Chapter Twenty-Six

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„Guten Heimweg, Jungs!" Linsey winkte ihnen von der Tür aus zu, ehe sie wieder ins Innere verschwand, da es Anfang November und mitten in der Nacht auch in Kalifornien ziemlich kalt werden konnte.

„Ich frag mich ja, warum sie noch immer eine eigene Wohnung hat." Kopfschüttelnd überlegte Joe laut vor sich hin, während Mike und Rob nur mit einem Murren und Schulterzucken antworteten. Die Probe war nicht unbedingt nach ihren Wünschen verlaufen, war das jüngste Bandmitglied doch irgendwie unaufmerksam gewesen und hatte mehr Fehler gemacht, als sie es von ihm gewohnt waren. Und so schämte er sich nun dafür, während er neben dem Perfektionismus in Menschengestalt herlief und hoffte, dass Mike und die anderen ihm nicht böse waren.

„Aber was weiß ich schon von solchen Dingen." In Momente wie diesen war Rob besonders froh, dass Leute wie Joe und Dave zu seinen Freunden zählen, die wohl sogar dann noch schlechte Witze reißen würden, wenn sie einem den Kopf abreißen wollten. Mit ihrem schrägen Humor nicht zuließen, dass die schlechte Stimmung die Überhand gewann und damit sogar meistens Erfolg hatten. Nur gegen Dämonen konnten sie nicht ankommen, aber das konnte ohnehin keiner von ihnen, so ungern sie sich das auch eingestanden.

„Apropos Frauen, ich muss dich und Anna morgen alleine bei eurem Candlelight-Dinner lassen." Joe boxte Mike, der nur einen genervten Laut von sich gab, gegen den Oberarm. „Du weißt schon, Übung."


„Ich werde ihr liebe Grüße von dir ausrichten." Eigentlich hatten die beiden seine schlechte Laune nicht verdient, aber er konnte sich in dem Moment einfach nicht helfen, gingen ihm die andauernden Sticheleien doch gehörig auf die Nerven, vor allem nach einer Probe, bei der seiner Meinung nach einfach alles schief gelaufen war. Und jetzt musste er wie jeden Tag eine halbe Ewigkeit zur Bushaltestelle gehen, um dann mindestens genauso lange auf den Bus der Nachtlinie warten, die natürlich nicht die Haltestelle neben dem Hauptquartier einschloss. Dafür aber wenigstens die bei der Wohnung.

„Danke." Joes Antwort war in demselben sarkastischen Tonfall gehalten, während Rob sich nun gezwungen fühlte, den aufkeimenden Streit zu verhindern. Zwar würde er sich bei der Haltestelle von ihnen verabschieden aber er wollte nicht unbedingt, dass sie den Rest des Tages diskutierten, vor allem, da er Schuld an der schlechten Laune von Mike war. Etwas, worüber er sich noch ein paar Gedanken machen würde, das wusste er jetzt schon.

„Huh, ihr trefft euch beim Essen? Hast du nicht gesagt, dass Anna so dünn wie ein Skelett ist?" Eine Beschreibung, die ihn damals wirklich getroffen hatte, obwohl er genau Bescheid gewusst hatte, sich besser auskannte, als es Mike tat. Noch.


„Ein Skelett mit gesundem Appetit", versicherte ihm Joe sogleich, ehe Mike laut über die Worte, die er erst vor ein paar Tagen gesagt hatte, nachzudenken begann. Kaum glauben konnte, wie viel sich seitdem verändert hatte.

„Also magersüchtig ist sie sicher nicht, mit der Aussage habe ich ihr ganz schön was unterstellt." Auch wenn sie ihn nicht gehört hatte schämte er sich nun ein wenig für diese Anschuldigung hinter ihrem Rücken. „Aber theoretisch könnte sie irgendeine andere Essstörung haben, weil sie ist ja wirklich viel zu dünn."

„Oder sie hat einfach einen guten Stoffwechsel", warf Joe scherzhalber ein, auch wenn Mike genau wusste, dass sein Freund mit ihm einer Meinung war. Immerhin war ihm nicht entgangen, dass auch er Anna in den letzten beiden Tagen besorgt angesehen hatte, solange nicht der letzte Bissen Essen von ihrem Teller verschwunden war.

„Ja klar." Mike schüttelte seinen Kopf. „Oder sie ist verdammt gut darin, ihre Krankheit zu verstecken."

„Könnte auch sein. Aber so wie ich dich kenne, wirst du da schon noch dahinter kommen."

„Weiß nicht." Auch wenn er sich wünschte, dass Joe Recht hatte, dass Anna ihm eines Tages genug vertrauen würde, um ihre Sorgen und Ängste mit ihm zu teilen, wirklich ehrlich mit ihm zu sprechen, fürchtete er diesen Moment zugleich. Weil er genau wusste, was er dann zu tun hatte.

„Wollen wir wetten?" Joe hielt ihm eine Hand hin, wartete nur darauf, dass Mike auf sein Angebot einging und er in näherer Zukunft um ein paar Dollar reicher war.

„Nein danke", winkte er ab, ehe er einen Blick auf die Uhr warf, sich versicherte, dass sie den Bus nicht verpasst hatten. Wobei ihm auf einmal etwas auffiel, jetzt, wo er einen Moment nicht Joes Geplapper zuhörte. Rob lief wie so oft schweigend neben ihnen her, aber er hatte seinen Blick abgewandt, schien nicht wirklich darauf zu achten, ob sie jetzt da waren oder nicht. Vermutlich wäre es ihm nicht aufgefallen, wenn er und Joe einfach stehen geblieben wären, wäre auch ohne sie stur weitergegangen. Mike wusste, dass ihn die vermasselte Probe belastete, aber sein Gefühl sagte ihm, dass mehr dahintersteckte.

„Alles okay, Bourdie?" Immerhin war seine nicht vorhandene Konzentration der Grund dafür gewesen. Heute schien der Schlagzeuger im Kopf wo anders zu sein, was in letzter Zeit etwas zu oft für seinen Geschmack vorkam. Aber er wusste genau, dass Rob sich ihnen erst öffnen würde, wenn er bereit dazu war und hoffte inständig, dass ihn in diesem Moment, das, was ihn immer mehr zu schlucken begann, nicht bereits unwiederbringlich zerstört hatte.

„Klar." Mike hatte gewusst, wie die Antwort ausfallen würde, hatte nicht damit gerechnet, heute eine Erklärung zu bekommen. „Bin nur müde."

„Na dann, gute Nacht." Wie so oft verabschiedeten sie sich an der Bushaltestelle voneinander, ab hier würde Rob den restlichen Weg alleine antreten müssen und so sprang er wie immer auf sein Skateboard und winkte ihnen ein letztes Mal zu, ehe er hinter der nächsten Straßenecke verschwand.


„Schlaf gut, Bourdie." Beinahe hätte er über Joes Worte, die nun in seinen Ohren nachklangen gelacht, war ihm doch klar, dass er in dieser Nacht kein Auge zu tun würde, sich bis in den frühen Morgenstunden in seinem Bett herumwälzen würde. Im Gedanken daran, was in seinem Kopf passierte, all die Dinge, über die er immer mehr die Kontrolle verlor. Er wusste nicht, warum es ihm in letzter Zeit so schwer fiel, sich zu konzentrieren, warum er nicht mehr schlafen konnte. Warum er immer und immer wieder zu seinem Geheimmittel griff. Eine kleine Tablette, das einzige, was ihm mittlerweile noch erlaubte, ein paar Stunden zu schlafen, zu vergessen, wie viel Leid am nächsten Tag auf ihn warten würde. Leid, dass er schier nicht mehr ertragen konnte, etwas brauchte, das den Schmerz linderte, der von seinem Herzen aus den ganzen Körper in seine Herrschaft nahm.

Und vielleicht, ganz vielleicht, war das die Wurzel alles Übels. Ein Teufelskreis, aus dem er nicht entkommen konnte, keinen Ausweg sah. Immer tiefer und tiefer in ein schwarzes Loch gezogen wurde, dass ihn im Endeffekt zerreißen würde.

Break the Cycle |Linkin Park|Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt