Das Schwert fühlte sich kühl an in ihren Händen, schön und unbarmherzig zugleich. Ruby fröstelte und wartete darauf, dass das Metall sich erwärmen würde, je länger sie es hielt, doch das tat es nicht. Es schien die Wärme aus ihr heraus zu saugen.
"Was ist an diesem Tag geschehen?", fragte Robert Lightwood. Seine Augen waren so blau wie Alecs, doch lange nicht so warm. Nur kalt und tot und grausam. Sie empfand sie als grausam. War er schon immer so gewesen? Hatte dieser Mann Alec und Isabelle großgezogen, zwei so liebevolle Menschen? Oder hatte sein Status als Inquisitor ihn so kalt gemacht?
Sie merkte plötzlich, dass ihr Mund sich von allein bewegte, die Worte sprudelten daraus hervor, stockend, als ihre Gedanken abgelenkt gewesen waren, doch jetzt flüssiger, als sie sich auf das konzentrierte, was von ihr verlangt wurde.
"...den Schritten gefolgt. Es waren keine auf der Treppe, obwohl da genauso viel Staub lag, aber ich habe sie im Labyrinth gesehen. Ich war so wütend, dass ich ihnen gefolgt bin, aber ich wusste nicht, wohin sie führen. Dann habe ich den Raum gefunden, in dem Mom lag. Ich wollte zu ihr hin, aber da war diese unsichtbare Mauer. Das habe ich nicht sofort gemerkt, weil der Hexenmeister mir auffiel und dann ... diese Person. Wir..."
"Wer war diese Person?", unterbrach der Inquisitor sie. Das hatte er bei den ersten beiden Malen nicht getan. Aber sie hatte gezögert. Diesmal hatte sie gezögert, als wollte das Schwert sie davon abhalten, auch nur die kleinste Kleinigkeit auszulassen. Es lag kalt in ihren Händen, eiskalt. Es schien ihre Fingerspitzen zu verbrennen und sie wollte es loslassen, es fallen lassen, aber sie konnte nicht, starrte nur wie hypnotisiert auf die Klinge, in der sich ihr Gesicht mit den weit aufgerissenen Augen spiegelte.
"Ich weiß es nicht..."
"Du weißt etwas", fuhr Robert sie an. "Wer war es? Wen hast du erkannt?"
Das Schwert brannte und sie wollte schweigen, darauf beharren, was sie gesagt hatte, aber es ließ sie nicht. Es war so kalt, so schrecklich brennend kalt, als würde Eis durch ihre Adern bis zu ihrem Herzen wandern.
"Ich habe Victor gesehen", stieß sie die Worte mühsam hervor. "Er kam aus dem Schatten. Er hat mich ausgelacht und gesagt, dass er sich an allen rächen will für das, was man ihm angetan hat. Es klang alles so logisch, weil ich von seinem Großvater wusste, und ich hatte Angst... Er hat mich angegriffen, er wollte mich töten, aber er hatte nur ein Schwert! Nur eins. Victor kämpft nie mit nur einem Schwert. Niemals! Und dann kam jemand, er hat gerufen und ich rief um Hilfe und Victor kam in den Raum. Ein zweiter Victor, es waren zwei... Ich wusste erst nicht..." Ihre Stimme brach. Sie fühlte sich so kalt, sie wollte endlich aufhören, während Mellartach ihr alles Leben aus den Knochen saugte. Ihre Hände sahen so tot aus, so tot, blutleer und fremd, aber sie konnte nicht aufhören.
"Der andere Victor, der böse Victor..." Die Worte schmerzten. "Es war nur eine Illusion und als Victor gekommen ist, der richtige, ist sie verschwunden. Da war nur jemand ganz in Schwarz mit einer schwarzen Maske und schwarzen Handschuhen, ich konnte nur seine Augen sehen. Er hatte ein Engelsschwert, aber nur eins. Victor kämpft immer mit zweien... immer..."
Sie hörte sich betteln. Darum, dass man ihr glaubte. Darum, endlich aufhören zu dürfen. Die Klinge blitzte, als sie zitterte. Spöttisch. "Sie haben gekämpft und ich wollte Mom befreien, aber der Hexenmeister hat mich angegriffen. Ich konnte nicht mehr atmen und Victor wollte mir helfen, er hat sich ablenken lassen, und der andere hat ihn von hinten erstochen, bevor er weggelaufen ist. Ich habe seine Augen gesehen. Sie waren so blau... Er hat das Schwert da gelassen und ich musste Victor helfen, er wäre verblutet. Ich ..." Ihre Knie zitterten so sehr, dass sie schwankte.
Sie wäre gefallen, aber wie ein lautloser Schatten glitt Bruder Samuel zu ihr, seine Hände nahmen ihr sanft das Schwert aus den eisigen Händen und er fing sie auf, als wöge sie nichts.
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Right by your Side
Fiksi PenggemarWas macht man, wenn man trotz einer Extraportion Engelsblut keine besonderen Fähigkeiten hat? Zum ersten mal verknallt und todunglücklich im öden Alicante zögert Ruby (fast) gar nicht, als sie die Chance bekommt, ins New York Institut zu wechseln. U...