Sie erreichten Rubys Zimmer schnell. Victor hatte sie auf dem ganzen Weg nicht losgelassen, und sie hatte die ganze Zeit den Kopf gesenkt, um ihr Lächeln hinter einem Vorhang aus Haar zu verbergen. Jolene sah ihn immer wieder an, als wüsste sie mehr als er. Oder würde es gern wissen. Ihm fiel auf, dass sie ihr Handy die ganze Zeit fest hielt wie einen Schatz. Irgend etwas Interessantes musste er verpasst haben.
Im Raum schob Ruby ihn weg und schloss ab. Jolene starrte ihr Display grimmig an, als würde sie es erstechen wollen. "Was hat sie?", fragte er und nickte zu Jolene herüber.
Ruby zuckte mit den Schultern. "Kein Netz?", fragte sie grinsend.
"Das ist nicht witzig!", schnaufte Jolene und marschierte zum Fenster, als würde das helfen.
"Wie war eigentlich deine letzte Nacht?", fragte er beiläufig. Wie seine gewesen war, wusste Jolene garantiert schon, sonst hätte sie Batman und Elvis nicht so unkommentiert gelassen. Dass sie zusammenzucken würde, hatte er allerdings nicht erwartet.
"Ruhig", fauchte sie und drehte sich zu ihm um. "Völlig unspektakulär." Ihr Handy flog in hohem Bogen aufs Bett, so als hätte sie eigentlich die Wand treffen wollen, und sich im letzten Moment um entschieden.
"Klar", ernickte ironisch. "Glaub ich dir sofort. Aber keine Angst. Er hat garantiert schon X mal angerufen." Jolene streckte ihm die Zunge heraus und marschierte zum Bett, um wieder nach dem Handy zu greifen. Sekunden später war er vergessen und er sah zu Ruby herüber, die ihm zuzwinkerte und tonlos Jareds Namen murmelte. Er musste wirklich so einiges verpasst haben. Und dabei war der Werwolf doch so besoffen gewesen, dass er es nicht mal allein bis nach Hause hätte schaffen können!
"Also was ist jetzt?", fragte Victor schließlich. Ruby ließ sich neben ihm aufs Bett fallen und er starrte sie abwartend an. "Weshalb kriegen wir demnächst wieder Ärger?"
Sie zuckte die Schultern."Gute Frage. Aber wir kriegen welchen." Ihr Blick glitt zu Jolene, die das Fenster aufgerissen hatte und ihr Handy in die Luft hielt, als wäre es ein Zauberstab. "Magnus hat ne Nachricht geschickt. Du weißt schon, der Hexenmeister..." Er nickte, immerhin wohnte er mit Alec zusammen. Wer Magnus nicht kannte, musste schon blind sein. "Klang ein bisschen merkwürdig, aber ... Na ja, lies selbst." Sie zog einen Zettel aus der Tasche und gab ihn Victor.
Es war ein einfaches Blatt Papier, irgendwo abgerissen und mit einer krakeligen Handschrift bedeckt, als hätte es jemand sehr eilig gehabt. Nur wenige Worte standen darauf.
Ihr drei. Morgen. Bereithalten und unauffällig bleiben. Ich melde mich. Magnus.
Victor drehte den Zettel herum. Auf der Rückseite stand nichts. "Das ist ja nicht viel...", murmelte er, als das Papier plötzlich Feuer fing. Hastig ließ er es los und Ascheflöckchen rieselten herunter, sie verzehrten sich selbst und waren schon verschwunden, ehe sie auf dem Laken auftreffen konnten.
"Cool...", murmelte Jolene vom Fenster her.
Bestürzt starrte Victor das Nichts an, das übrig geblieben war. "Da ist aber jemand paranoid." Er sah zu Ruby zurück. "Also jetzt kriegen wir wirklich Schwierigkeiten." Um was auch immer es ging - Magnus hielt es für wichtig genug, um seine Spuren zu beseitigen. Und wenn es so wichtig war, würde Isabelle es ihnen garantiert verbieten. Davon wissen konnte sie ja nicht, sonst wäre der Hexenmeister wohl persönlich zu ihnen gekommen.
Ruby biss sich nervös auf die Lippen, den Blick immer noch fest auf die Stelle gerichtet, an der sich gerade noch Magnus' Nachricht befunden. "Okay... Ich dachte eigentlich..." Sie holte tief Luft und sah auf. "Wir könnten doch einfach so tun, als wäre das nicht passiert. Als hätten wir die Nachricht nie bekommen..." Ihre Stimme klang hoffnungsvoll, als hätte die kleine magische Demonstration ihr klar gemacht, dass es hier um mehr ging als unerlaubte Ausflüge und andere Kleinigkeiten, mit denen sie Isabelle sonst aufregten.
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Right by your Side
Hayran KurguWas macht man, wenn man trotz einer Extraportion Engelsblut keine besonderen Fähigkeiten hat? Zum ersten mal verknallt und todunglücklich im öden Alicante zögert Ruby (fast) gar nicht, als sie die Chance bekommt, ins New York Institut zu wechseln. U...