"Du musst was essen!" Alexej schob den Korb mit den Frühstücksbrötchen näher zu Ruby heran. Er war da gewesen, als sie aufwachte, hatte in der Küche gesessen und sich mit ihrer Mutter unterhalten, während Clary einen Kräutertee trank. Jetzt stand Clary hinter ihnen und machte den Abwasch, doch Ruby fühlte sich beobachtet, als hätte ihre Mutter Augen im Hinterkopf. Und diesmal ging es nicht darum, dass ihr erster Freund hier saß, so als wäre er schon immer Teil der Familie gewesen. Jetzt ging es nur um sie.
"Ich hab keinen Hunger", murmelte sie, aber ihr Magen knurrte verräterisch. Sie hatte Hunger, aber keinen Appetit. Nichts von den Dingen auf dem Tisch sprach sie irgendwie an und sie klammerte sich an ihrer Kaffeetasse fest. Ihr Herz raste, was vielleicht nur am Koffein lag, aber vielleicht auch an den vielen hässlichen Dingen des vergangenen Tages, an die sie nicht denken wollte.
"Elizabeth, iss was!", sagte Jace, der ihr gegenüber saß, und sie starrte ihn herausfordernd an. Clary schnaubte und Ruby wusste nicht, ob es ihr galt, oder ihrem Vater. Trotzig nahm sie einen großen Schluck aus ihrer Tasse, obwohl der Kaffee noch heiß war und sie sich die Zunge verbrannte.
Jace schien noch etwas sagen zu wollen, doch dann läutete es und er stand auf, um die Tür zu öffnen. Sie hörte Stimmen im Flur und eine Minute später war er zurück. Als Alexej sich erhob, sah sie auf und Victor stand in der Küche. Er hatte die Hände in den Hosentaschen vergraben und seine Augen wechselten zwischen ihr und Alexej hin und her. Er wirkte müde und wütend.
"Hi", sagte sie leise.
"Hi", antwortete er, während Jace sich wieder setzte und Alexej mit einem lautlosen Blick bedeutete, das ebenfalls zu tun. Ruby hasste dieses stumme Einverständnis zwischen ihnen, das sich in den letzten Stunden noch verstärkt zu haben schien.
"Alles klar bei dir?", fragte Victor. Seine Augen versuchten, ihre hinter den langen Haarsträhnen einzufangen.
"Setz dich doch", sagte ihre Mutter. Ruby hörte, wie sie den Stöpsel zog. Wasser verschwand gurgelnd im Abfluss. "Möchtest du mit uns essen?" Jace warf Clary einen warnenden Blick zu und Alexej regte sich unmerklich. Ruby musste sich nicht umdrehen, um die höfliche Ignoranz im Gesicht ihrer Mutter zu sehen, die es ihr zuliebe aufeinen Streit mit ihrem Mann ankommen lassen wollte.
Victor schüttelte den Kopf. "Nein danke, ich hab schon gegessen", sagte er, ohne die Hände aus den Taschen zu nehmen.
"Du wohnst bei den Blackthorns, nicht wahr? Eine nette Familie. Gefällt es dir in Alicante? Du warst noch nie hier, habe ich gehört."
"Mom!", zischte Ruby, während Jace "Clary!", sagte. Er lächelte Ruby verschwörerisch an, doch sie erwiderte es nicht. "Hör auf, ihn auszufragen", murmelte sie und Alexej griff nach ihrer Hand, doch sie entzog sich ihm, indem sie noch einen Schluck Kaffee trank, als hätte sie die Bewegung nicht bemerkt.
"Schon gut", sagte Victor und zuckte mit den Schultern. "Ich wollte nur kurz vorbeischauen und sehen, ob bei dir alles in Ordnung ist. Jolene wartet draußen, sie will mir die Stadt zeigen."
"Wie nett von ihr", sagte Clary, Ruby konnte das Lächeln in ihrer Stimme hören. "Dann solltest du sie nicht zu lange warten lassen." Es klopfte erneut und Victor drehte den Kopf zur Haustür. "Ein ungeduldiges Mädchen. Ich bringe dich hinaus." Clary umrundete den Tisch und Ruby sah, wie Jace die Lippen bewegte, um ihr etwas zu mitzuteilen, aber ihre Mutter übersah ihn.
Sie verließen die Küche, Ruby hörte ihre Schritte im Flur, die sich öffnende Tür und dann Clary, die sagte: "Was soll das? Was ist hier los, Robert?"
Ruby sprang auf und warf ihre Tasse um in der Hast. Der Kaffee bildete einen großen, braunen Fleck auf dem weißen Tischtuch. Alexej packte sie an der Hand und knurrte ihr zu, dass sie sitzen bleiben sollte, aber sie riss sich los und lief ihrem Vater hinterher, der schon im Flur angekommen war.
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Right by your Side
FanfictionWas macht man, wenn man trotz einer Extraportion Engelsblut keine besonderen Fähigkeiten hat? Zum ersten mal verknallt und todunglücklich im öden Alicante zögert Ruby (fast) gar nicht, als sie die Chance bekommt, ins New York Institut zu wechseln. U...