Chapter Seventy-One

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„Leute, kommt mal alle her." Mike streckte seine Arme in Richtung seiner Freunde aus, die nervös in dem kleinen Raum auf und ab rannten, in den sie vor wenigen Minuten geführt worden waren, nachdem die Aufbauarbeiten abgeschlossen waren und es nur noch darauf zu warten galt, dass ein Angestellter des Labels sie abholte und zurück in den Raum führte, in dem das Schicksal der Band entschieden werden würde.
„Ich weiß", begann er schließlich, als sie sich alle in einem Kreis versammelt und die Arme umeinander gelegt hatten, „dass wir das heute schaffen können und ich denke, das wisst ihr auch." Ein zustimmendes Murmeln ging durch die Runde, ehe er wieder das Wort ergriff. „Ihr seid die talentiertesten und vor allem am härtesten arbeitenden Musiker, die ich kenne und ich bin davon überzeugt, dass diese Leute das merken werden. Aber wir haben nur eine Chance, ihnen genau das zu beweisen. Also, wir werden da jetzt rein gehen und so gut spielen, wie wir es noch nie getan haben, einverstanden?"
„Ja!", stimmten ihm die anderen nun lauthals zu, ehe Chester, der nicht mehr ruhig stehen konnte und von einem Bein auf das andere sprang, das Wort übernahm.
„Wir werden denen jetzt mal zeigen, was richtige Musik ist!", verkündete er enthusiastisch, einen Moment, bevor sich die Tür öffnete und ihnen der Praktikant, der sie auch schon hierhergebracht hatte, mit einem Nicken bedeutete, dass sie nun erwartet wurden.

„Na dann." Mike klopfte jedem seiner Freunde noch einmal auf die Schulter und nickte ihnen zu, ehe sie in den Raum traten, in dem sich die Menschen versammelt hatten, die über ihre Zukunft entscheiden würden. Und auch wenn Mike wusste, dass sie alle ihr Handwerk beherrschten, auch wenn er sich sicher fühlte, als er sein Mikrophon in die Hand nahm und mit dem Daumen über die glatte Oberfläche strich, während sich die Abgesandten des Labels kurz vorstellten, es konnte immer noch etwas schief gehen. Vor allem Rob machte ihm Sorgen, da der Junge wie weggetreten wirkte und an diesem Morgen nicht wie üblich auf allem das in Reichweite war herumgetrommelte hatte, sondern die meiste Zeit über wie versteinert dagesessen war, den verletzten Arm an seinen Körper gepresst. Trotzdem hatte er ihm versichert, dass er in der Lage war zu spielen und Mike wusste, dass er ihn nicht davon abhalten konnte, das hatte er am vorherigen Abend mehr als nur deutlich gemacht. Seine Hoffnung war also, dass Rob zumindest zwei oder drei Songs lang durchhielt und dabei nicht allzu viele Fehler machte, da ihnen Brad verraten hatte, dass sich das Label lediglich einen ungefilterten Eindruck von den musikalischen Fähigkeiten machen wollte und der Rest eher wie ein typisches Bewerbungsgespräch ablaufen würde.

„Guten Morgen allerseits!", begrüßte Chester die Jury und strahlte dabei übers ganze Gesicht, sodass sich Mike nur schwer ein Grinsen verkneifen konnte, wirkte er doch mit seiner ansteckenden Fröhlichkeit beinahe so, als würde er sich für den neuesten Disney Film bewerben und nicht in wenigen Momenten unter Beweis stellen, wie talentiert er darin war, seinen Dämonen eine Stimme zu verleihen.
„Guten Morgen meine Herren", begrüßte sie das einzig bekannte Gesicht im Raum, Brads ehemaliger Vorgesetzter Jeff, der ihnen wohl von allen Anwesenden am freundlichsten gesandt war, begegneten ihnen die anderen doch mit deutlich skeptischeren Blicken oder wirkten überhaupt so, als würden sie nicht in diesem Raum sitzen wollen. Das waren eindeutig die Menschen, die jetzt schon ihre Entscheidung getroffen hatten, die sie einfach nach ihrem Äußeren beurteilt hatten und die wohl unmöglich davon zu überzeugen waren, dass sie eine der besten neuen Bands Amerikas vor sich hatten.
Aber wenn es jemanden gab, der das Unmögliche möglich machen konnte, dann waren es er und seine fünf besten Freunde, die auf ein Nicken des Mannes, der offenbar das Sagen hatte, hin nach und nach den Raum mit Tönen und Rhythmen füllten, den Song begannen, auf den sie sich letzten Endes geeinigt hatten. Carousel.

Zuerst Joe und Chester, leise und sanft, als Kontrast zu dem, was wenige Augenblicke später folgte, als Mike und der Rest der Band einsetzten. Er den ersten Worten Leben einhauchte und die gesamte Nervosität mit einem Schlag von ihm fiel. Er stand hier, zusammen mit den Leuten, die ihn unbesiegbar machten. Und sie alle gaben mehr als nur ihr Bestes, vor allem Rob, der absolut fehlerlos spielte, so, als hätte er sich nie verletzt.

„Darf ich Sie fragen, was Sie inspiriert hat, dieses Stück zuschreiben?" Ohne auch nur zu warten, bis der letzte Ton verklungen war oder den Ansatz einer Reaktion zu zeigen, wurde ihnen auch schon die erste Frage aus dem Publikum entgegengeworfen, von der Mike wusste, dass Chester derjenige war, der sie am besten beantworten konnte. Und sein Freund verstand ihn, auch ohne Worte, räusperte sich lediglich einmal, ehe er mit derselben Emotionalität, mit der er eben gesungen hatte, einen Einblick in die Seele des Liedes gab.
„Wir alle haben unsere persönlichen Kämpfe im Leben auszutragen, aber manche von uns trifft das Schicksal oft härter als andere. Und während einige an Herausforderungen wachsen, gibt es auch jene, die in eine Abwärtsspirale gezogen werden, die sich immer weiterdreht, wie es eben ein Karussell tut. Nur, dass es in diesem Fall das Leben ist, dass die Drehung am Laufen hält", erklärte er ihnen, wie es für manche schier unmöglich war, diesem Teufelskreis aus eigener Kraft zu entkommen, also vom Karussell abzuspringen und es bedauerlicherweise auch jene gab, die erst frei waren, wenn das Leben zu einem abrupten Halt kam. Einen Teil übersprang er aber in seiner Erläuterung, zu dem nun aber Mikes Gedanken wanderten, als Chester noch weiter darauf einging, wie sie die Musik nutzen, um ihre Texte zu unterstützen.

Fly with me under the wings I gave you
Try to be closer to me and I'll save you

Er selbst hatte diese Worte geschrieben, damals lediglich als die Stimme der Hoffnung in einem ansonst so negativen Lied gedacht, doch nun erhielten sie eine ganz andere Bedeutung, fand er sich doch selbst in ihnen wieder. Immerhin hatte er Anna dabei geholfen, ihre Freiheit zu erlangen und sie, sosehr er sich anfangs dagegen gewehrt hatte, unter seine Fittiche genommen, wenn auch in dem Wissen, dass sie eines Tages nicht mehr auf seine Hilfe angewiesen sein würde.
Andererseits fragte er sich nun aber auch, was sie in dem Moment wohl machte. Ob sie noch schlief um nach den Ereignissen des Vorabends zu neuen Kräften zu kommen oder ob sie bereits wach war und die Nachricht gefunden hatte, die er ihr hinterlassen hatte. Weiter konnte er allerdings nicht darüber nachdenken, da ihnen mit einem weiteren Nicken bedeutet wurde, dass die Abgesandten des Labels fürs Erste genug Interpretation gehört hatten und ihnen nun der Sinn wieder nach etwas Musik stand.

Und so begannen sie den Song, den sie gewählt hatten, um unter Beweis zu stellen, dass sie mit Chester einen Sänger hatten, der in der Lage war, seine Stimme je nach Belieben anders klingen zu lassen und damit jedem Vers das gewisse Etwas verleihen konnte. And One, das Lied, von dem Mike hoffte, dass er nicht darum gebeten wurde es zu interpretieren. Denn auch, wenn man den Text wieder universell sehen konnte, die Worte, die er schon beinahe ins Mikrophon brüllte, bei denen er das Loch in seinem Herzen noch deutlicher spürte als sonst, wollte er niemandem erklären müssen.

Breaking a part of my heart to find release
Taking you out of my blood to bring me peace

Er wollte niemandem erklären müssen, dass er eine Lüge leben musste um überhaupt leben zu können.



„Was unterscheidet Sie von den anderen Bands, die solche Themen behandeln?" Rob nahm die nächste Frage an Chester nur noch am Rande wahr, hatte er doch das Gefühl, jeden Moment von seinem Hocker zu kippen. Schmerzmittel und Eis, das alles war nutzlos, wenn er mit all seiner Kraft auf die Trommeln und Becken vor sich eindrosch, bei jeder einzelnen Bewegung ein stechender Schmerz durch sein Handgelenk fuhr, der ihn beinahe dazu brachte aufschreien und die Sticks fallen zu lassen.
Aber er biss die Zähne aufeinander und spielte weiter, auch dann, als er sich aus Versehen in die Wange biss und Blut in seinem Mund schmeckte, ihm vor Schmerzen Tränen in die Augen traten. Umklammerte das Holz in seinen Händen noch ein wenig fester, als es galt, das nächste Lied zu spielen, bei dem es die Intensität von Mikes Versen war, die ein beinhartes Tempo vorgab, das er einzuhalten hatte, war er es doch, auf den sich die Band verließ, derjenige, der sie alle mit seinem Rhythmus zusammenhielt.
Er wusste genau, dass er nach diesem Auftritt pausieren würde müssen, im schlimmsten Fall sogar mehrere Wochen ausfiel, aber dies alles ignorierte er in diesem Moment, sondern spielte, wie er es noch nie zuvor getan hatte. Dies war seine einzige Chance, den Teufelskreis zu durchbrechen, in dem er gelandet war, dies war seine einzige Chance, vielleicht eines Tages doch noch glücklich zu werden, fern von alle dem, was ihm jeden Tag ein weiteres Stück seiner Seele raubte.

You can live if you're willing to
Put a stop to just what's killing you

Dies war seine einzige Chance und deshalb würde er dem Schmerz nicht klein beigeben, sondern spielte stattdessen um sein Leben.

Authors Note
Ich hoffe es ist die richtige Version online, zwischen einem nicht funktionierenden Internet, Handy und Laptop hat mich wattpad nämlich alles andere als lieb.

Break the Cycle |Linkin Park|Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt