„Aber du gibst doch nicht auf, Bourdie." Daves Worte ließen Annas Kopf augenblicklich in seine Richtung schnellen, noch bevor sie wirklich realisieren konnte, was sie eben gehört hatte. „Manchmal funktionieren Dinge einfach nicht, egal wie sehr man es versucht."
In jeder anderen Situation hätte sie nun vermutlich über diese Worte nachgedacht, darüber nachgedacht, wie sehr sie doch ihr Leben zu beschreiben schienen, das aus ihrer Sicht nur aus Scheitern bestand. Nun aber konnte sie an nichts anderes mehr denken, als den Namen, den sie eben gehört hatte. Ließ ihren Blick wieder zu Rob wandern und starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an, noch immer ungläubig darüber, dass es wirklich er war, nach all den Jahren, in den sie ihn vermisst hatte. Und schließlich, als sein Blick den ihren traf, sie den Schreck sah, der ihm ins Gesicht geschrieben stand, wagte sie es endlich, den Namen auszusprechen, der ihr schon seit der ersten Begegnung mit ihm in diesem Raum auf der Zunge lag.
„Robert Gregory Bourdon." Sie schüttelte fassungslos den Kopf und trat einen Schritt auf ihn zu, ohne dabei auch nur eine Sekunde ihren Blick von ihm abzuwenden. Nicht einmal die Anwesenheit der anderen, die sie mit fragenden Blicken ansahen, nahm sie mehr war, nun, da sie ihm gegenüberstand. Der Wahrheit ins Auge blickte.
„Du bist es wirklich", wisperte sie, als hätte sie Angst, dass ihre Stimme den Moment zerstören und sie wie aus einem Traum aufwachen würde. „Ich habe bisher einfach nicht glauben können, dass es wirklich du bist." Immerhin war er nun einen Kopf größer als sie, seine Haare, die immer schon lang gewesen waren, reichten ihm nun beinahe bis zu den Schultern und er hatte sich einen Kinnbart wachsen lassen. „Du hast dich so sehr verändert, seitdem wir uns das letzte Mal gesehen haben."
„Nicht nur ich", murmelte er, seine Stimme so viel tiefer, als Anna sie in Erinnerung hatte, beinahe schon befremdlich. Und dennoch wusste sie instinktiv, dass er nicht auf ihre äußere Erscheinung anspielte, waren sie beide doch zweifelsohne andere Menschen geworden, in all den Jahren, in denen sie nichts voneinander gehört hatten. In denen sie Stück für Stück zerbrochen waren, die Traurigkeit in den einst so funkelnden Augen ein stummes Zeugnis davon. „Es tut mir Leid, Anna." Er wich ihrem Blick aus und starrte betroffen zu Boden, tappte mit seiner gesunden Hand nervös gegen den Eisbeutel. „Du musst so viele Fragen haben."
„Ich-" Es kam Anna vor, als hätte ein einziger Satz ihre Erinnerung leergefegt, schaffte sie es doch nicht, eine einzige dieser Fragen, die sie Tag für Tag gequält hatten, in Worte zu fassen. Oder vielleicht war es auch die Tatsache, dass sie am liebsten all diese Fragen auf einmal gestellt hätte, auch, wenn sie es in diesem Moment nur schaffte, Rob fassungslos anzustarren und immer wieder ungläubig den Kopf zu schütteln.
„Ich unterbreche euch ja echt ungern, aber", Chesters Stimme wirkte, als würde sie aus einem anderen Universum kommen, so entfernt klang sie in ihren Ohren, „ich habe eine Frage: Was passiert hier gerade?"
„Anna und ich, wir sind zusammen aufgewachsen", fand Rob als erster die Stimme wieder und Anna begann schließlich mit einer ungewohnten Sicherheit die Geschichte zu erzählen, die sie zueinander geführt und wieder auseinandergerissen hatte.
„Wie ihr wisst ist meine Familie ziemlich abgehoben und Patty ist sozusagen unser Mädchen für alles." Die Geschichte, die vor einer kleinen Ewigkeit mit einem Arbeitsvertrag, begonnen hatte, und Jahre darauf zwei verlorenen Seelen die Verbindung geben würde, die sie so dringend benötigt hatten.
„Mom arbeitet schon eine Ewigkeit für die Hillingers, aber als sie dann mit mir schwanger war, wollte sie eigentlich kündigen und eine richtige Hausfrau werden. Aber dann ist mein Vater gestorben und sie war auf einmal wirklich auf das Geld angewiesen. Und es gab da auch noch mich und niemanden, der sich um mich kümmern konnte, während sie bei der Arbeit war." Es war wie früher, als sie gemeinsam auf den Stufen, die zur Hintertür führten, gesessen und über die Dinge gesprochen hatten, die sie sonst niemandem anvertrauen hatten wollen. Und wie damals sprach Rob mit einer seltsamen Leichtigkeit über das Elternteil, das er nie hatte kennenlernen dürfen, auch wenn nun wohl nicht mehr das kindliche Unverständnis darüber war, was der Tod bedeutete, dafür ausschlaggebend war.
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Break the Cycle |Linkin Park|
Fanfiction» Ich sag dir was, Mike, mal wieder. Du hast nur Angst davor, noch einmal jemanden zu verlieren, den du liebst. « Würdest du zulassen, dass deine Welt auf den Kopf gestellt wird, oder würdest du um jeden Preis versuchen, deine dunklen Geheimnisse un...