37 - L'amour et la violence

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Er saß wieder auf ihrem Bett, als sie die Tür öffnete, genau wie vorher, nur seine Schuhe standen jetzt auf dem Boden und Ruby starrte sie nachdenklich an. "Wie höflich von dir...", murmelte sie sarkastisch und ein leises Lachen antwortete ihr.

"Was ist jetzt?", sagte sie leise. "Ich bin gerade mit dem Kerl durch die halbe Welt gereist, der meine Mutter töten wollte, weil er ..." Sie kniff die Lippen zusammen und atmete tief ein. "Weil er mir irgend einen Scheiß erzählt hat, damit ich Mitleid mit ihm bekomme. Ich hab ihm einfach so geglaubt und jetzt wüsste ich gern, wozu das alles."

"Was hat er denn erzählt?", fragte Victor sanft.

Ruby schloss die Badezimmertür und lehnte sich dagegen. "Spielt das eine Rolle?!", entgegnete sie heftig. "Aber ich hab ihm geglaubt, okay? Bis zum Schluss! Bis es fast zu spät war..."

"Und wieso musste er dich dann aufschlitzen?"

Sie zuckte mit den Schultern. "Er war sich eben einfach zu sicher. Ich glaube, wenn er nicht so gedrängelt hätte und nicht so brutal geworden wäre, dann wäre ich einfach mit gegangen. Und jetzt tot."

"Dann weißt du ja eigentlich schon alles. Er hat deine Mutter entführt und ungefähr so ziemlich genau das gemacht, was sie mir vorgeworfen haben. Mit Jolene. Nur hat Isabelle sich leider erinnert, dass er's eben doch gewesen sein könnte, und sie hat ihn drauf angesprochen. Bei Jo hat der Hexenzauber versagt. Aber da wart ihr ja schon weg."

"Jo", murmelte Ruby spöttisch. "Nett." Sie stieß sich von der Tür ab und zog ihre Stiefel an. Sie wusste nicht, wann sie entschieden hatte, hier nicht warten zu können. Es mochte nicht klug sein, aber sie konnte nicht anders.

Victor beobachtete sie misstrauisch, aber sie ignorierte seinen Blick. "Was hast du vor?", fragte er alarmiert, als sie nach ihren Waffen griff.

"Ich gehe raus", erklärte Ruby grimmig. Sie fühlte sich stark, wie nach tagelangem Schlaf. Stark und klar und wütend. Sie wusste, dass es nicht von Dauer sein würde, weil die Iratze ihren Körper belog, aber das war nicht wichtig. Wichtig war nur, jetzt zu gehen und Edward zu finden und ... Sie wusste nicht was. Aber sie war sicher, dass es heute Nacht geschehen würde.

Langsam stand Victor auf, fast als wollte er ihr zeigen, dass sie nichts gegen ihn unternehmen konnte. Er drehte den Schlüssel im Schloss und steckte ihn dann ein, bevor er sich umdrehte. "Du gehst da nicht raus", sagte er frostig. "Wenn du dich unbedingt umbringen willst, musst du damit schon bis morgen warten."

Abwartend starrten sie sich an und Ruby versuchte, ihre Chancen abzuschätzen. Sie hatte keine, das wusste sie. Mit Gewalt würde sie nicht weiter kommen, aber sie sah in seinen Augen, dass er genau damit rechnete: dass sie auf ihn los ging wie eine Furie. Natürlich konnte sie jetzt nachgeben. Schlafen. Die anderen alles erledigen lassen.

"Du willst also die ganze Nacht hier bleiben?", fragte sie statt dessen und trat an ihn heran, bis sie sich Auge in Auge gegenüber standen. Wieder fiel ihr auf, dass sie fast gleich groß waren, es fehlten nur wenige Zentimeter. "Denn das müsstest du. Du kannst natürlich auch gehen, und mich von draußen einschließen. Aber dann steige ich eben aus dem Fenster. Könnte ich jetzt auch. Was meinst du, wie hoch es ist? Ob ich einfach springe?"

"Das ist nicht witzig", murmelte Victor. Sie sah ihr Spiegelbild in seinen Augen, das Blau der Iris wirkte heute fast künstlich, eisig wie ein Gletscher, ein kalter Winterhimmel. "Zwing mich nicht, dir deine Waffen abzunehmen. Wenn es sein muss, bleibe ich eben die ganze Nacht hier. Wenn es sein muss, fessel ich dich auch ans Bett..." Er legte den Kopf leicht schief und grinste sie lauernd an, als wäre es eine Einladung. Gib mir einen Grund, sagten seine Augen.

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