Die Hitze traf sie wie ein Schlag. Keuchend versuchte Ruby, sich aufrecht zu halten. Die Luft flimmerte, tanzte vor ihren Augen. Sie würgte und schlug eine Hand vor den Mund. Ihre Haut fühlte sich an wie mit Schleim überzogen, noch schlimmer als bei ihrer ersten Reise durch ein Portal. Sie krümmte sich zusammen, während an ihrem ganzen Körper der Schweiß ausbrach. Heftig atmend versuchte sie, sich nicht zu übergeben. Die Luft schmeckte wie Feuer. Die Geräusche neben ihr sagten ihr, dass es Victor und Jolene gerade nicht anders ging, aber sie war nicht in der Lage, sich um jemand anderen als sich selbst zu kümmern. Sie war nicht einmal in der Lage, nach ihrer Waffe zu greifen. Ihre Augen tränten und blinzelnd, keuchend, würgend, zitternd versuchte sie, ihre Umgebung zu erkennen. Gestalten auszumachen, um zu wissen, von wo der Angriff kommen würde.
Doch da war nur Licht, gleißend und hell, durchbrochen von schwammigen Konturen. Jede Bewegung, die möglicherweise ein Feind war, stellte sich nach endlosen, bangen Sekunden doch nur als Trugbild ihres rasenden Verstandes heraus. Jedes Geräusch, das durch das Rauschen in ihren Ohren drang, waren nur ihr eigenes Würgen und das ihrer Freunde.
Nach ewig erscheinenden Minuten beruhigte sich ihr Magen schließlich wieder, aber ein flaues Gefühl blieb zurück. Sie wartete trotzdem noch einen Augenblick, bevor sie sich langsam aufrichtete. Sonne stach ihr in die Augen, durch die geschlossenen Lider, und ließ ihren Kopf schmerzen. Die Hitze war beinahe unerträglich. Das Rauschen in ihrem Kopf ebbte ab und ließ Stille zurück.
Eine Hand an der Stirn, um sich vor dem blendenden Licht zu schützen, öffnete sie schließlich die Augen und versuchte sich umzusehen. Um sie erstreckte sich eine scheinbar endlose Steinwüste. Sand und Geröll, ausgebleicht wie Knochen, gleißten in der Sonne. Hier und da gab es winzige, scharf umrissene Schatten, schwarz wie Teer. Am Horizont schien Wasser zu flimmern, doch sie wusste, dass es nur eine Luftspiegelung war. Nichts sonst. Keine Bewegung in der Ferne, die sie nicht der heißen, wabernden Luft zuschreiben konnte. Da waren keine Dämonen. Kein Angriff. Es war einfach nichts. Ein scheinbar unendlicher, toter Ort. Sie konnte spüren, wie Jolene und Victor sich neben ihr entspannten. Leder knirschte leise, als Waffen in ihre Halterungen zurück geschoben wurden.
"Dafür bin ich echt nicht richtig angezogen", murmelte Jolene und Ruby musste plötzlich lachen. Als wären sie bei einem Strandspaziergang! Sie hätte vielleicht weiter gelacht, hysterisch vermutlich, aber der Klang ihrer Stimme erschreckte sie und sie verstummte. Es klang so unecht. Als gäbe es ein Echo, das alles wiederholte. Und doch lag eine Ebene vor ihnen, manchmal unterbrochen von zerborstenen Felsen, die sich kaum über Hüfthöhe zu erheben schienen.
"Sie hat alles zerstört, als sie damals zurückgekommen ist", flüsterte es plötzlich neben ihr und Ruby fuhr erschrocken herum. Ein kleiner Junge stand da, mit weißer Haut wie der Bauch eines toten Fisches. Seine Augen waren schwarz, so schwarz, da war nichts weißes. Nur Dunkelheit zwischen den Lidern. Er war nackt, doch sein Körper war seltsam, dünn und schmal, ein mageres Kind ohne Geschlecht. Sie wusste, dass es ein Junge war, weil sie es wusste, nicht weil sie es sah. Er blickte sie wissend und abwartend an.
"Sie?", fragte Ruby nervös und versuchte, sich nicht von dem Blick aus seinen schwarzen Augen in Panik versetzen zu lassen. "Lilith?"
"Mit wem sprichst du?", Victor war an sie herangetreten und griff jetzt nach ihrer Hand.
Ruby sah sich zu ihm um und öffnete schon den Mund, um zu antworten, als sie seinen verwirrten Blick bemerkte. Seine Augen suchten aufmerksam die Umgebung ab, und auch Jolene starrte wild um sich. Als Ruby sich umdrehte, in der Erwartung, dass der Junge verschwunden wäre, sah sie ihn immer noch. Er lächelte.
"Sie können mich nicht sehen und auch nicht hören", murmelte er verschwörerisch. Kurz sah sie seine Zähne blitzen, wie Fangzähne. Etwas Dunkles huschte über sein Gesicht, das Bild einer Schlange mit krankhaft grünen Augen. Dann war alles wieder normal. "Du solltest mich auch nicht sehen können." Der Junge lächelte wieder. Er sah erfreut aus. "Wir werden so viel Spaß haben!"
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Right by your Side
FanfictionWas macht man, wenn man trotz einer Extraportion Engelsblut keine besonderen Fähigkeiten hat? Zum ersten mal verknallt und todunglücklich im öden Alicante zögert Ruby (fast) gar nicht, als sie die Chance bekommt, ins New York Institut zu wechseln. U...