33 - In the Dawn

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In der Nacht weckte sie der Regen und Ruby schlug die Augen auf. Mondlicht malte Schatten an ihre Zimmerdecke und als da erneut ein leises Prasseln war, merkte sie, dass es gar nicht regnete. Jemand warf Steinchen gegen ihr Fenster.

Sie strich sich das Haar aus der Stirn und stand leise auf, um hinaus zu sehen. Erst war da niemand, doch dann bewegte sich eine Gestalt im Schatten, und als sie den Fensterflügel vorsichtig auf schob, hörte sie eine Stimme, die sagte: "Komm runter!" Nervös wollte Ruby das Fenster wieder schließen, doch dann sagte sie sich, dass sie hier in Alicante war, nicht in New York. Was sollte ihr schon passieren? Hastig zog sie sich an und schob die Fensterflügel weiter auf.

Das Rosenspalier war tückisch. Niemand hatte die dornigen Ranken zurück geschnitten, während sie in New York gewesen war, und mehr als einmal musste sie einen Schmerzenslaut unterdrücken, wenn sie sich die Hände aufriss. Auf halber Strecke knackste das alte Holz bedrohlich und sie erinnerte sich mit einem schiefen Grinsen an den Sturz. Da hatte sie sich den Fuß gebrochen und mit ihrem Schrei ihre Eltern geweckt. Aber diesmal stand Alexej sicher nicht dort und sie kam heil unten an.

Edward trat ins Mondlicht und mit einem Gefühl von Enttäuschung kam die Erkenntnis, dass sie die ganze Zeit auf jemand anderen gehofft hatte. Trotzdem folgte sie ihm in den Schatten, als er ihr zu nickte. Er sagte nichts, bis sie sicher in einer Nische zwischen zwei Häusern standen. Dann erst musterte er sie von oben bis unten, als könnte er etwas erkennen, und vielleicht konnte er das auch. Sie war noch zu müde, um klar sehen zu können, geschweige denn klar zu denken.

"Wie geht's dir?", fragte er flüsternd und berührte sanft ihren Arm. "Ich hab gehört, dass...", er seufzte und suchte nach Worten. "Ich hab davon gehört", sagte er schließlich nur.

Ruby nickte und starrte auf die verlassene Straße. Sie hätte ihn am liebsten angeschrien, aber wie hätte er wissen sollen, dass sie bis eben nicht mal mehr an all das gedacht hatte? Dass sie zu verschlafen gewesen war, zu neugierig und verwirrt darüber, dass jemand sie in der Nacht hier herunter holte? "Klar", sagte sie. "Alles bestens." Die Erinnerungen an den vergangenen Tag wollten an die Oberfläche kommen, doch sie drängte sie mit aller Macht zurück.

Edward lachte leise. "Das hast du damals auch gesagt, bevor du mit Victor abgehauen bist. Alles bestens. Ich brauche nur frische Luft. Und dann bist du davon gerauscht wie eine Diva."

"Ganz so war es nicht", murmelte sie und strich sich das Haar aus der Stirn. Sie wollte nicht darüber reden, nicht darüber, dass sie sich damals Ärger eingehandelt hatte, um Victor zu helfen, und nicht darüber, dass er sie jetzt nicht mal mehr höflich grüßen konnte. All der Stress für nichts und nochmal nichts. "Warum bist du hier?", fragte sie statt dessen und sah ihn an. Er war nur ein Schemen in der Dunkelheit.

"Wir sollten abhauen", sagte Edward, als wäre es eine Einladung zum Essen.

"Abhauen." Sie blinzelte verwirrt. "Wie meinst du das, abhauen? Wohin denn? Und wieso?"

Er zuckte mit den Schultern, kaum wahrnehmbar, aber sie bemerkte es. "Einfach abhauen. Nach New York zurück. Wir sitzen hier doch nur rum und warten, dass irgendwas passiert. Ich weiß nicht mal, ob sie uns überhaupt gehen lassen. Ich hab keine Lust mehr, hier auf ein Wunder zu warten. Dass sie sich irgendwann mal einig werden, wer jetzt Schuld hat! Und im Institut ist während dessen die Hölle los."

Ruby riss die Augen auf. "Wirklich? Hast du...", keuchte sie etwas zu laut.

Edward legte ihr hastig die Hand auf den Mund und sah sich um, doch es war niemand in der Nähe, der sie hätte hören können. "Nein", zischte er, "ich hab nichts gehört, niemand hat was gehört, immerhin erzählen sie uns nichts. Sie tun so, als wäre alles in Ordnung! Aber vielleicht lügen sie uns ja an. Und ich hab keine Lust, hier Däumchen zu drehen, während mein Zuhause vielleicht in Schutt und Asche gelegt wird!"

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