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Celias Sicht

1820

"Noch einen Krug Rum bitte!", verlange ich von dem Mann hinter der Bar. Er mustert mich für einen Augenblick zu lang abschätzend, ehe er tatsächlich meinen Krug zu denen der Bestellung von dem Typen vor mir stellt und sich dran macht sie alle nacheinander zu befüllen. Die Taverne ist brechend voll, so wie ich es von Havanna gewöhnt bin und dennoch ist etwas anders. Die Männer sind anders, denn allesamt sprechen sie nur über ein Thema, welches seit Jahrhunderten die Mäuler all derer beherrscht, die selbst nichts zu berichten haben.

Als mir der Krug serviert wird drücke ich dem Barmann ein paar Münzen in die Hand, ehe ich mich an einen Tisch an der Wand setze und den Gesprächen der anwesenden lausche. Der Mann, dem ich das Bett wärme, beherrscht sie alle. Der Mann, der mir seine Nächte widmet ist es, den sie alle fürchten und dennoch verehren als wäre er ein Gott.
Ein Mann, den ich auf Mitte bis Ende vierzig schätze lässt mich jedoch genauer hinhören, denn statt der typischen Gespräche scheint er sich vollkommen sicher mit dem zu sein, was er seinen Kollegen erzählt. "Unter all den Glücksrittern die in den Meeren hausen, zählt er ganz klar zu den gerissensten. Einst zählten sich Seelen wie Blackbeard und Drake zu den gefährlichsten Plagen der Welt." Er hält inne und lehnt sich auf seinem Platz vor, was ich ihm gleich tue, um sehen zu können wie sich sein Gesichtsaudruck verändert. "Aber dieser Mann..." Er wird ernst. "Er ist ein verschlagener Hund, der sich von Tod und Terror nährt." Vollkommen richtig stimme ich ihm in Gedanken zu. "Ich sah wie er auf Deck einer spanischen Galeone klarschiff machte als wäre es nichts. Er kämpft wie ein Teufel in Gestalt eines Menschen und gewitzt ist er. Findet seinen Weg über jede Klippe und jeden Winkel dieser Welt, ohne dass ihn je jemand sieht. Doch finger weg von seinem Privatleben. Diesen Mann umgeben Geheimnisse, nach denen kein Mensch je fragen sollte." Das Jason einen persönlichen Groll gegen alles und jeden hegt der aus Spanien stammt ist mir bewusst, also kann ich mir gut vorstellen, dass das stimmen könnte, aber dass er ihn gesehen haben will?

Ich lehne mich wieder zurück, denn wahrscheinlich handelt es sich bei ihm wie beim ganzen Rest um einen Lügner der sich Anerkennung durch solche Geschichten erarbeiten möchte. Ein Mann der Captain Jason Grant gesehen und auch noch überlebt haben soll.
"Wie sah er aus?", fragt einer der Männer um ihn herum neugierig. Der Schwafler schaut ihn fragend an, woraufhin "als ihr ihn auf der spanischen Galeone gesehen habt" hinzugefügt wird. Erneut verändert sich der Gesichtsausdruck des Mannes und nur für den Bruchteil einer Sekunde kann ich tatsächlich Nervosität erkennen. Denn was antwortet man auf soetwas, wenn man ihn noch nie gesehen hat?
Doch genauso schnell wie dieser Anflug gekommen ist, ist er bereits wieder verschwunden und grinsend verschränkt er die Arme vor der Brust. "Ein Mann mit schütterem Haar, gezeichnet vom Alter und dem Leben, dass er führt. Ein Gesicht entstellt durch Narben und doch ein muskulöser großer Körper."
Ich schnaube leise als ich sehe wie ihm die Leute an den Lippen kleben und diese offensichtlichen Lügen auch noch glauben.

Aus einem Impuls heraus stehe ich schließlich auf und nehme meinen Krug mit. Auf dem Weg zu dem Tisch an welchem die Runde sitzt trinke ich ihn rasch aus, um ihn dann mit einem Knall auf dem Tisch abzustellen, was mir die Aufmerksamkeit aller einbringt.
"Ich habe gehört Captain Grant soll ein attraktiver junger Mann sein, dessen muskulöser Körper übersäht ist mit Tattoos, aber Narben? Wer soll ihm die verpasst haben, wenn niemand je an ihn heran gekommen ist?" Ich grinse. "Aber glaubt ihr nur weiterhin an Märchen, eines Nachts wird euch der Captain heimsuchen und euch eure Frauen klauen, bevor er sie vergewaltigt und tötet."
Ich zwinkere den perplex dreinschauenden Herrschaften noxh zu, ehe ich mich anwende und grinsend das Lokal verlasse.

Mein Weg führt mich durch die mittlerweile in der Nacht beleuchteten Gassen Havanas bis hin zu Jasons Anwesen, an welchem ich bereits von Smith und Joe am Tor erwartet werde. Sie beide tragen Masken, da an diesem Abend ein Maskenball im großen Saal des Anwesens stattfindet, vor welchem ich eventuell geflüchtet bin.
"Er ist sauer", raunt Smith mir zu, während mich die beiden ins innere geleiten. "Zieh dich um Celia, er wartet bereits auf dich und ich würde ihn nicht weiter reizen."
"Er weiß, dass ich keine Lust auf einen Ball hatte, also muss er damit zurecht kommen, dass ich als Captain meinen Willen durchsetze."
Smith verdreht die Augen. "Ihr beide seid Captain, nur leider ist er in der Hierarchie über dir und nun mach." Er scheucht mich förmlich die Treppen hoch in Richtung meiner Gemächer in welchen noch immer mein Kleid auf dem Bett liegt und darauf wartet, dass ich es trage.

Jason - Eine Ewigkeit im KampfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt