Magnus schwieg, während er sie tiefer in die Dunkelheit führte, und Ruby fürchtete sich. Um sie herum schloss sich der Wald, der hier nicht sein durfte, ein dichter, düsterer Dschungel aus uralten Bäumen, bewachsen von Moos, das wie Schleier von den Ästen hing. Sie schauderte, als etwas sie streifte, wollte aber nicht wissen, was es gewesen war. Irgendwo über ihr schrie etwas, vielleicht ein Vogel. Aber auch darüber wollte sie nicht wirklich nachdenken. Es war, als hätte der Hexenmeister sie in eine andere Welt geführt. Waren sie noch in ihrer eigenen Dimension?Oder war dies hier ein anderer Ort? Ein älterer Ort, tausende von Jahren alt, der von den Menschen nicht beeinflusst worden war. Langsam bohrte sie die Fingernägel in ihre Handinnenflächen, bis der Schmerz ihren Kopf klärte, aber es war keine Vision, die einfach verschwand.
Hinter sich hörte sie die Schritte von Jolene und Victor. Ruby hatte nicht zuerst gehen wollen, als Magnus in die Dunkelheit eintauchte, doch sie wollte keine Angst zeigen. Sie wollte nicht da stehen und denken, und sich vorstellen, was sich in der Finsternis verbergen würde, während sie ihre Freunde darin verschwinden sah. Magnus vor ihr war eine verschwommene Gestalt, immer wieder beleuchtet vom Licht des Vollmonds, das zwischen den Ästen über ihnen hindurch drang und die Welt in ein Schattenspiel verwandelte.
Als sie die Lichtung betraten, wäre Ruby beinahe zusammengezuckt, so plötzlich schien sie vor ihnen aufzutauchen. In einem Moment liefen sie noch durcheine schier endlose Allee von Bäumen, die wie Mauern neben ihnen aufragten, im nächsten befanden sie sich auf einem freien, runden Platz, auf dem hohes Gras im Wind wogte. Ruby sah sich um. Sie konnte die Öffnung immer noch erkennen, wo sie aus dem Wald heraus getreten waren, doch es war ein gähnender schwarzer Schlund und nichts deutete darauf hin, dass sich irgendwo dort New York befand. Sie ließ ihren Blick über die Baumkronen streifen und suchte die Skyline von Manhattan, irgend etwas, das sie wiedererkannte, doch da war nichts. Alles in ihr sagte, dass sie sich unmöglich plötzlich außerhalb der Stadt befinden konnten, und doch war es so, als hätte es New York nie gegeben.
Magnus war stehengeblieben, auf einem runden, freien Platz, der so perfekt in der Mitte der Lichtung lag, dass er unmöglich natürlich entstanden sein konnte. "Ich würde gern sagen, dass ihr die Wahl habt", erklärte er lächelnd, "aber aber so einfach ist es jetzt nicht mehr." Irgend jemand musste sich bewegt haben, denn er lächelte breiter, mit halb geschlossenen Augen, irgendwie träge und überheblich und Ruby musste ein Schaudern unterdrücken. "Nein", sagte er langsam, "tu das nicht." Sie wagte nicht, sich umzudrehen, war aber sicher, dass Victor eine Hand an seine Waffe gelegt hatte. Sie glaubte, seine Anspannung beinahe fühlen zu können.
"Ich will nicht gegen dich kämpfen", sagte Magnus jetzt, "aber wenn du es darauf anlegen willst, dann sei versichert, dass du verlieren wirst. Und dafür sind wir jetzt auch nicht hier, nicht wahr?" Sekundenlang blieb es still, dann atmete jemand tief aus und sie erkannte tatsächlich Victor. Auch daran, dass er näher an sie heran trat, als wollte er nach ihrer Hand greifen. Doch er tat es nicht.
"Gut", sagte Magnus. "Dann wäre das ja geklärt." Er drehte sich um und machte noch einen Schritt in den Kreis hinein. Ruby sah etwas aufleuchten und erkannte jetzt, dass jemand ein Pentagramm und viele ihr unbekannte, komplizierte Symbole dort hingezeichnet hatte. Alles wirkte alt und verwittert, aber immer noch kraftvoll. Bei jeder Bewegung von Magnus schienen die Zeichen zu glühen.
"Wo sind wir?", fragte Jolene und stellte damit die Frage, die Ruby nicht zu stellen gewagt hatte. Ihr wurde klar, das sie bisher Angst gehabt hatte, zu sprechen, und sie wusste nicht, warum. Als läge ein Zauber über ihnen. Waren sie im Reich der Hexenmeister? In einer fremden Dimension? Sie wollte lachen, aber sie fürchtete sich.
"In New York", sagte Magnus, als wäre das selbstverständlich. "Glaubt ihr vielleicht, ich hätte euch in eine andere Welt geholt?" Er lachte trocken. "Nein, soweit sind wir noch nicht." Er sah zum Mond auf, während seine Hände einige Bewegungen auszuführen begannen, als würde er einem seltsamen Muster folgen. Ruby hob ebenfalls den Kopf. Der rote Schleier, der den Mond zu überziehen begonnen hatte, als sie in den Park gekommen waren, hatte sich erweitert. Die bedrohliche Farbe war jetzt besser zu erkennen, und obwohl der Fortschritt nur klein war, wusste sie, dass ihnen die Zeit davon lief.
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Right by your Side
FanficWas macht man, wenn man trotz einer Extraportion Engelsblut keine besonderen Fähigkeiten hat? Zum ersten mal verknallt und todunglücklich im öden Alicante zögert Ruby (fast) gar nicht, als sie die Chance bekommt, ins New York Institut zu wechseln. U...