18 - When you were young

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"Wieso lasse ich mich eigentlich immer zu so einem Mist von dir überreden?", knurrte Ruby. Vor ihnen ragte das Institut von San Francisco auf, das genau wie die Kathedrale in New York von einem Zauberglanz geschützt wurde und sich für die Irdischen als langweiliges, verglastes Bürogebäude tarnte, das hier besser in die Umgebung passte, als eine verfallene Kirche. Ruby erinnerte sich dunkel, dass es von Mitgliedern der Hightower-Familie geleitet wurde.

"Weil ich sonst blind in mein Unglück rennen würde", dramatisierte Victor vergnügt.

Er hatte es tatsächlich geschafft, sie zu diesem Trip zu überreden, als Austausch für die Gefälligkeit für Father Jonathan. Und mit dem Argument, dass sie sich genauso gut auch mal ein bisschen was von der Welt ansehen konnten, wenn sie schon ausrissen. Und dass sie wenigstens eine gute Ausrede hätten. Eine glaubhafte vor allen Dingen, wenn sie von hieraus nach New York zurück reisten. Und der dritte Grund war, dass Ruby noch nie in einem Flugzeug gesessen hatte. Erst hatte er sie auch auf Knien angebettelt und dann konnte er es den ganzen Flug über nicht lassen, ihr die unmöglichsten Horrorgeschichten über Flugzeugabstürze zu erzählen. Sie war froh, als sie wieder festen Boden unter den Füßen hatten. Hauptsächlich, weil er endlich den Mund hielt.

Ruby sah sich neugierig um, als sie das Instituts betraten. Es war gar nicht so anders als das in New York. Sie war sich sogar sicher, dass sie ohne nachzudenken den Weg in die Bibliothek oder die Küche finden würde, wenn man sie los schickte. Der einzige Grund, warum sie sich nicht sofort fragte, ob sie nicht träumte und schon wieder zu Hause war, lag an dem gemusterten Sandstein und den Marmorfliesen, die einfach viel zu anders aussahen als in New York.

Schritte näherten sich und ein blondes Mädchen in einem bunten, wallenden Kleid bog um die Ecke. "Oh mein Gott!", sagte sie überrascht und betonte jedes Wort, als sei es das wichtigste in ihrem Satz. Dann sprang sieden jungen Schattenjäger regelrecht an. "Victor!", quiekte sie und bedeckte sein Gesicht mit Küssen. "Ich dachte schon, du kommst gar nicht mehr!" Ruby starrte sie verwirrt an.

"Cordelia!" Victor wirbelte das Mädchen herum und stellte es dann vor sich ab. "Du bist groß geworden", sagte er grinsend.

"Und du hast dich überhaupt nicht verändert." Die Blondine grinste zurück und warf Ruby dann einen Blick zu. Neugierig und ein bisschen eifersüchtig. "Wer bist du denn?", fragte sie. Ihre Freundlichkeit war aufrichtig bemüht, aber eben bemüht. Sie versuchte, ihre Finger in Victors zu verschränken, doch er schien das gar nicht zu bemerken.

"Das ist meine Schwester Liz", sagte er und nahm Rubys Hand wieder.

"Ich heiße Ruby", erklärte sie und stieß ihm den Ellbogen in die Seite. Halbherzig. Er hatte es sich immer noch nicht abgewöhnt und würde es wohl auch nie.

Cordelia musterte sie finster. "Schwester", sagte sie gedehnt, als würde sie eine regelrechte Verschwörung hinter dieser kleinen Unwahrheit vermuten. Victor wirkte nicht beeindruckt. "Na gut, ich bring euch zu Charlotte." Sie hüpfte voraus und plötzlich war die Fröhlichkeit wieder da. "Die wird Augen machen!"


☆☆☆☆☆


Die Institutsleiterin Charlotte Hightower war ebenso blond wie Cordelia, doch sie war alt genug, um deren Mutter zu sein, wobei es sich aber nach Victors leisen Erläuterungen bei ihnen um Schwestern handelte. Und Charlotte war tatsächlich überrascht, wenn auch nicht so sehr, wie Ruby vermutet hätte. Statt dessen hob sie nur verblüfft die Augenbrauen, bevor sie Victor wie einen lange vermissten Sohn in die Arme schloss. "Da bist du ja endlich", sagte sie lächelnd, als wäre sein Besuch überfällig, und fuhr ihm durchs Haar. So, wie Isabelle es tat, wenn sie Victor ärgern wollte. Er grunzte unwillig, doch sein fast automatischer Griff zu seiner Frisur war nur Tarnung.

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