51 - Pokerface

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Magnus beobachtete Alec, der schlafend neben ihm im Bett lag. Es hatte in der letzten Zeit viel zu wenige von diesen ruhigen Momenten gegeben, und er wollte jeden davon auskosten.

Es war Jahre her, dass er und Alec sich getrennt hatten, weil Alec nicht damit leben konnte, dass er lange, lange Zeit vor Magnus sterben würde. Inzwischen hatten sie es geschafft, sich damit zu arrangieren, auch wenn Alec sich oft zurück zog. Magnus liebte ihn deshalb nicht weniger, aber von Zeit zu Zeit fiel es ihm schwer, diesen Ausdruck in Alecs Augen zu ertragen: der Schattenjäger wurde älter, und er wusste es. Jetzt, mit Mitte Dreißig, war er immer noch gut aussehend, mehr sogar als früher. Alec mochte es ihm nicht glauben, aber für Magnus war er der schönste Mann, den es gab. Für ihn hatte sich der Schattenjäger kaum verändert. Dass die Jahre vergingen, machte ihm nur Alec bewusst, wenn er diesen Ausdruck in den Augen hatte: so viel Trauer.

Deshalb betrachtete Magnus ihn so gern im Schlaf. Sein Gesicht war dann weich und schutzlos. Magnus strich ihm sanft über das schwarze Haar, bevor er leise aufstand, und sich anzog. Er wollte diese wenigen Minuten nutzen, die er noch für sich hatte. Alec regte sich im Schlaf, erseufzte leise und würde bald aufwachen. Und dann würde er fragen.

Magnus wusste, dass Alec nicht einfach so bei ihm aufgetaucht war, auch wenn er das oft machte. Er hatte diesen Ausdruck im Gesicht gehabt, der nichts gutes bedeuten konnte, doch trotzdem hatte Magnus so getan, als wäre alles wie immer. Er kannte den Schattenjäger inzwischen gut genug, um ihm seine Zeit zu lassen. Und er wollte diese Momente genießen, in denen sie nur beieinander waren. Sie würden seltener werden, immer mehr. Alec war nicht der erste Sterbliche, mit dem Magnus seine Zeit verbrachte. Er versuchte, sich davon nicht beeinflussen zu lassen, aber manchmal, in Augenblicken wie diesen, spürte er die Traurigkeit schon, die er empfinden würde, wenn Alec ihn irgendwann allein ließ.

"Du bist schon auf", sagte Alec, als er verschlafen in die Küche stolperte. Sein Haar war wirr, er hatte sich nur eine Hose angezogen und Magnus genoss den Anblick der schwarzen Runen, die auf seinen Muskeln tanzten, als Alec sich eine Tasse aus dem Schrank nahm. Wortlos goss Magnus ihm Kaffee ein und musterte seinen Geliebten, während Alec nachdenklich trank.

"Erzähl", sagte er irgendwann, als sie sich nur noch wortlos anstarrten.

Alec zuckte zusammen, als hätte er vergessen, dass Magnus ihn immer durchschauen würde. Nach so vielen Jahren konnte er in ihm lesen wie in einem Buch, auch wenn es Alec immer noch gut gelang, seine Emotionen zu verstecken.

Der Schattenjäger öffnete den Mund, doch nach ein paar Sekunden schloss er ihn wieder. Er nickte als Zeichen, dass er reden würde, doch er verließ die Küche und Magnus folgte ihm, beobachtete ihn weiter, während sich Alec das Shirt überzog, als würde er sich damit wohler fühlen. Dann setzte sich der Schattenjäger aufs Bett, ganz an den Rand, als wollte er es sich nicht zu bequem machen, und starrte auf seine Hände.

"Jace ist zurück", begann Alec und Magnus wartete geduldig, während er nach Worten suchte. "Er hat ... ein Gespräch belauscht." Die Luft schien zu knistern. Alec regte sich unruhig. Seine Augen waren fragend und ein Schimmer von Ärger und Misstrauen lag darin, als er zu Magnus aufsah. "Der Inquisitor hat anscheinend herausgefunden, dass Edward und seine ... Hexenmeister nicht nur einfache Dämonen beschworen haben."

Magnus blinzelte, dann seufzte er und setzte sich neben Alec. "Darum geht es also", sagte er leise und hätte gern Alecs Hand genommen, doch der Schattenjäger schien Distanz zwischen sich und ihn bringen zu wollen. Er bewegte sich nicht weg, aber seine Haltung sagte alles.

"Du hast recht", fuhr Magnus fort, als hätte Alec es schon ausgesprochen. "Wir haben tatsächlich Hinweise darauf gefunden, dass er etwas Größeres beschwören wollte." Er hätte den Namen aussprechen können, doch auch so lag schon eine gewisse Spannung über ihnen, hing wie ein unsichtbares Schwert in der Luft, das jeden Moment auf sie herabsausen konnte.

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