Chapter Thirteen

76 9 8
                                    




„Sie war da, Rob, sie war da!" Aufgeregt erzählte er Rob von seiner morgendlichen Begegnung, während der Junge wie ein Baby an seiner Wasserflasche nuckelte, von der Probe noch immer ein wenig außer Atem war.

„Das heißt, sie bekommt Hilfe."

„Nicht unbedingt", überlegte er laut vor sich hin, hatte ihn doch etwas an ihr gestört, an ihrem Auftreten. „Dazu hat sie viel zu fröhlich gewirkt."

„Mike." Der Junge sah ihn erst mit großen Augen an, ehe er seinen Blick zu Boden wandern ließ und mit leiser Stimme noch eine Tatsache hinzufügte, die er nicht wirklich aussprechen wollte, aber doch musste. „Nicht für jeden bricht dort jedes Mal aufs Neue eine Welt zusammen."

„Ich weiß", flüsterte der Rothaarige noch ein wenig leiser, versuchte verzweifelt, seine Gedanken nicht zum Vormittag, den Stunden im Krankenhaus abwandern zu lassen, hatte er heute doch schon genug Tränen vergossen und wollte den Tag eigentlich positiv ausklingen lassen. „Aber trotzdem."

„Du hast nicht das Gefühl, dass sie ihr Gesundheitszustand bedrücken würde."

„Und das, obwohl es ihr ganz klar nicht gut gehen kann!", warf Mike ein, eine Aussage, die Rob so nicht stehen lassen konnte, stattdessen aufgeregt vor Mike auf und ab rannte, die Wasserflasche noch immer fest umklammert, als wäre sie sein Mikrofon.

„Muss nicht unbedingt sein, vielleicht hatte sie eine schwere Vergangenheit oder sonst irgendein Geheimnis." Eine Sache, auf die er selbst mittlerweile auch gekommen war, sich durch die Worte von Rob, einem Außenstehenden nur noch bestätigt fühlte. Mit dem Vorschlag, den der Junge nach einigen schweigsamen Schritten machte, war er da schon wesentlich weniger einverstanden. „Warum sprichst du sie nicht einfach einmal an?"

„Whoa, warte!" Als hätte er ihn erschreckt, sprang Mike einen Schritt zurück und riss dabei abwehrend die Hände in die Höhe, wo ihn Rob doch nur mit schiefgelegtem Kopf und einem verdatterten Huh? ansah. „Das geht nicht."

„Wieso nicht?" Die seelenruhige Art des Schlagzeugers konnte ihn in Momenten wie diesen schier in den Wahnsinn treiben, wie Rob nun einfach nur dastand, ihn mit den großen, dunklen Augen ansah und an der Wasserflasche nuckelte, während er auf eine Antwort wartete, die er gelten ließ.

„Weil..." Eine Antwort, die Mike alles andere als leicht fallen wollte, wusste er doch selbst am besten, dass es keinen wirklichen Grund für ihn gab, nicht noch einmal mit der Studentin zu sprechen. Er hätte ja sogar eine gute Ausrede dafür, könnte ihr eine Zeichnung als Dank geben, und als Entschuldigung. Oder ihr einfach sagen, dass er sich um sie Sorgen machte, immer an sie denken musste. Und genau darin lag das Problem. Er wollte nicht an sie denken müssen, wollte nicht noch eine Sache in seinem Leben haben, die seinen Alltag erschwerte, sich wie eine andauernde Last anfühlte, dafür musste er schon genug mit sich herumschleppen. Und wenn er nun mit ihr reden würde, das wusste er genau, würden seine Sorgen bestimmt nicht verschwinden, nein. Stattdessen würde er jedes Wort, jede Handlung in Frage stellen, sie hinterfragen, sich selbst hinterfragen. Hinterfragen, wieso sie es geschafft hatte, sich einen solch großen Platz in seinem Denken zu erkämpfen.

„Es geht einfach nicht", beschloss er schließlich, eine Antwort, die Rob nur stillschweigend zur Kenntnis nahm, beschloss, dass es an der Zeit war nach Hause zu fahren, sich mit dem erprobten Handschlag von Mike verabschiedete. Und ausnahmsweise nicht bis morgen murmelte, wie er es sonst immer tat.

„Ich weiß".



Mit einem erleichterten Seufzer schlug sie ihren Notizblock auf, blätterte langsam eine Seite nach der anderen um, den Worten, die darauf geschrieben standen nicht wirklich Aufmerksamkeit schenkend, kannte sie diese doch ohnehin in- und auswendig. Ihre ganze Seele steckte in diesem Büchlein, und vielen weiteren, aufgeschrieben in ihrer, wie sie selbst fand, leicht unleserlichen Handschrift. Vielleicht auch, damit sie für Außenstehende nicht auf den ersten Moment erkennbar waren, damit sie nicht nur leere Worte sahen, sondern sich wirklich auf sie konzentrieren mussten, den Sinn hinter ihnen zu sehen begannen. Nicht, dass jemals jemand eine dieser Geschichten zu Gesicht bekommen würde, aber nur für den Fall.

Auf eine eigene Art und Weise war ihr es peinlich als Autorin gesehen zu werden, obwohl es doch ihr großer Traum war, Geschichten zu schreiben, ihr eigenes Buch in einer Buchhandlung zu sehen. Ein Traum, der vermutlich nie in Erfüllung gehen würde, weswegen sie nur im Geheimen wagte ihn zu träumen. Eben hier, an ihrem magischen Ort, hoch über der Welt, beinahe so frei wie ein Vogel im Wind. Bald war es wieder soweit und es würde zu kalt sein um hier draußen zu sitzen, bald würden ihre Finger schon nach wenigen Minuten taub werden, sie den Stift nur mehr in zittrigen Bahnen über das Papier führen können. Aber noch war es nicht Zeit ins Innere zu verschwinden, bis die Sonne im Frühling wieder stärker wurde. Bis zu ihrem Geburtstag, so lange blieb sie jedes Jahr.

Und so genoss Anna wie immer die Stille, ließ die Atmosphäre auf sich wirken, wartete darauf, bis der Fluss an Wörtern in ihrem Kopf stärker wurde, lenkte ihn in Bahnen, bis sie sicher war, dass sie ihn auf Papier festhalten konnte. Doch gerade als sie den Stift aufsetzte, fiel ihr Blick auf etwas, das mit einem Schlag ihre ganze Konzentration auf sich zog. Etwas Rotes, das sich auf der Straße vor dem Haus vorbeibewegte. Die Person war zu weit weg, als dass sie sicher sein konnte, aber ihr Instinkt sagte ihr, dass es Mike war, der gerade die Straße entlang radelte, gegen die leichte Steigung kämpfte. Oder zumindest fiel ihr sonst niemand ein, der seine Haare in einem solchen Feuerrot färbte, dass man es wahrscheinlich auch noch in der finstersten Nacht leuchten sehen konnte. Oder so weite Kleidung trug, dass er dreimal hineinpasste.

Jedoch fragte sie sich, was er hier tat, in einer Gegend, in der die Häuser definitiv zu teuer waren für einen Studenten wie ihn. Zumal es ihr nicht entgangen war, dass ihm sein Freund hatte Geld leihen müssen. Und das, obwohl sie sich nicht vorstellen konnte, dass er verschwenderisch mit Geld umging, wirkte er doch eher wie jemand, der nicht materielle Dinge, sondern seine Fantasie benötigte, um glücklich zu sein.

Wie sie selbst es tat.

Break the Cycle |Linkin Park|Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt