Chapter Eighty-Eight

78 7 5
                                    

Bunte Farben. Formen in der Dunkelheit, die sich nicht eindeutig zuordnen ließen. Lärm, der von überall und nirgendwo zu kommen schien. Ein wenig kam sich Anna vor, als hätte wäre sie in einem Fiebertraum gefangen, während sie sich durch die tanzende Menge bewegte, immer auf der Suche nach feuerroten Haaren und deren Besitzer. Oder sich vielmehr von den Menschen um sich herum tragen ließ, wie ein Wassertropfen im Meer, hatte sie doch nicht die geringste Chance, ihren eigenen Weg durch den Raum zu finden, sondern musste sich vielmehr damit zufrieden geben, langsam von einem Ende zu anderen geschubst zu werden.

Dabei hatte sie gedacht, der Club, in dem das Konzert stattgefunden hatte, war voll gewesen. Natürlich, sie hatte die Bar als Schutz hinter sich gehabt und war damit nicht wirklich in der Menge gewesen. Eine Tatsache, für die sie vor allem in dem Moment dankbar gewesen war, als Chester die Zuseher dazu aufgefordert hatte, im Takt der Musik zu springen und es damit geendet hatte, dass sich ein kleiner Kreis gebildet hatte, in dem sich die Menschen gegeneinander geworfen und wild herumgerannt waren. Offenbar völlig normal, wie Elisa ihr erklärt hatte.

Vermutlich hatte sie das Wohnzimmer bereits mehr als einmal durchquert - jegliche Orientierung in dem Raum war für sie absolut unmöglich geworden - als sie es endlich zum DJ-Pult schaffte, hinter dem Joe wie ein König thronte. Und sich zu ihrer Erleichterung in Mikes Gesellschaft befand, dessen Lächeln noch ein wenig breiter wurde, als die Menge sie endlich vor ihm ausspuckte.


„Willkommen zurück", half er ihr dabei, zu ihnen hinter den Tisch zu klettern, wo sie zum ersten Mal seitdem sie den Raum betreten hatte mit beiden Beinen fest am Boden stehen konnte. Was allerdings nicht bedeutete, dass die Welt aufhörte leicht unter ihr zu schwanken. Selbst nicht, als sie einen bösen Blick nach unten warf, den Mike mit einem kurzen Lachen zur Kenntnis nahm. „Was hat Linsey mit dir angestellt?"

„Mir gutes Zeug gegeben", erklärte sie lautstark, ehe sie Mike kurzerhand seinen Becher entwendete und sein Getränk verkostete, nur um Sekunden später das Gesicht zu verziehen. Nun zu ihrem Leidwesen wusste, warum Elisa die Getränke der Jungs mit Reinigungsmittel verglichen hatte. „Grauenvoll! Wie kannst du das nur trinken?"

„Ach komm, so schlimm ist es nicht!", leerte Mike demonstrativ den Rest des Bechers in einem Zug. Und auch wenn es dunkel im Raum war, so war es eben nicht dunkel genug, als dass Anna sein kurzes Stirnrunzeln entging. Sie konnte es sich deshalb nicht verkneifen, ihn so lange mit schiefgelegtem Kopf anzustarren, bis er sich schließlich geschlagen gab und auf seinen Freund und die Flaschen, die Joe neben seinem DJ-Equipment hortete, deutete. „Etwas stark gemischt vielleicht. Joe ist ein toller DJ, aber ein miserabler Barkeeper."

„Oder er ist darauf aus, dich möglichst schnell betrunken zu machen!", warf sie ein, genervt davon, dass sie schreien musste, um sich mit ihm unterhalten zu können und trotzdem nur die Hälfte der Worte verstand. Weshalb sie beschloss, sich neben Mike an die Wand zu lehnen, noch einen Schluck aus seinem Becher zu nehmen, sobald dieser wieder mit dem Gemisch aus Energydrink und Alkohol befüllt war, und fürs Erste dabei zuzusehen, wie die Menschen sich zur Musik bewegen. Sie alle hatten zwar kaum Platz, taten nicht viel mehr, als auf der Stelle auf und ab zu springen und waren mindestens so betrunken wie sie es zweifelsohne war, aber alles in allem wirkten sie glücklich. Erweckten eine ungeahnte Sehnsucht in ihr, sich ihnen gemeinsam mit Mike anschließen zu können.


„Willst du tanzen?" Verloren in ihren Wunschträumen zuckte sie zusammen, als Mike ihr plötzlich auf die Schulter tippe und schließlich fast schon schüchtern eine Hand entgegenhielt. „Ich denke, Joe kann das hier auch ein paar Minuten ohne uns handhaben."

„Ich weiß nicht", waren ihre Zweifel einen Moment schneller als der Alkohol, der diese wieder beiseiteschob, sie an ihre Fantasien erinnerte und sie schließlich enthusiastisch Nicken ließ. „Ich kann es zwar nicht, aber okay." Trotzdem umklammerte sie Mikes Hand ein wenig fester als notwendig, als sie ihm in die Menge folgte, aus Angst davor, von ihm getrennt zu werden. Aber nicht etwa, weil sie ihn nicht wiederfinden würde oder nicht allein sein wollte. Sondern weil sie sich in Sicherheit fühlte, solange er ihre Hand in seiner hielt. Spürte, wie sich von dort aus eine wohlige Wärme in ihren ganzen Körper ausbreiten. Und in dem Moment, in dem einer von ihnen losließ, würde diese Wärme wieder der Kälte der Realität Platz machen müssen.

Break the Cycle |Linkin Park|Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt