86 - Unstoppable

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Jolene trat näher an die Gitterstäbe heran und ihre Finger berührten das Metall. Beinahe hätte sie geflucht, als die Hitze ihre Haut verbrannte, aber sie verkniff sich jeden Laut. Es war jetzt nicht wichtig. Ruby war wichtig. Und der Plan. Dass sie sich an den Plan hielt.

Ihre Finger zuckten, aber sie hielt ihre Hände still. Sonst hätte sie doch noch zugegriffen. Die Anspannung machte sie rasend.

Aber Ruby musste das nicht wissen. Ruby, die da stand und lächelte und mit ihren Augen Jolene anzuflehen schien, damit sie es nicht tun musste. Aber sie musste. Es ging nicht anders. Oder zumindest fiel ihr keine bessere Möglichkeit ein. Vielleicht später. Wenn sie hier raus waren, würden ihr sicher eine Million Möglichkeiten einfallen. Allesamt besser als das, was sie Ruby in dieser kurzen Zeit hatte sagen können.

So kurz. So wenig Zeit. Ruby hatte sich verabschieden wollen. Die dumme Kuh war doch tatsächlich rührselig geworden, und Jolene hatte es einfach nicht ausgehalten. Den Plan, das alles irgendwie zu überleben, hatte sie schon gehabt. Aber sie brauchte Ruby dazu. Die wirklich wichtigen Sachen mussten eben immer die Mädchen erledigen. Die hinterhältigen Sachen.

Sie warf einen Blick zu Edward zurück, der Ruby stolz betrachtete, als wäre sie seine Schöpfung. Als wäre es sein Verdienst, dass sie da so hilflos stand. Der Junge mochte ihn irgendwie ausgetrickst haben, was auch immer das jetzt für sie bedeuten würde, aber er machte sich noch immer keine Sorgen. Lilith war sicher sehr überzeugend gewesen.

Ruby hatte sie das nicht erzählt, aber Jolene hatte alles über Lilith gelesen. Alles. Und wenn sie sich getraut hätte, hätte sie auch Jace befragt, Rubys wirklich grusligen Vater. Aber sie traute sich nicht. Hauptsächlich, weil niemand wissen musste, wie begierig sie auf diese Dinge war. Das Wissen über diese Allmacht. Lilith war damals schließlich nur durch einen glücklichen Zufall besiegt worden. Ohne das Kainsmal hätte sie sich vielleicht einfach alles genommen, was sie wollte.

Das Kainsmal.

Jolene warf einen Blick zu dem Tisch, auf dem der Junge noch immer saß. Seine tiefschwarzen Augen musterten sie eindringlich und Jolene blendete ihn einfach aus. Es gab ihn wirklich. Er zeigte sich endlich. Er war höchstwahrscheinlich das gefährlichste hier. Das alles wusste sie, aber solange er sich nicht bewegte, war er ihr fürs erste egal.

Das Ding war es nicht.

Magnus hatte eine Menge Vermutungen gehabt, was es war und wie sie es vorfinden würden. Viele abgefahrene Hexenmeister-Theorien, von denen Jolene das meiste nicht verstanden hatte. Aber das musste sie auch nicht. Wichtig waren nur ein paar Kleinigkeiten. Sie konnten es nicht zerstören, das war die erste. Aber es spielte auch keine Rolle. Es ging nicht um zerstören, sondern verletzen. Das würde schon genügen und das traute sie sich ja wirklich noch zu, sogar wenn es um eine Dämonin wie Lilith ging, die immerhin nicht mal hier war. Zweitens vermutete Magnus, dass es sich um Liliths Herz handeln würde. Das mächtigste, wichtigste Organ. Auch gut. Etwas klischeehaft, aber gut. Alles andere wäre auch irgendwie albern gewesen. Man stelle sich nur mal vor, sie würden hier auf der Jagd nach einem einzelnen Arm sein.

Nein, nicht an sowas denken, sonst wurde sie noch hysterisch vor Anspannung.

Drittens war der entscheidende Punkt. Der einzig gefährliche. Das Kainsmal und seine lustigen Nebenwirkungen. Irgend etwas über Dimensionsverschiebungen, Zeitverzerrung und dämonische Unsterblichkeit. Davon hatte sie sowenig verstanden, dass sie einfach nicht mehr zugehört hatte, bis Magnus endlich auf den Punkt gekommen war. Dass Lilith sich irgendwann davon erholen würde, war klar. Und dass man ihr dabei ein bisschen helfen konnte, hatten Edward und viel früher schon Sebastian mit ihren Opfergaben bewiesen. Das waren alles keine wirklich wichtigen Informationen, obwohl sie es sehr interessant fand, dass die Lehrer in der Schule diesen Teil gern zurückhielten. Als würde es sonst so ein Irrer noch mal versuchen.

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