentür mit seinem Ellbogen zu öffnen, offenbar zu stur, seine Einkäufe kurz am Esstisch zwischenzulagern. Zumal Anna die vergangenen Stunden damit verbracht hatte, etwas Ordnung in das Chaos zu bringen und nun tatsächlich wieder freier Platz dafür vorhanden wäre.
„Geht schon", wank er zwar ab, trat aber trotzdem erleichtert zur Seite, als sie die Tür für ihn aufmachte. „Danke."

„Weißt du zufälligerweise wo Mike steckt?", fragte sie ihn so beiläufig wie möglich, während sie ihm dabei half, die Einkäufe in Kühlschrank und Kästen zu verstauen. „Den habe ich heute nämlich noch nicht gesehen und in seinem Zimmer ist er auch nicht."
„Mike besucht seine Familie", informierte Joe sie ein wenig zu sachlich für ihren Geschmack. Beinahe schon so, als wäre ihm eingetrichtert worden diese Antwort zu geben. „Und danach muss er arbeiten. Oder umgekehrt, das weiß ich nie so genau, aber spätestens heute am Abend taucht er wieder auf."
„Ach so." Vielleicht steigerte sie sich aber auch zu sehr in die ganze Sache hinein. Immerhin wusste sie mittlerweile, warum er neben dem Studium und der Band auch noch so viele Stunden wie nur irgend möglich in der Küche eines Fast Food Ladens verbrachte. „Er kümmert sich wirklich gut um seine Familie, was?"
„Ja, Mike ist ein guter Kerl." Joe schüttelte seufzend den Kopf, murmelte die nächsten Worte eher zu sich selbst als zu Anna. „Hat das alles nicht verdient."
„Was meinst du?", hakte sie auf der Stelle nach und fühlte sich einmal mehr darin bestätigt, dass jeder außer ihr über Mikes Geheimnis Bescheid wusste. Ein Gedanke, der nun, da Linsey von ihren Narben erfahren hatte, besonders an ihr nagte.
Alles." Wie von ihm nicht anders zu erwarten war, schnitt Joe eine Grimasse und zog sich damit gekonnt aus der Affäre.

„Joe!" Nachdem sie einsehen musste, dass er wohl nichts über Mike preisgeben würde, wechselte sie schließlich das Thema und beschloss, ihren zweiten Mitbewohner ebenfalls etwas besser kennenzulernen. „Bist du eigentlich auch öfters bei deinen Eltern?"
„Nur während der Ferien, wir wohnen ja eigentlich in Texas", erklärte Joe und deutete dabei auf eine der Kaffeetassen, deren Aufdruck die Form des zweitgrößten Bundestaates hatte.
„Ich dachte, die Wohnung gehört deiner Familie?"
„Dir ist sicher aufgefallen, dass das Haus nicht das neueste ist", stellte er trocken fest, ehe er sich auf den Weg in sein Zimmer machte und Anna ihm folgte.
„Ach komm, so schlimm ist es nicht, man müsste nur die Wände im Gang draußen neu streichen." Und ein paar Glühbirnen austauschen. Und den Handlauf der Treppe festschrauben. Und die zerbrochenen Fliesen ersetzen. Aber im Gegensatz zum Treppenhaus war die Wohnung hell und freundlich, wenn auch bisweilen etwas unaufgeräumt.

„Du warst noch nie im Keller unten." Als wollte er seine Worte unterstreichen schüttelte Joe sich, als würde ihm ein kalter Schauer über den Rücken laufen, was Anna angesichts der Tatsache, dass über seinem Bett ein Poster des Gruselclowns hing, das ihm beim Schlafen beobachtete und sie mit Sicherheit vom Schlafen abhalten würde, etwas ironisch fand.
„Danke für die Warnung." Auch ohne seinen Hinweis hätte sie nicht vorgehabt das unterste Geschoss des Hauses zu erkunden, wirkte die Treppe nach unten doch schon unheimlich genug, um sie davon fernzuhalten. „Apropos Wohnung, können wir noch mal wegen meiner Miete reden?"
„Noch weiter kann ich mit dem Preis leider nicht runtergehen", erklärte ihr Joe mit steinerner Miene. „Wäre schlecht fürs Geschäft."
„Keine Sorge, ich habe nicht vor dich in den Ruin zu treiben", bemühte sich Anna, ebenfalls ihr bestes Pokerface aufzusetzen. „Nachdem ich ja jetzt mein eigenes Geld verdiene, wollte ich dich fragen, wie viel du für Strom und Wasser und so bekommst."

„Dann behältst du den Job also?" Sie konnte es ihm nicht übelnehmen, dass er etwas überrascht klang, hatte er doch zweifelsohne mitbekommen, wie schwer der Einstieg für sie trotz allem war.
„Zumindest fürs Erste." Immerhin war sie selbst mehr als überrascht darüber, dass sie die erste Woche ohne Tränen überstanden hatte. „Die Leute dort sind nett und Linsey kann mir immer helfen, wenn ich mich wo nicht auskenne."
„Mike und ich handhaben das derzeit so, dass wir die Betriebskosten halbieren." Joe nickte kurz verständnisvoll, ehe er wieder zum Geschäftlichen kam. „Also sagen wir einfach, dass ab jetzt jeder von uns Dreiunddreißig Komma drei, drei, drei, drei", er hielt kurz inne und schenkte Anna sein bestes schiefes Grinsen, „ein Drittel zahlt. Insgesamt wird das dann glaube ich sogar für Mike und mich etwas billiger. Beziehungsweise für meine Eltern, aber die werden sich garantiert nicht beschweren."
„Okay."
„Ich weiß ja nicht, ob Mike, es dir schon erklärt hat, aber beim Essen sind wir nicht so genau, du kannst also nehmen, was da ist solange du auch ab und zu einkaufen gehst." Etwas, für das bisher immer Patty zuständig gewesen war, auch wenn sie das eine oder andere Mal mitgegangen war. Anna konnte also nur hoffen, dass die kleine Stimme, die sich nun in ihrem Hinterkopf zu Wort meldete, Unrecht hatte und sie nicht vor einer unlösbaren Herausforderung stand.
„Damit euer Nudel-Vorrat nicht zur Neige geht", konnte sie sich einen kleinen Seitenhieb nicht verkneifen.
„Wenn du lieber was anderes kochst-" Joe schüttelte den Kopf, ehe er begann, die Actionfiguren auf seinem Schreibtisch beiseitezuschieben und damit für etwas freien Platz zu sorgen. „Wir werden uns sicher nicht beschweren."

Break the Cycle |Linkin Park|Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt