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Die Tatsache, dass sich Sophia dank Smith auf meinem Schiff befindet lässt mich auch nach einigen Tagen nicht zur Ruhe kommen.
Mir ist bewusst, dass sie versucht mir weitestgehend aus dem Weg zu gehen, da ich sie nur selten wirklich zu Gesicht bekomme und dennoch werde ich jedes einzelne Mal wütend, wenn ich sie sehe. Sie ist ein blinder Passagier, unerwünscht und wäre bereits von Bord gegangen, wenn Smith und Joe sich mir nicht widersetzt hätten.

Heute ist wieder einer dieser Tage, an denen die Sonne unnachgiebig knallt und selbst mir den Schweiß auf die Stirn treibt. Die Hitze brennt förmlich an Deck und auch meine Männer die ihrer Arbeit nachgehen sind langsamer als sonst, da ihnen selbst in den unteren Decks keine Abkühlung vergönnt ist. Überall an Bord meines Schiffes steht die Luft, sodass ich mich bereits heute morgen nackt und verschwitzt aus dem Bett gequält habe.

Smith mit einem Blick, der ihm zeigt, dass ich immernoch wütend bin, das Steuer übergebend verlasse ich das Oberste Deck und gehe die Treppen runter. Die Männer die die Planken und die Reling schrubben grüßen mich mit einem Kopfnicken, bis ich schließlich auf der Treppe verschwinde um in die Küche zu Joe zu gelangen.

Natürlich muss ich in einem der Gemeinschaftsräume jedoch auf den wohl meist gehassten blinden Passagier treffen, der mir je unter gekommen ist.
Sophia hält einen Mopp in den Händen, wischt in stetigen Bewegungen in der Hitze durch die Räume, jedoch stockt sie, als sie meine Anwesenheit bemerkt. Mit ihrem Rücken dreht sie sich zu mir, beugt sich vor, wodurch ihr die langen Haare ins Gesicht fallen und weder sie mir, noch ich ihr in die Augen sehen kann.

"Wisch oben an Deck weiter." Ich verschränke die Arme vor der Brust, wodurch ich erst merke wie verschwitzt das dünne Leinenhemd ist, dass ich trage. "Und danach wechsel meine Laken. Sie sind durchgeschwitzt."

Ohne ein Wort zu sagen geht sie daraufhin an mir vorbei, während ich sie verfolge, bis sie aus meinem Blickfeld verschwunden ist als sie Treppen hoch geht. Während sie also ihrer Arbeit nachgeht steuere ich die Küche und somit auch Joe an. Dieser ist wie immer damit beschäftigt alle Zutaten für das heutige Essen zu schneiden und bemerkt mich daher erst, als ich den Raum betrete um mich an den Tisch zu setzen. Ihm gegenüber sitzend beobachtet er mich eine Weile stumm, ehe er mit dem Schneiden einer Kartoffel fortfährt, wodurch ein stetiges Geräusch des auf das Brett knallenden Messers in der Küche ertönt.
"Du solltest sie nicht so hart ran nehmen, Jason", sagt er irgendwann. Ich sehe zu ihm, doch er hält den Blick weiterhin auf seine Arbeit gesenkt. Schnaubend schüttle ich den Kopf. "Sie ist ein blinder Passagier auf meinem Schiff und wer mit reisen will, der muss arbeiten. So ist es schon immer und daran ändert sich nichts nur weil sie einst ein anderes Leben genossen hat. Zeiten ändern sich Joe und ich war gnädig genug sie nicht von Bord gehen zu lassen."
Nun stoppt er und mustert mich für einen Augenblick forschend. Ich jedoch greife in die Schüssel mit den Äpfeln und nehme mir einen heraus um meinem Körper ein wenig Energie in Form von Vitaminen zu geben, denn die Sonne zehrt stark an unser aller Kräfte. Da Joe sich wieder seiner Arbeit widmet nehme ich mir einen Krug aus dem hinter mir liegenden Regal, welchen ich mit Wasser fülle ehe ich mich wieder setze.

Seufzend platziere ich meinen Kopf auf meiner Hand. "Ihr hättet sie nicht an Bord bringen sollen", sage ich leise.
Joe hält inne und mir ist sein Blick nur allzu bewusst, denn ich spüre ihn, wie er sich förmlich durch mich hindurch brennt. "Und sie auf Tortuga verrotten lassen? Jason, das ist deine Insel, deine Stadt. Wir alle wissen, dass du sie zur Strafe nie wieder hättest gehen lassen. Wir waren also die einzige Möglichkeit für dieses Mädchen um nachhause zu kommen."
"Sie hätte nach unserer Abreise auf ein Schiff gehen können", werfe ich ein, da ich mir einfach nicht anhören möchte, dass er recht hat. Ich hasse es, dass er Recht hat.
Joe lacht bitter. "Um dann wieder vergewaltigt zu werden nur weil sie eine Frau ist und nicht mehr an deiner Seite steht?"
Ich schaue auf, denn wieso zum Teufel weiß er von diesem Vorfall? Joes Blick verliert an Fröhlichkeit. "Ich bin seit du die See das erste Mal bereist hast an deiner Seite Jason und du hast mir nichts davon erzählt, obwohl du weißt, dass auch mir die beiden Suarez Mädchen am Herzen liegen. Es ist schlimm genug, dass du es mir nicht erzählt hast, als Freund, aber jetzt hab wenigstens den Anstand zu verbergen, dass du es niemals vor hattest." In seiner Stimme klingt so viel Enttäuschung mit, dass ich nicht anders kann als hart zu schlucken. Joe und Smith sind meine engsten Freunde und begleiten mich seit meinem ersten Tag an Deck eines Schiffes und dass den beiden Sophia und besonders Valeria wichtig sind ist mir mehr als bewusst, also tue ich das einzig richtige in dieser Situation.
"Es tut mir leid." Ich sehe ihn an, sodass mir nicht entgeht wie er für einen Moment ganz still geworden ist und inne hält. Dann jedoch nickt er mit zusammengekniffenen Lippen, kommt um den Tisch herum und zieht mich in eine Umarmung bei der er mir auf den Rücken klopft.
"Manchmal erinnere ich mich an den kleinen Burschen, der ganz allein an Deck des Schiffes gekommen ist und unsere Hilfe brauchte um zu überleben. Ich wünschte auch du würdest dich genauso oft daran erinnern wie Smith und ich es tun." Er löst sich wieder von mir und widmet sich daraufhin wieder seiner Arbeit, während ich ihn mit einem flauen Gefühl im Magen allein lasse.

Jason - Eine Ewigkeit im KampfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt