65 - Kneipenterroristen

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Simon fühlte sich müde, obwohl seine Befragung nicht so lange gedauert hatte wie die des Mädchens. Tatsächlich hatte er einfach nur alles erzählt, an das er sich erinnerte, dann waren die Diskussionen wieder losgebrochen. Einige wollten sofort die Stadt durchsuchen. Das waren die, die glaubten, wenn sie Lilith überraschten, könnten sie siegen, weil die Dämonin vielleicht noch geschwächt war.

Andere waren dafür, abzuwarten. Mehr von ihnen im Institut zu versammeln. Er hörte mehrmals das Wort Behemoth, das ihm unbekannt war, aber offensichtlich handelte es sich um einen Dämon, der schwer zu töten war. Aber man konnte ihn töten. Er hatte es irgendwann aufgegeben, das alles verstehen zu wollen und statt dessen nach Isabelle gesucht.

Sie war die einzige, die sich nicht an den Gesprächen beteiligte. Sie stand wartend im Raum, beobachtete alles und obwohl sie ihn widerwillig ansah, als er zu ihr ging, blieb sie stehen und klärte ihn schließlich auf über diese Dämonin und was Lilith wohl von ihm wollte.

Die Geschichte klang zu unwirklich, um wahr zu sein, aber sie erzählte ihm alles mit einem Ernst, der ihn schaudern ließ. In dieser Geschichte war er mutig. Er war ein Vampir, wie in einem schlechten Horrorfilm. Und als sie fertig war, erzählte sie ihm auch alles andere. Wie sie die Welt gerettet hatten. Wie er wieder zum Menschen geworden war und dass er deswegen alles vergessen hatte.

Er wollte mehrmals lachen, aber er konnte nicht. Sie sagte das alles traurig und wütend und wehmütig, ohne ihn auch nur einmal anzusehen und er fragte sich, wie weh er ihr wohl getan hatte. Und gleichzeitig blitzten immer wieder Erinnerungen auf, kleine Bruchstücke wie Fotoschnipsel, die alles bestätigten, was sie sagte. Das hatte sie ihm damals schon gesagt, und er hatte das für wüste Hirngespinste gehalten. Für ein irres Rollenspiel. Aber so einfach war es jetzt nicht mehr.

Plötzlich wirkte die Luft drückend und stickig und er wollte nur noch raus, weg von den Stimmen. Sie folgte ihm unaufgefordert, als er die Bibliothek verließ und auch noch, als er den Ausgang suchte. Die Gänge sahen alle gleich aus, und irgendwann nahm sie seine Hand und führte ihn. Die Geste war vertraut und fremd zugleich.

Als sie endlich den Aufzug verließen, ließ er sie los und riss die schwere Tür der Kathedrale auf. Sonnenlicht flutete herein und frische Luft. Der Geruch des Rasens vermischte sich mit Abgasdämpfen, der Himmel wirkte weit und blau und leer, keine Wolke zeigte sich, aber es wurde schon kühl. Im Westen blinkte ein Rest von Sonne hinter einem Hochhaus.

"Willst du nach Hause?", fragte Isabelle neben ihm. Sie klang ruhig und sachlich und er starrte sie an, um sich zu versichern, dass ihr dieser Gedanke nichts ausmachte. Aber er konnte nichts sehen in ihrem versteinerten Gesicht.

"Nein", erklärte er leise und sah ein winziges Aufleuchten in ihren Augen, das ihm die Hoffnung gab, sie könnten irgendwann wieder das füreinander sein, was sie gewesen waren. Auch wenn er sich nur in seinen Träumen daran erinnerte. "Ich kann dort jetzt nicht hin. Meine..." Er atmete tief durch. "Meine noch-Ehefrau will mich nicht sehen und wenn ich jetzt dort hin zurück gehe, dann schreit sie mich nur an, dass ich bei einer anderen gewesen wäre und hält mir gleichzeitig die Scheidungspapiere unter die Nase."

Isabelle nickte nur und starrte auf den Verkehr, der hinter dem Gitter des Tores träge dahin floss. Die Rush Hour hatte schon eingesetzt. Sie sah ein wenig schadenfroh aus. "Warum hast du sie geheiratet?", fragte sie betont gleichgültig.

Er trat einen Schritt zurück, auch wenn es ihm schwer fiel, aber irgendwie wusste er, dass es das richtige war. Denn er wollte nicht lügen, aber wenn er so dicht neben ihr stehen blieb, würde sie ihm nicht glauben. Sie sah ihn fragend an und er erwiderte ihren Blick ruhig und setzte alles auf eine Karte: "Weil sie aussieht wie du."

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