Smiths Sicht
Lachend lehne ich gegen eins der schweren Fässer gefüllt mir Rum und beobachte Joe dabei, wie er einen der Jungen, die sich hier am Hafen rumtreiben, zusammen staucht.
Der Junge hat versucht ein paar unserer Lebensmittel mitgehen zu lassen und hat sich ausgerechnet von Joe erwischen lassen.
Man sieht dem Jungen an, dass er wahnsinnige Angst vor dem Bullen vor sich hat und am liebsten im Erdboden versinken würde, jedoch ist ihm das bei allen Göttern und den Weltmeeren nicht vergönnt. "Joe!", rufe ich und stoße mich von dem Fass ab. Mit vor der Brust verschränkten Armen gehe ich auf die beiden zu und mit grossen Augen schaut der Junge mich an. "Sir", stottert er, jedoch winke ich ab. "Ich bin kein Sir, also brauchst du mich auch nicht so nennen. Wieso wolltest du ausgerechnet uns bestehlen? Und dann auch noch sowas." Ich deute auf das Brot, welches er in seinem Hemd verstecken wollte und sehe wieder zu dem Jungen. Dieser schluckt nervös.
"Das Fieber mein Herr. Alle sterben daran. Ich habe bereits meine Eltern an diese Krankheit verloren. Ich habe nichts mehr, ausser schrecklichen Hunger." Skeptisch ziehe ich meine Augenbraue hoch.
Mir ist bereits aufgefallen, dass es leerer wirkt und die Engländer ein ziemliches Chaos hinterlassen haben, aber dass hier eine tödliche Krankheit wüten soll? Dies war mir nicht bewusst.
"Du sagst du hast deine Eltern und sonst alles verloren?", hake ich nach und der kleine Junge nickt hektisch. "Behalt das Brot", sage ich und werde mit grossen Augen von Joe angesehen. "Smith", sagt er, jedoch bringe ich ihn mit einer kurzen Handgeste wieder zum schweigen. "Behalt das Brot, wenn du für uns arbeitest. Das Deck schrubbst und sonstige Aufgaben erledigst, die wir dir geben. Dafür bekommst du ein Zuhause, eine neue Famile und mehrere Mahlzeiten am Tag."Der Junge scheint kurz zu überlegen, nickt dann jedoch und willigt in meinen Vorschlag ein. Jedoch kann er nichts mehr sagen, denn Joe schiebt uns bereits zur Seite. "Scheiße", murmelnd geht er an mir vorbei und nun sehe ich in die Richtung, merke wie mir schlecht wird.
Jason kommt zurück, gefolgt von Valeria und trägt einen Körper auf dem Arm, lediglich durch ein Laken verdeckt. Als Valeria uns sieht bricht sie weinend zusammen und bevor sie auf dem Holzsteg aufkommt hat Joe bereits reagiert und sie aufgefangen. Weinend krallt sie sich an die Brust des Koches, während mein Bester Freund an mir vorbei läuft, ohne ein Wort zu sagen, den Blick starr nach vorne gerichtet.
Schwarze lange Haare kommen unter dem Laken zum Vorschein und bestätigen meinen Verdacht, um wen es sich handeln muss. Es ist Sophia die leblos in Jasons Armen liegt. Ist sie auch dem Fieber erlitten?
"Das sind die Suarez Schwestern... ich kenne sie aus meiner Kindheit", flüstert der Knabe. Er hat das Brot vor Schock fallen lassen, weshalb ich es aufhebe und nicke. "Geh an Deck kleiner. Dort sind Jungs in deinem Alter, sie werden dir alles zeigen, aber komm dem Captain lieber vorerst nicht in die Quere." Ich drücke dem Jungen das Brot in die Hand und schiebe ihn sachte in richtung eines der Ruderboote, in welches wir Proviant geladen haben. Einer unserer Männer nimmt ihn in Empfang, jedoch ignoriere ich das ganze und eile stattdessen Jason hinterher, um mich zu ihm, Joe und den beiden Frauen ins Boot zu setzen, während unsere Crew sich um die restlichen Vorräte kümmert.Schweigend sitzt mein Bester Freund und Captain mir gegenüber, während immer wieder Tränen über seine Wangen laufen und auf das Laken tropfen, welches die Frau auf seinem Schoß verdeckt.
Das einzige Geräusch, welches neben dem des Wassers zu hören ist, ist Valerias Schluchzen an Joes Brust. Ihr Gesicht zieren rote Flecken und ihre Augen sind gerötet, während sie dunkle Augenringe trägt. Seit wann hat dieses Mädchen nicht mehr geschlafen?
Schweigend rudere ich uns zur Hell und stoppe, sobald wir angekommen sind. Mit einem Pfiff signalisiere ich der Crew an Deck, dass sie Seile runter werfen sollen, damit wir das Boot mit der Toten Sophia drin hochziehen können.
Ich sehe Jason an, dass er sich nur widerwillig von ihr löst und sie ungern zurück lässt, jedoch weiss er, dass er die Strickleiter hochklettern muss. Joe und Valeria klettern nach ihm nach oben und nachdem ich nocheinmal sicher gegangen bin, dass sich kein Knoten lösen kann, klettere auch ich nach oben.
Vorsichtig wird daraufhin das Boot an Deck geholt und sobald es steht hebt Jason Sophias Körper wieder hoch und verschwindet schweigend in seine Kajüte. Auch Joe trägt das Mädchen in seinem Arm in ihre Kabine und ich sehe ihnen kurz hinterher, ehe ich seufze und mir an die Stirn fasse."Bringt die restlichen Vorräte so schnell wie möglich an Bord!", brülle ich einmal quer übers Deck. "Wir legen so bald wie möglich ab!"
Ich sehe mich um und zeige auf drei der Männer. "Ihr da! Lasst das Boot wieder zu Wasser und helft den Männern an Land mit dem Rest. Nehmt einen der Knaben mit, wir haben einen neuen." Sie nicken und gehen sofort in Richtung des Bootes, während ich zu Jasons Kajüte gehe.
Vorsichtig klopfe ich an und öffne die Türe, da ich gar keine Antwort von ihm erwarte. Das Bild welches sich mir beim Eintreten bietet schnürt mir förmlich die Brust zusammen und ich schlucke schwer, als ich die Türe leise hinter mir schliesse.
Jason hat Sophia auf sein Bett gelegt und kniet weinend vor ihr, hält dabei ihre Hand fest und lehnt mit der Stirn an der Bettkante. Sein ganzer Oberkörper bebt und das Schluchzen, welches er von sich gibt zerreisst mein Herz förmlich in Tausend Stücke. Ich kann mich nicht daran erinnern, ihn jemals so gesehen zu haben.
Langsam gehe ich zu ihm und lege meine Hand auf seinen Rücken zwischen seine Schulterblätter. Kurz spannt er sich durch dieses Berührung an, lässt jedoch dann wieder locker und sieht langsam auf, als ich beginne leise Geräusche wie shh von mir zu geben, um ihn ein wenig zu beruhigen. Mit aller Kraft kämpfe ich gegen meine eigenen Tränen an, welche sich ein wenig aus meinen Augen bahnen wollen, da ich für meinen Freund stark sein muss und möchte.Langsam gehe ich neben ihm in die Hocke und lehne mich mit dem Rücken gegen sein Bett, mustere ihn bon der Seite aus. "Ich hab der Crew gesagt, dass wir heute Abend ablegen." Er nickt.
Kurz schweige ich. "Möchtest du noch einmal an Land?" Wieder nickt er. Mir war bewusst, dass so seine Antwort sein wird, denn so wie ich ihn kenne, wird er Sophias Sachen nicht einfach hier zurück lassen.
Gemeinsam schweigen wir eine Weile und ich merke, dass sein Blick ins Leere abschweift, weshalb ich leise aufstehe. "Ich lasse dir ein Beiboot vorbereiten. Dann kannst du wann immer du möchtest an Land gehen Jason." Ich gehe zur Türe und bleibe stehen, mustere ihn.
"Ich bin für dich da. Immer."
Nach diesen Worten verlasse ich seine Kajüte und tue, was ich ihm versprochen habe. Auch wenn ich gesagt habe, dass ich ein Boot vorbereiten lasse, entscheide ich mich dazu, dieser Arbeit nachzugehen.
Einfach um dieser Frau die letzte Ehre zu erweisen. Einer Freundin, die auch ich in mein Herz geschlossen habe.
Jetzt, wo ich für mich bin, lasse auch ich dem Schmerz, welcher sich in mir ausbreitet freien Lauf. Tränen rollen über meine Wangen und tropfen auf meine Hände, die an den Tauen beschäftigt sind. Selten ist mir der Verlust einer Person so nah gegangen wie der von Sophia Suarez.
Die Frau die das Herz des Captains gestohlen hat, von dem jeder dachte er besäße keins. Der Verlust einer Frau, die diesem Schiff auf ihre ganz besondere und eigene Art und Weise Leben eingehaucht hat.
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Jason - Eine Ewigkeit im Kampf
VampireJason Grant eine seit Jahrhunderten bekannte Persönlichkeit lebt sein Leben zwischen Tod, Liebe, Verlust und Magie. Begleitet Jason durch sein bereits mehrere Jahrhunderte andauerndes Leben. Angefangen als Knabe an Deck, hochgearbeitet zum Gefürcht...