30 - Die Hoffnung stirbt zuletzt

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Es klopfte. Kurz dachte Ruby darüber nach, einfach nicht zu antworten, aber das hätte nichts daran geändert, dass ihr Vater schon wieder versuchte, sie aus ihrem Schneckenhaus zu locken. Es gefiel ihr hier drin. Einfach nur liegen und an die Decke starren und darauf warten, dass sich die Dinge von allein änderten. Also rief sie: "Komm rein, Dad!", und wartete auf die heutige Ansprache.

"Ich muss dich enttäuschen", sagte Isabelle von der Tür und Rubys Blick huschte überrascht zu ihr. Das war beinahe aufsehenerregend genug, dass sie sich aufgesetzt hätte. Aber nur beinahe.

Die New Yorker Institutsleiterin schloss die Tür hinter sich und trat unschlüssig ins Zimmer, bis sie sich schließlich den Stuhl von Rubys Schreibtisch heranzog und sich setzte. Sie sah gut aus. Ausgeruht, aber besorgt. "Wie geht's dir, Kleines? Dein Vater sagt, du versteckst dich hier schon seit zwei Tagen."

"Hm", sagte Ruby und starrte wieder an die Decke. Das war einfacher, als die Augen zu verdrehen, um Isabelle anzusehen. Oder den Kopf. Dazu hätte sie sich bewegen müssen und das passte gerade nicht in ihren Tagesplan. "Es ist schön hier. Ruhig. Rosenduft, Sonnenstrahlen und nur Dad nervt, wenn er mir was zu essen bringt."

"Vielleicht solltest du das Angebot auch mal annehmen", erwiderte Isabelle. "Ich meine, nur so, um ihm für seine Mühe zu danken."

"Hm", machte Ruby erneut und lauschte der eintretenden Stille.

Als ihr klar wurde, dass Isabelle nichts weiter sagen, aber auch nicht gehen würde, stemmte sie sich schließlich hoch und sah der Schattenjägerin in die Augen. "Victor spricht nicht mehr mit mir."

Sie hatte darüber nicht nachgedacht. Bestimmt nicht. Nicht gestern und nicht vorgestern. Nicht in diesen letzten zwei Tagen, seit sie versucht hatte, zu ihm zu gehen und irgend etwas zu tun. Vielleicht, sich sinnlos für seinen kleinen Besuch zu bedanken. Aber er war nicht da, er war gerade gegangen oder er ließ sich verleugnen, ob sie es nun morgens, mittags oder abends versuchte. Es war immer nur Jolene da, die jeden Tag hübscher aussah und lächelte und so verdammt freundlich und nachsichtig war.

Einmal hatte sie ihn gehört, er lachte mit jemandem, sie konnte einen Blick durch eine offene Zimmertür werfen, bevor er sie bemerkte und aus der Sicht verschwand. Und Jolene sagte trotzdem, dass er nicht da war. Als wäre Ruby dumm oder verrückt oder beides. Aber sie hatte nicht daran gedacht. Bestimmt nicht. Es wäre doch verrückt, wenn all ihre Gedanken sich in den letzten zwei Tagen nur noch darum gedreht hätten, oder?

Jetzt war es an Isabelle, "Hm" zu sagen. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und sah aus dem Fenster. "Es geht ihm gut", erzählte sie den Gardinen, als wäre es ihr unangenehm, dass sie besser Bescheid wusste, als das Mädchen vor ihr. "Er ist natürlich verärgert darüber, dass der Rat ihm die Schuld für die ganze Sache gibt..."

"Tun sie das immer noch?", fragte Ruby leise.

Isabelle sah zu ihr zurück. "Sie haben keine Beweise. Sie haben Vermutungen."

"Sie haben das, was ich ihnen gesagt habe!", erklärte Ruby bitter. "Ich bin selbst Schuld, nicht wahr? Ich habe ihn verraten und natürlich will er mich jetzt nicht mehr sehen..."

"Du bist nicht Schuld", widersprach Isabelle lahm und Ruby schnaubte traurig. "Nein! Okay? Nein! Du hast ihn nicht verraten! Sie suchen einen Schuldigen! Weil sie keine Ahnung haben! Niemand weiß so wirklich, wie das alles geschehen konnte! Und glaub mir, wenn jemand Schuld hat, dann ich! Ich habe mir hundert mal alles durch den Kopf gehen lassen, aber ich weiß einfach nicht, wie das geschehen konnte! Ich weiß es nicht!"

Ruby schluckte. "Dann erklär's mir. Sag mir... sag mir einfach, was du überlegst. Vielleicht finden wir ja irgendwas, was du übersiehst!" Sie wusste, dass sie verzweifelt klang, aber sie konnte es nicht ändern.

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