Gemeinsam verließen sie das Institut. Niemand hielt sie auf, obwohl sie einige missbilligende Blicke ernteten und einmal zog Ruby Jolene hastig in einen dunklen Gang, zwischen den Schatten zweier weit auseinander liegender Fackeln. Drei Männer liefen vorbei und einer von ihnen war Alexej. Sie fühlte Jolenes Blick lauernd auf sich und erwiderte ihn ungerührt, obwohl sie innerlich zitterte.
Auch draußen sagte das brünette Mädchen nichts, obwohl Ruby ihre Vorwürfe fast körperlich spüren konnte. Vielleicht lief sie ja davon... Nein. Sie lief tatsächlich davon. Zeit, sich das einzugestehen. Als sie Victor hatte davongehen sah, hatte sie sich schuldig gefühlt und Alexej einfach stehen lassen, obwohl er nach ihr rief. Es war falsch gewesen, zu ihm zu gehen, nur um zu sehen, was passieren würde. Sie hatte sich irgend etwas davon erhofft, sowas wie eine Eingebung, die aber nicht gekommen war.
Jetzt versteckte sie sich vor ihm, als wäre da noch etwas zwischen ihnen. Er hatte gesagt, dass er viel an sie gedacht hätte. Und sie hatte nicht antworten können. Außerdem war sie sich immer noch nicht sicher, was sie eigentlich gesagt hätte. Vielleicht Verpiss dich? Gerade jetzt schien das eine perfekte Antwort zu sein.
Das schmiedeeiserne Tor glitt lautlos hinter ihnen zu, als sie auf die Straße traten. Ruby sah sich um, unschlüssig, wohin sie gehen sollten. Alles war still. An der Ecke marschierte ein Betrunkener auf sie zu, er sang leise vor sich hin. Ihr Blick streifte ihn, als er unter einer Laterne hindurchging und sie wollte schon in die andere Richtung laufen, als ihr klar wurde, dass sie ihn kannte.
"Hey, ist das nicht Jared?" Sie packte Jolene am Arm, die sich jetzt unwillig umdrehte.
"Was will der denn hier...", fragte sie genervt, bis sie ihn sah.
"Hey Mädels!", er hatte sie inzwischen entdeckt und winkte schwankend. Sein Grinsen war selig und Ruby rümpfte die Nase, als er neben ihnen stehen blieb. Er roch eindeutig nach Bier und diversen anderen Dingen. Eines davon war Parfum, und es war sicher keins für Männer. Jolene knurrte.
"Was machst du hier?", fragte Ruby und drückte ihrer Freundin warnend die Hand. "Kann es sein, dass du stockbesoffen bist?"
"Kann sein." Er grinste breit und leer.
"Was machst du hier?", wiederholte sie langsamer, als er nichts weiter sagte. Vermutlich hatte es ihn irgendwie überfordert, sich an zwei Fragen zu erinnern.
"Ich bring Victor heim." Er strahlte sie an und sah zur Seite, bis ihm klar wurde, dass niemand neben ihm stand. Dann drehte er sich einmal um sich selbst. Wie ein Hund, der seinen eigenen Schwanz jagt, dachte sie belustigt und verkniff sich ein Lachen.
"Na toll", murmelte Jolene. "Sag nicht, ihr habt euch volllaufen lassen..."
"Nur ein bisschen." Jared stand jetzt wieder, aber er schwankte wie Schilf im Wind. Außerdem grinste er immer noch zum verrückt werden. "Scheiß Weiber und so, aber pssst", er hielt sich den Finger vor den Mund, ohne zu realisieren, dass er die Weiber vor sich stehen hatte. "Das letzte Bier war ja noch okay, aber er musste ja diese Wette verlieren und da hab ich mir gedacht, ich bring ihn lieber heim."
Ruby verschränkte die Arme vor der Brust. "Welche Wette? Und wo ist er jetzt?" Sie war wütend. Auf Victor, weil er saufen gehen musste, und auf Jolene, weil sie Recht gehabt hatte damit, dass er Mist bauen würde. Sie hätte auch wütend auf sich sein können, aber dazu hätte sie sich eingestehen müssen, dass er sich wegen ihr betrunken hatte. Aber genau wusste sie das eigentlich nicht.
"Kann ich dir nich sagen", lallte Jared.
"Was davon?"
"Das mit der Wette. Männerkram. Verstehst du nicht." Er lächelte wieder. "Aber mach dir keine Sorgen! Er hat verloren. Und jetzt ist er weg." Der junge Werwolf schien nicht zu merken, dass genau das die besten Gründe waren, um sich Sorgen zu machen.
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Right by your Side
FanfictionWas macht man, wenn man trotz einer Extraportion Engelsblut keine besonderen Fähigkeiten hat? Zum ersten mal verknallt und todunglücklich im öden Alicante zögert Ruby (fast) gar nicht, als sie die Chance bekommt, ins New York Institut zu wechseln. U...