24 - Wake me up when it's all over

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Es war Nacht, als Ruby erwachte. Dunkel und still lag der Raum da. Sie konnte leere Betten im Mondschein sehen und ein Licht weiter hinten, ein weißer Wandschirm versperrte ihr die Sicht. Neben ihr auf einem Stuhl saß jemand, er war eingeschlafen, den Kopf auf ihrem Bett in den Armen vergraben. Sie konnte dunkles, kurzes Haar sehen. Edward? Alec? Sie blinzelte den Schlafenden gedankenverloren an und beschloss, ihn nicht zu wecken.

Ruby schob die Decke beiseite und schwang ihre Beine aus dem Bett. Ihr wurde schwindlig, als sie aufstand und sie musste sich einen Moment lang festhalten, bis sie wieder klar sehen konnte. Es war kühl im Raum, jemand hatte sie ausgezogen und sie trug nur noch ihren Slip und ein Tank Top. Ihre Sachen waren fort, bis auf ein Paar Jeans, das auf dem gegenüberliegenden Bett lag.

Plötzlich fühlte sie sich so erschöpft, dass sie sich zwingen musste, die Hose anzuziehen. Sie durfte jetzt nicht schlafen. Sie hatte schon genug Zeit verschwendet, indem sie hier lag und sich ausruhte. Erstmal musste sie Victor finden und ihre Mutter. Bevor es vielleicht zu spät war. Jede Bewegung war eine Qual, als sie sich am Bett vorbei schob. Der kalte Boden schmerzte unangenehm an ihren nackten Füßen.

Hinter dem Wandschirm lag ihre Mutter im gedämpften Licht einer Nachttischlampe. Sie sah so zerbrechlich und jung aus mit ihren blassen, eingefallenen Wangen, dass Ruby sie kaum wiedererkannte. Die Decke über ihrem Bauch wölbte sich. Clary hatte selbst im Schlaf ihre Hände schützend darübergelegt. Ihre Brust hob und senkte sich gleichmäßig. Die Erleichterung ließ Ruby zittern und sie musste sich festhalten. Ihre Mutter lebte und das Baby lebte auch.

"Du bist wach", sagte jemand und sie zuckte zusammen. Ihre Finger schmerzten, so fest umklammerte sie den Bettrahmen. Ihr Vater stand auf und die Schatten warfen scharfe Kanten in sein abgespanntes Gesicht. Langsam löste sie die Umklammerung, damit er nicht sah, wie viel Kraft es sie kostete, hier zu stehen. Als sie ihn näher betrachtete, wurde ihr klar, dass er es vermutlich gar nicht merken würde. Er sah müde aus, aber nicht so, als hätte er bis eben geschlafen. Eher so, als wäre er seit Tagen wach.

Tage. Hatte sie so lange geschlafen? Ihr Herz krampfte sich vor Angst zusammen, aber sie zwang sich, ruhig zu bleiben. "Hey Dad", murmelte sie und ging zu ihm, um das Bett herum. In ihrem Kopf rasten die Gedanken, die Frage, ob Victor noch lebte. Hin und her gerissen zwischen dem Wunsch, sofort zu gehen und dem, zu erfahren ob es ihrer Mutter wirklich gut ging, ließ sie sich von Jace umarmen.

"Sie wird es überstehen", sagte ihr Vater leise. Seine Augen schienen sich kaum von Clary lösen zu können. "Magnus kann nicht viel tun und die Runen... Das Kind könnte..." Er atmete zittrig aus und pressten sie fast schmerzhaft an sich, aber er schien es gar nicht zumerken. Viel zu schnell ließ er sie wieder los und fühlte dann Clarys Stirn, seine Finger streichelten ihre Wange. Ruby war sicher, dass er das in dieser Nacht schon tausend mal gemacht hatte.

"Du solltest schlafen gehen, Dad", murmelte sie leise.

"Später", sagte er gedankenverloren. "Später. Ich schlafe, wenn sie aufgewacht ist." Er sank zurück auf den Stuhl.

Ruby nickte. Eine andere Antwort hatte sie nicht erwartet. Vermutlich würde er bis in alle Ewigkeit hier so sitzen und seine Frau anstarren, wenn sie nicht erwachte. Beim Erzengel, bitte lass es nicht so sein!, betete sie stumm und sagte dann: "Gute Nacht, Dad." Sie winkte ihm und er nickte nur, ohne sie anzusehen. Er bemerkte es nicht einmal, dass sie nicht zurück ging, sondern weiter nach hinten.

Leere Betten um sie herum. Schwindel überkam sie und Ruby atmete tief ein, während sie suchte. Ihre Schritte waren viel zu langsam und der Raum wirkte plötzlich so riesig. Die Dunkelheit verspottete sie. Vorbeihuschende Scheinwerfer beleuchteten unberührtes, weißes Leinen. Sie fühlte Schweiß auf ihrer Stirn, als sie sich zwang, schneller zu gehen. Vor ihr lag schon die hintere Wand der Krankenstation und es gab nur noch zwei Betten, jedes von einem weiteren Wandschirm verborgen. Eines war leer. Und im anderen lag Victor.

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