Chapter Thirty-Three

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„Danke, Danke, Danke!" Chester verbeugte sich theatralisch nachdem der letzte gewaltvolle Schrei des Abends verhallt war und das kleine Publikum ihm und dem Rest der Band Beifall leistete, auch wenn Elisa und Linsey es vermutlich eher aus Pflichtbewusstsein als aus Begeisterung taten, war Anna doch zum Schluss gekommen, dass die beiden vermutlich jeden einzelnen Song in- und auswendig kennen mussten. Aber für sie waren die Texte und Melodien magisch, hatten noch das eine oder andere Mal eine Träne über ihre Wange kullern lassen. Und immer dann hatte Mike zu ihr gesehen, als ob er die Gefühle am eigenen Leib spüren könnte, die in ihrem Inneren brodelten, und hatte ihr mit einem kurzen Blick vermittelt, dass er sie im Arm halten und trösten würde, wäre er nicht gerade hinter seinem Instrument. Und sie hatte ihm mit einem zaghaften Lächeln versichert, dass seine Nachricht angekommen war, dass sie seine Umarmung auch so spüren konnte, und dass es keine schlechten Tränen waren, die sie an diesem Abend vergoss. Vielmehr waren es Tränen, von denen sie nicht gewusst hatte, dass sie in der Lage war, sie noch zu weinen, nach allem, was geschehen war.

Aber nicht nur Mike hatte sie mit kleinen Gesten zu trösten, aufzuheitern versucht, auch der Rest der Gruppe hatte klar gemacht, dass sie sich um sie sorgten, für sie da sein wollten, auch wenn sie Anna erst vor einer guten Stunde zum ersten Mal getroffen hatten. So warfen ihr die Anderen ebenfalls mitfühlende Blicke zu, oder streckten wie Joe einen Daumen nach oben, mit einem schiefen Grinsen im Gesicht. Linsey hingegen bewies noch einmal, dass sie nichts von Distanz hielt und nahm sie deswegen an Mike Stelle in die Arme, während Elisa ihr nur stumm Taschentücher reichte, von denen sie einen niemals enden wollenden Vorrat zu besitzen schien.

Und dann gab es noch Chester und Rob, die sie mit einem solchen Verständnis ansahen, dass sie sich nur wundern konnte, was in ihren Köpfen vor sich ging. Was hinter den dunklen Augen steckte, in denen so viel Traurigkeit und zugleich Weisheit zu liegen schien. Es waren die Augen von zwei Menschen, die Dämonen gesehen hatten, gegen sie gekämpft hatten. Oder es noch immer taten, so genau wollte sie sich in ihrer Einschätzung nicht festlegen, da sie selbst am besten wusste, was der Mensch in der Lage war vor der Welt zu verbergen. Wie gut die Zerbrochenen darin waren, so zu tun, als könnte man die Trümmer einfach wieder zusammensetzen und die Bruchstellen versiegen lassen. Auf diesen Weg den Schein der Perfektion wahrten.



„Das war wirklich großartig", erklärte Anna schließlich mit einem breiten Lächeln im Gesicht, wischte sich dabei verstohlen die letzten Tränen aus dem Augenwinkel. „Danke, dass ich dabei sein durfte."

„Kommst du morgen wieder vorbei?" Das Schlagzeug, hinter dem er sich verstecken konnte, schien Rob das nötige Selbstvertrauen zu verleihen, um die Frage zu stellen, die seit vorhin im Raum zu hängen schien. Er versuchte, seine Haare, die vom Spielen in alle Richtungen abstanden, ein wenig zu bändigen, suchte dabei die Umgebung nach seiner Brille ab, wie sie im ersten Moment vermutete.

„Wenn ich denn darf?" Der kleine Moment, die kleine Stille vor ihrer Antwort hatten ausgereicht, um seine Worte noch einmal in ihrem Kopf abzuspulen, die Stimmlage und Körpersprache genauer zu analysieren, als sie es zunächst getan hatte. Er war nicht neugierig, wie sie anfangs gedacht hatte, er war vielmehr nervös und war deswegen ihrem Blick ausgewichen. Etwas, das außer ihr offenbar niemandem aufgefallen war, oder zumindest ließen sich die anderen in ihrer Euphorie nicht bremsen.

„Klaro!" Dave ließ sie kaum den Satz beenden, da gab er ihr auch schon seine Zustimmung. Eine Einstellung, die auch seine Freundin mit ihm teilte, die Anna vermutlich sowieso längst als fixen Bestandteil der Gruppe ansah.

„Du musst un-be-dingt wiederkommen!"



Schmunzelnd betrachtete Mike, wie Linsey auf Anna einredete, sie dabei an den Oberarmen gepackt hatte, als würde sie sonst auf einmal verschwinden. Und ihm entging nicht, dass Anna das Ganze lächelnd über sich ergehen ließ, sogar so wirkte, als würde sie ihren Enthusiasmus wirklich lustig finden. Darüber hinaus war sie bei Weitem nicht mehr so angespannt wie noch vor guten zwei Stunden, als sie sich noch an allem festgeklammert hatte, was in Reichweite war. Nun aber hatte sie eine entspannte Körperhaltung eingenommen, wie sie es sonst nur tat, wenn sie sich mit ihm und Joe beim Mittagessen unterhielt. In den Momenten, in denen sie sich sicher genug fühlte, um einfach nur sie selbst zu sein, wie er langsam zu realisieren begann. Und mit diesem Gedanken war zudem das Wissen verknüpft, dass er sich nicht getäuscht hatte und sie wirklich seine Nähe und Freundschaft suchte, ihn suchte.

„Na Mikey, an was denkst du?" Natürlich hatte es Chester wieder einmal geschafft, ihn im ungünstigsten Augenblick zu ertappen und nun mit einem hinterhältigen Grinsen anzusehen, einen Arm um seine Schulter gelegt, sodass sie sich flüsternd unterhalten konnten. Was aber nicht nötig gewesen wäre, da die anderen sich ums Sofa versammelt hatten und munter vor sich hin plauderten, oder einfach nur Komplimente von Anna bekommen wollten, je nachdem.

„Gar nichts?", versuchte er es wieder einmal, auch wenn er bestens wusste, dass dies nur eine der vielen falschen Antworten war, die er Chester auf diese Frage geben konnte. Eine Frage, auf die es genau genommen keine richtige Antwort gab, wenn er so darüber nachdachte, während sich seine Wangen dezent rot färbten, sich scheinbar mit seinen Haaren konkurrieren wollten.

„Tolles Mädchen, muss ich schon sagen", fuhr Bennington deswegen unbehelligt fort, klopfte ihm lediglich lachend auf den Rücken, da er genau wusste, wie er am besten mit Mike spielen und ihn aufziehen konnte. „Glatter Volltreffer, würde ich sagen."

„Chaz, bitte!", zischte er dem Sänger zu, der zu seiner Überraschung aber nicht wieder in Gelächter ausbrach, sondern ihm nur einen wissenden Blick zuwarf. Der Blick, den er so sehr schätzte wie er ihn fürchtete, da er genau wusste, dass sein Freund ihm nun einen ernstgemeinsten Ratschlag erteilen würde.

„Du wirst um sie kämpfen müssen, Mike, so sehr wie nie zuvor." Nach all der Zeit, die sie zusammen verbracht hatte, verstand er immer noch nicht ganz, wie er es schaffte, in solchen Momenten die Weisheit der gesamten Welt in seinen Blick zu legen, seinen Augen eine solche Tiefe zu verleihen, als würde sich das ganze Universum in dem dunklen Braun widerspiegeln. „Aber glaub' mir, Anna ist diese eine Person für dich, für die es sich wirklich lohnt zu kämpfen."

„Chaz, ich weiß nic-", fand er schließlich nach einem Moment, in dem die Worte zwischen ihnen gehangen waren, seine Stimme wieder, auch wenn sie nicht mehr als ein Flüstern war und er genau wusste, dass die Probe, bei der er sich wie immer die Seele aus dem Leib geschrien hatte, nicht Schuld daran war.

„Abmarsch Kinder! Zeit, dass Onkel Chester euch nach Hause bringt!", fiel er ihm ins Wort und war binnen Sekunden wieder die Fröhlichkeit in Person, während er sich zu den anderen gesellte und Mike sprachlos zurückließ, so tat, als hätte er nie die Worte zu ihm gesagt, die noch lange in seinem Kopf nachhallen würden.

Anna war sein Jemand, für den es sich für ihn zu kämpfen lohnte.

Break the Cycle |Linkin Park|Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt