Chapter Nine

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„Guten Abend Mrs. Delson." Grinsend zog Mike seine Kappe vor Elisa, die gerade damit beschäftigt war, den Jackenhaufen im Vorraum wieder auf die vorgesehenen Haken zu hängen. Immerhin verbrachte sie den größten Teil ihrer Zeit in dem Haus und noch einen viel größeren damit, sich über das darin herrschende Chaos zu beschweren. Nur, dass Brad dies nun zum Anlass nahm, jedes Mal, wenn er das Haus betrat, sofort etwas auf den Boden fallen zu lassen.

„Guten Abend, Mr. Shinoda und mein Nachname ist nicht Delson", gab sie schließlich ihre Standardantwort, ehe sie ihn mit schiefgelegtem Kopf und in die Seiten gestemmten Händen ansah. „Und verheiratet bin ich auch nicht."

„Noch nicht!", kam Chesters geschriener Kommentar aus dem angrenzenden Wohnzimmer, in welches sich die beiden nun ebenfalls begaben, war immerhin schon die gesamte Band versammelt und Chester wieder einmal wie ein Wirbelwind vom Auto zum Mikrofon gestürmt.

„Leute, nur zur Erinnerung, ich habe nicht einmal einen Freund." Kopfschüttelnd ließ sich Elisa auf das Sofa fallen, und fuhr sich seufzend durch die Haare, nur um von fünf der Bandmitglieder mit hochgezogener Augenbraue angestarrt zu werden. Fast so, als würden sie bezweifeln, dass sie ihre eigenen Worte glaubte, war ihnen doch mehr als bewusst, auf was die Sache früher oder später hinauslaufen würde.

„Brad?", entfuhr es unterdessen Rob, der jedoch im nächsten Moment eine Hand vor den Mund schlug und den Namen in einem Husten zu tarnen versuchte, während sich der Angesprochene anders aus der Situation zu winden beabsichtigte.

„Wer würde auch mit dir zusammen sein wollen?" Herausfordernd blickte er sie an, genauestens darauf achtend, nach welchen Gegenständen auf dem kleinen Abstelltisch sie greifen könnte, bezweifelte er doch stark, dass seine Locken den Aufprall einer Fernbedienung abschwächen konnten.

„Du?", schlug Chester unterdessen vor, tarnte das Wort jedoch wie der Schlagzeuger zuvor in einem Hustenanfall. „Tut mir leid", räusperte er sich schließlich und griff wieder nach dem Mikrofon, hatten sie für seinen Geschmack nun genug herumgeblödelt. „Ich hab mich glaube ich bei Rob angesteckt. Aber egal, lasst uns proben!"





„Mike?" Der Angesprochene blieb vor dem Haus stehen und drehte sich um, um auf das Nesthäkchen der Band zu warten, das nun die wenigen Meter zu ihm lief, vom Vorgarten auf den Gehsteig hinaus, wie immer den vollgepackten Rucksack mit den Drumsticks am Rücken und sein Skateboard unter dem Arm.

„Was gibt's denn?" Verwundert blickte er Rob an, der damit beschäftigt war, sich mit der freien Hand die Frisur wieder einigermaßen in Ordnung zu bringen. Sahen seine dunklen Strähnen nach einer Probe doch meist mehr als nur chaotisch aus.

„Ist alles in Ordnung?" Er legte seinen Kopf schief und sah Mike fragend an, der einen Moment abwog, ob er dem Schlagzeuger die ganze Wahrheit erzählen sollte. Denn auch wenn ihn der Junge um einiges überragte hatte er doch das Gefühl, als wäre Rob sein kleiner Bruder, den er um jeden Preis beschützten musste.

„Ich habe da jemanden getroffen", begann er schließlich zögerlich, hatte sein stilles Wesen doch etwas an sich, das es einem leicht machte, sein Herz auszuschütten. Vor allem, da er einfach nur aufmerksam zuhören würde, nicht urteilen, höchstens einen Ratschlag gab, wenn er denn einen wusste. Ein weiterer Grund, warum Mike so leicht vergaß, wie jung Rob eigentlich noch war, dass er als Schüler praktisch noch in einer ganz anderen Welt lebte. Und trotzdem, der Schlagzeuger war bereit, ihm ein offenes Ohr zu schenken und er musste sich etwas von der Seele reden, ohne gleich mit Mutmaßungen überschüttet zu werden, wie es etwa bei Chester der Fall wäre. Oder noch schlimmer, mit falschen Schlüssen.

„Wen?" Er ließ sein Skateboard auf den Boden fallen und setzte sich darauf, während Mike vor ihm hin und her ging, versuchte, Fakten von Theorien zu trennen.

„Eine Studentin. Sie...Joe, ich komme gleich nach!", rief er dem DJ zu, der beiden eine Daumen hoch als Antwort gab, verstand er doch, dass sie offensichtlich in ein wichtiges Gespräch vertieft waren. „Sie hat mein Handy kaputt gemacht und mir ein neues gekauft, aber das ist nicht das Problem."

„Sondern?" Er warf ihm einen kurzen Blick zu, ehe er sich wieder daran machte, die Gläser seiner Brille mit dem Saum des dunklen Sweaters, dessen Ärmel ein wenig zu kurz waren, als dass er ganz hätte darin verschwinden können, zu putzen.

„Sie ist ein wandelndes Skelett, Rob. Ich hab noch nie einen Menschen gesehen, der so dünn..." Er schluckte das letzte Wort zusammen mit dem Kloß in seinem Hals hinunter, blickte einen Moment zu Boden, ehe er mit seinen Schilderungen fortfuhr, brauchte er sich doch nicht zu erklären, seine Bandkollegen verstanden ihn in solchen Situationen auch ohne Worte. „Ich bin mir sicher, dass irgendetwas nicht mit ihr stimmt. Vor allem, weil sie heute ihr Mittagessen weggeschmissen hat. Ist wahrscheinlich magersüchtig."

„Und du weißt nicht, was du jetzt tun sollst." Nachdenklich stützte der Junge seinen Kopf auf den Händen ab, ordnete Mikes Schilderungen in eine weitere Akte in seinem Kopf, eine weitere Akte, die sich im Laufe der Zeit füllen würde, hatte er doch eine gewisse Vorahnung diesbezüglich.

„Genau", nickte Mike unterdessen langsam, auch wenn ihm bewusst war, dass es keine Frage gewesen war, die Rob ihm gestellt hatte. Vielmehr hatte er ihm dabei helfen wollen, seinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen, wusste er doch nach all den Jahren, dass der Rapper nicht immer der beste war, wenn es darum ging, seine eigenen Gefühle und Gedanken abseits von Songtexten auf den Punkt zu bringen.

„Ich glaube, mehr als abwarten kannst du im Moment ohnehin nicht." Gähnend erhob er sich, im Gedanken an die kurze Nacht, die ihm bevorstand. Ein paar Stunden Schlaf, wenn überhaupt, dann musste er wieder in der Klasse sitzen. Aber seinen Freunden ging es nicht anders, also würde er sich nicht beschweren, war lieber das Bandmitglied, das nur hinter dem Schlagzeug hellwach war. „Gute Nacht, Shinizzle."

Ein kurzer Handschlag und damit war er auch schon in der Nacht verschwunden, ließ Mike alleine mit seinen Gedanken zurück. Denn auch wenn er einsah, dass Rob Recht hatte und ihm im Moment die Hände gebunden waren, er mochte das Gefühl nicht, darauf warten zu müssen, bis etwas passierte.

Noch etwas.

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