"Wahnsinn!", brüllte Victor und riss seine Klinge aus einem zusammenschrumpfenden Körper. Um sie herum war es wieder ruhig. Vorerst. Ruby wischte sich den Schweiß von der Stirn und betrachtete angeekelt ihre Hand, als das klebrige Zeug sich als schwärzliches Blut herausstellte.
"Ja, Wahnsinn", bestätigte sie lahm und sah sich um. "Totaler Wahnsinn..." Sie nagte an ihrer Lippe und wartete darauf, dass etwas geschah, doch nichts zeigte sich. Was gleichzeitig beunruhigend und irgendwie schön war.
"Du hast doch ne Meise", murmelte Jolene. Sie sah genauso ramponiert aus, wie Ruby sich fühlte. Victor beachtete keine von ihnen und reinigte seine Waffe notdürftig mit einer Hand voll ausgerissenem Gras, ehe er weiter in die Dunkelheit des Parks vordrang.
Sie kämpften schon seit einer Stunde, aber es kam Ruby länger vor, wobei ihr ihr Handy immer wieder höhnisch sagte, dass sie noch gar nicht lange genug unterwegs waren, um sich so erschöpft zu fühlen. Andererseits ließ die aufputschende Wirkung der Iratze wohl langsam nach. Und keine Nachricht kam. Nirgendwo das erlösende Signal, dass irgend jemand dem Spuk ein Ende machen würde, weil Edward und seine Bande von Hexenmeistern geschnappt worden waren.
Ruby nickte Jolene zu, und die Mädchen gingen hinter Victor her, leicht versetzt zwei Meter hinter ihm, die eine links und die andere rechts. Irgendwie hatte sich das so ergeben.
"Wir müssen jetzt aber keine Freundinnen werden, oder sowas", hatte Ruby zu Jolene gesagt, als der erste Mob sie umringte. Acharierai-Dämonen, missgestaltet wie riesige, mutierte Fledermäuse waren sie auf die drei Schattenjäger herab geschossen und hatten kreischend versucht, ihnen die Haare auszureißen. Oder die Köpfe.
Fast automatisch hatten die beiden Mädchen ihre Rücken gegen einander gepresst, während Victor wie ein Derwisch mit seinen beiden Klingen durch die Meute wirbelte. Der ganze Kampf hatte zwei Minuten gedauert, aber in dem ganzen Geschrei und dem Wust aus hackenden Klauen und Zähnen war es ihr wie eine Ewigkeit vorgekommen.
"Keine Panik. Ich brauche ein bisschen Normalität", kam prompt die Antwort, während sie sich verteidigten. Ruby hatte gegrinst, weil sie sich noch genau an das letzte mal erinnerten, als sie diese Unterhaltung geführt hatten, nur hatten sie da in der Küche ihrer Eltern gemütlich Tee getrunken und die Rollen waren anders verteilt gewesen.
"Ich hab schon lange von nem flotten Dreier mit euch beiden geträumt", sagte Victor. Er ging jetzt rückwärts, um die beiden Schattenjägerinnen im Auge zu behalten. Sein Grinsen war unerträglich, fast manisch eigentlich. Mit jedem getöteten Dämon wurde es schlimmer. Ruby hatte aufgehört sich zu fragen, was in ihn gefahren war und beschlossen, es zu genießen, dass er wenigstens wieder mit ihr sprach.
"Behemoth auf zehn Uhr!", quiekte Jolene erschrocken, und er fuhr so schnell herum, dass er fast über seine eigenen Füße stolperte.
Ruby versuchte, ein Kichern zu unterdrücken, und Victor warf ihr einen bösen Blick zu. "Kennst du das Märchen von dem Jungen, der immer Wolf schreit?", fragte er Jolene lauernd.
"Du meinst das Mädchen, das immer Behemoth schreit", korrigierte sie ihn grinsend und Ruby konnte nicht anders, als loszulachen.
"Ruhe jetzt!", fuhr er sie an und drehte sich weg, um wieder voraus zu gehen. Sie war sicher, dass er ebenfalls lachte, denn seine Schultern zuckten verräterisch.
Und plötzlich fiel ihr auf, dass sie sich schon lange nicht mehr so gut gefühlt hatte. Sie zogen durch einen der Parks, die Manhattan wie grüne Oasen sprenkelten, immer darauf gefasst, einen neuen Angriff zu erleben, was ihnen schon mehrfach passiert war. Aber es fühlte sich lebendig an! Und es ließ ihr keine Zeit, um nachzudenken. Nicht über Alexej,der sie einfach vergessen hatte. Nicht über Edward, der sie vermutlich einfach als Opfer missbraucht hätte, ohne einen Gedanken an sie zu verschwenden. Und vor allem nicht über die Dinge in ihrem Zimmer, etwas mehr als eine Stunde zuvor, die sie einfach ratlos machten.
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Right by your Side
FanfictionWas macht man, wenn man trotz einer Extraportion Engelsblut keine besonderen Fähigkeiten hat? Zum ersten mal verknallt und todunglücklich im öden Alicante zögert Ruby (fast) gar nicht, als sie die Chance bekommt, ins New York Institut zu wechseln. U...