Es war wie in einem Märchen. Ein dunkles, böses Märchen. Hänsel und Gretel im tiefen, dunklen Wald. Jolene versuchte, ihre Hand zu entspannen, aber ihre Finger wollten sich nicht bewegen. Schmerzten vor Anstrengung, und doch konnte sie den Griff ihrer Waffe nicht loslassen.
Das Haus hockte da wie eine finstere, alte Kröte, zwei geschwungenen Treppenflügel vorgestreckt wie Vorderbeine, die gleich zum Sprung ansetzen. Bäume hatten sich darüber gebeugt, als wollten sie es umarmen, wie riesige Hände. Schmutzig weißes Holz, die Farbe abgeblättert. Die Fenster waren blinde, dunkle Höhlen. Ein Fensterladen hing schief herunter, aus den Angeln gerissen. Einige waren geschlossen, andere offen, als wollten sie zu einem Blick einladen. Da waren zerbrochene Stufen, die in den zweiten Stock führten, zwischen langen, schlanken Säulen, und in der Mitte die Tür. Etwas schien sich hinter den Fenstern zu bewegen, aber vielleicht waren es die zerrissenen Gardinen. Beobachtete jemand sie? Schwärzliches Moos hing wie Vorhänge vom eingesunkenen Dach.
Das Haus wartete auf sie. Ungebeten tauchte der Gedanke in ihrem Kopf auf, wie die zwei Türflügel sich öffneten, ein weit aufgesperrter Mund, und die Treppen sich wie Hände nach ihnen ausstreckten und den Rückweg versperrten, wenn sie hinein gingen. Eine verrottende Südstaatenvilla. Scarlet O'Hara würde gleich daraus hervortreten, den Mund aufgerissen voller spitzer Zähne. Jolene zwang sich, den Blick abzuwenden.
Ruby saß auf einer Wurzel. Sie murmelte vor sich hin, die Augen fest auf das Haus gerichtet. Victor stand hinter ihr, eine Hand erhoben, über ihrer Schulter schwebend, als wollte er sie berühren, wagte es aber nicht. Sein Blick war fest auf sie gerichtet, brennend und bohrend. Sie hatten sich seit einer scheinbaren Ewigkeit nicht bewegt. Vorsichtig verlagerte Jolene ihr Gewicht. Ihre Beine schmerzten.
Der weiche Boden hatte das Gehen schwer gemacht. Manchmal traf sie auf ein tückisches Loch, verborgen unter der Schicht aus Moos und abgestorbenen Blättern. Ihre Füße waren nass in ihren kurzen Stiefeln. Nirgendwo schien Leben zu sein, und trotzdem hatte sie die ganze Zeit das Gefühl, dass etwas sie anstarrte. Davon sprang, wenn sie den Kopf drehte. Sie war sich fast sicher, dass sie es sehen würde, wenn sie nur schnell genug war.
Jolene leckte sich die Lippen und öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch Rubys Kopf ruckte zu ihr herum. "Noch nicht", fauchte sie und drehte sich dann wieder nach vorn. Starrte das Haus an. Ihr Mund begann erneut mit dem unablässigen Murmeln. Plötzlich zuckte sie zurück, ihre Hand griff nach hinten, als wollte sie Victor packen, aber sie tat es nicht. "Nein." Ihre Stimme klang wieder so kalt, aber Jolene war sicher, sie zittern zu sehen. War das die nächste Runde? Das Spiel? Sie wünschte, sie hätte hören können, was gesprochen wurde.
Aber sie lenkte sich ab. Sie musste klar bleiben. Konzentriert. Sie durfte sich nicht einlullen lassen von ihrem eigenen Mitleid.
Magnus hatte ihnen viele Dinge erzählt und die meisten davon waren einfach zu unglaubwürdig, um gelogen zu sein. Das klang sogar in ihren eigenen Gedanken falsch, aber so war es eben. Ruby hatte einen Dämon in sich. Er saß irgendwo in ihr drin, man konnte ihn nicht so einfach entfernen, und nein, eigentlich war es sogar ein bisschen hilfreich, wenn auch gefährlich, ihn dort zu lassen. Sie hätte sich gern an den Kopf gegriffen vor Frustration. Der Hexenmeister hatte das so ungerührt gesagt, als wäre es ein Gespräch übers Wetter. Und sie damit einfach vor vollendete Tatsachen gestellt. Er hatte sogar gewagt, sie fragend anzusehen, ob sie auch wirklich alles verstanden hatten! Als ginge es nur darum, dass er sich klar genug ausgedrückt hatte, und nicht um eine lebensgefährliche Sache, die möglicherweise nicht nur Rubys Tod bedeuten würde!
Sie nahm die Hand herunter, als sie merkte, dass sie sich frustriert am Zopf zog. Ja, Victor stand da, über ihr, so beschützend wie immer, als könnte ihn nichts von seiner geliebten Ruby trennen. Vermutlich war er sich sogar sicher, dass er Magnus Anweisungen durchführen könnte. Ruby töten. Wenn es nicht mehr anders möglich war. Wenn Lilith doch noch siegte - was Magnus nicht für unwahrscheinlich zu halten schien, aber auch nicht für die größtmögliche Bedrohung. Jolene hatte ihn genau angesehen, als er das gesagt hatte. Dass sie sie würden töten müssen, wenn der Fall eintraf, dass sie sich in eines von Liliths Sklaven verwandelte. Magnus hatte ernst ausgesehen und wollte vermutlich wirken, als würde das ohnehin nicht geschehen, aber sie hatte seine Sorge gesehen.
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Right by your Side
FanfictionWas macht man, wenn man trotz einer Extraportion Engelsblut keine besonderen Fähigkeiten hat? Zum ersten mal verknallt und todunglücklich im öden Alicante zögert Ruby (fast) gar nicht, als sie die Chance bekommt, ins New York Institut zu wechseln. U...