21 - Aus dem Schatten

89 8 6
                                    

Ruby riss den Kopf hoch. Ihr Vater kam tatsächlich auf sie zu und er hatte diesen Gesichtsausdruck, den er auch immer bekam, wenn er sie mit Alexej beim Knutschen erwischte. Angestrengt suchte sie im Gewühl nach ihrer Mutter. Die leuchtend roten Haare hätten wie eine Flamme aus all dem Schattenjäger-Schwarz hervorstechen müssen, doch sie konnte Clary nirgendwo entdecken.

"Oh, das wird hässlich...", raunte sie Victor zu. "Er kann nerviger sein als eine Horde Pitbulls..."

Victor sagte etwas zu ihr, doch Ruby verstand seine Worte nicht, denn Edward betrat die Bibliothek wieder. Wann hatte er den Raum verlassen? Und warum sah sein Gesicht so besorgt aus?

Sie setzte sich auf und starrte ihn aus zusammengekniffenen Augen an, wie er sich im Raum umsah, als suche er jemanden, und dann zielstrebig auf Jace zumarschierte, der gezwungenermaßen mit jedem ein paar Worte wechselte, und es deshalb noch nicht zu Ruby und Victor geschafft hatte. Edwards Hand zögerte einen kurzen Moment, bevor er Rubys Vater am Ärmel packte und ihn mit sich von den anderen weg zog. Sie sah Jaces Augen groß werden, sie sah ihn, wie er Edward anstarrte, etwas sagte, laut, aber unverständlich in dem Stimmengewirr, und den jungen Schattenjäger dann mit einem Faustschlag zu Boden streckte, der ihn noch zwei Meter weiter über das Parkett schlittern ließ.

Victor beugte sich vor. "Uh, da hat sich wohl jemand vorgestellt mit 'Hi ich bin Edward und hab ihre Tochter geküsst'."

Ruby verpasste ihm einen halbherzigen Ellbogenstoß. "Das ist nicht witzig", murmelte sie und stemmte sich vom Boden hoch. "Absolut nicht witzig... Irgendwas ist nicht in Ordnung!" Sie konnte es jetzt fühlen, wie eine düstere Wolke.

Um Jace und Edward hatte sich schon eine fast undurchdringliche Wand aus Schattenjägern gebildet, die alle herauszufinden versuchten, was geschehen war. Sie musste schieben und drängeln, um nach vorn zu kommen und erntete mehr als nur einen unfreundlichen Kommentar darüber, was die Jugend von heute sich erlauben würde. Aber es war ihr egal.

"Wo ist Clary?", sagte Jace gerade eindringlich. Er hatte Edward nicht am Kragen gepackt und zu sich hoch gezerrt, wie sie es erwartet hätte, der Jugendliche saß immer noch auf dem Boden. Seine Lippe war aufgeplatzt und er sah irgendwie ängstlich aus und schuldbewusst.

"Wo ist meine Frau?!"

Ruby fiel ihrem Vater in den Arm, als er nach Edward greifen wollte. Der große, blonde Mann schien sie kaum zu bemerken und ihr trat vor Anstrengung der Schweiß auf die Stirn, als sie ihn zu sich herum drehte, um seine Aufmerksamkeit zu erlangen. "Dad!", beschwor sie ihn eindringlich. "Was tust du da? Mom ist sicher hier irgendwo!" Edward räusperte sich unglücklich und sie hätte ihn am liebsten geschlagen.

"Er sagte, sie ist verschwunden", erklärte Jace düster. Er hatte Ruby nur kurz angesehen, dann verschossen seine Augen wieder tödliche Blitze in Edwards Richtung. Die Menge murmelte und Isabelle trat neben sie.

"Edward", sagte die Institutsleiterin. "Was soll das heißen, Clary ist verschwunden?"

Der junge Schattenjäger warf ihr einen hilflosen Blick zu. Er war aufgestanden und wischte sich das Blut von der aufgeplatzten Lippe. Ruby konnte nicht anders, als ihn anzustarren. "Mom ist hier irgendwo", wiederholte sie überzeugt und sah sich erneut um.

"Ihr war schlecht", erklärte Edward stockend. "Ich wollte sie nur an die frische Luft begleiten und ... dann war ihr kalt, also hab ich ihre Jacke gesucht und ... ihr Zimmer nicht gleich gefunden und als ich wiedergekommen bin, war es dunkel draußen und ... sie war verschwunden!" Er atmete heftig und schien niemandem in die Augen sehen zu können. "Ich war doch nur ein paar Minuten weg!"

Right by your SideWo Geschichten leben. Entdecke jetzt