Chapter Sixty-Seven

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Ich habe nie wieder versucht, zu dir zu kommen.

Wütend ballte Anna ihre Hände zu Fäusten, als sie den dunklen Gang entlang schlich, immer näher zu dem Wohnzimmer, aus dem sie die Stimme ihrer Mutter hörte, die sich vermutlich wieder einmal über eine vollkommene Belanglosigkeit echauffierte, während ihr Vater wahrscheinlich nur gelangweilt in eine Zeitschrift starrte. Ganz die heile Welt also, in der sie aufgewachsen war und die sie in wenigen Momenten zweifelsohne zum Einsturz bringen würde, wurde ihr doch langsam die Tragweite von Robs Warnung an sie klar. Die Worte, die sie gleich aussprechen würde, würden keinen Stein auf den anderen lassen und auch wenn jede noch so kleine Eck ihres Verstands sie anflehte, einfach in ihr Zimmer zu verschwinden, ging sie stur weiter auf die Tür zu, hinter der das Schlachtfeld für den bisher schwersten Kampf in ihrem Leben lag.



„Mutter, Vater!" Sie erkannte ihre eigene Stimme beinahe nicht, als sie die Tür schwungvoll aufstieß und ihren Eltern mit erhobenem Haupt gegenübertrat, auch wenn sie sogleich mit desinteressierten, wenn auch etwas verwunderten Blicken empfangen wurde. „Wie könnt ihr es wagen, Rob so zu behandeln?"

„Anna, wo bist du gewesen?" Natürlich wurde ihre Frage ignoriert, wie konnte es auch anders sein? Stattdessen war da wieder diese vorwurfsvolle Stimme, die normalerweise ihren Dämon heraufbeschwor, der sie in die Dunkelheit zerrte. Aber nun, da in ihr ein wütendes Feuer zu toben schien, trat sie lediglich einen Schritt weiter in den Raum und ließ den Worten freien Lauf.

„Ihr habt ihn einfach hinausgeworfen, als wäre er ein dreckiger Straßenhund und nicht mein einziger Freund und dann, dann so getan als wäre die Welt in bester Ordnung! Ich verrate euch jetzt einmal ein Geheimnis: Das war, das ist sie nicht!", spuckte sie ihnen die Worte entgegen, die schon viel zu lange in ihrem Hals festgesteckt waren.

„Anna, antworte ge-"

„Gefälligst, wenn deine Mutter dir eine Frage stellt. Gerne, Vater", sie warf ihm einen abschätzigen Blick zu, der selbstgefällige Ausdruck in seinem Gesicht nur weiterer Anlass für sie, ihren Gedanken freien Lauf zu lassen, „aber das Gleiche gilt auch für euch. Ich habe euch gefragt, warum ihr Rob hinausgeworfen habt und zwar nicht nur einmal. Nein, ich habe euch immer und immer wieder gefragt und ich habe es so was von satt, mir immer die gleichen Ausreden anhören zu müssen!"

„Ich dachte, du hättest das mittlerweile verstanden." Ihre Mutter schüttelte ungläubig den Kopf, scheinbar komplett unberührt von Annas emotionalem Auftritt. „Der Junge vom Dienstmädchen ist doch kein Umgang für dich. Kaum auszumalen was passieren hätte können, wenn er hiergeblieben wäre."

„Deshalb?" Ein gequältes Lachen entkam Anna, als sich die Einzelteile des Puzzles für sie endlich zu einem großen Ganzen zusammensetzten. Sie hatte immer schon gewusst, dass ihre Eltern in einem vergangenen Jahrhundert steckengeblieben waren, aber das setzte dem ganzen wirklich noch eine Krone auf. „Ihr habt ihn hinausgeworfen, weil ihr Angst hattet, dass wir uns eines Tages in einander verlieben würden und der Sohn des Dienstmädchens dann das Familienunternehmen erben würde, nachdem ich als eure Tochter ja offenbar nicht gut genug dafür bin? Und das, obwohl jeder wusste, dass er wie ein kleiner Bruder für mich war?" Sie schüttelte fassungslos den Kopf, fühlte sie sich doch wie in einem schlechten Film gefangen. „Wobei, um das zu wissen hätte man wohl Zeit mit mir verbringen müssen", presste sie schließlich verbittert hervor und warf ihren Eltern einen strafenden Blick zu, der mit ebenso viel Kälte begegnet wurde.

„Wie kannst du es wagen!" Nun war es auch an ihrer Mutter, die Stimme zu erheben und Anna gegenüberzutreten, die keinen Schritt zurückwich, sondern einfach nur all dem Schmerz und der Enttäuschung, die sie viel zu lange unterdrückt hatte, Ausdruck verlieh, sie ihr gnadenlos entgegenschleuderte.

Break the Cycle |Linkin Park|Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt