Kapitel 5

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Natürlich hätte ich gerne gewonnen, doch im Endeffekt machte es mir überhaupt nichts aus, dass dem jetzt nicht der Fall war. Schnell stand ich auf und wollte schon wieder zu meinem Platz gehen, doch Benjamin kam mir entgegen. Er lächelte mich an und gab mir mit einem nett gemeinten "Gut gespielt!" die Hand. "Ebenfalls", sagte ich lachend und quetschte mich danach durch meine Sitzreihe. Oh man, war das gerade echt passiert? Dümmlich grinsend setzte ich mich auf meinen Platz, während die meisten Abiturienten schon wieder den Raum verließen. Benjamin war einer der letzten, der sich letztlich die Mütze wieder aufsetzte und den Raum verließ, nicht ohne sich vorher noch einmal kurz umzudrehen.

An der Stelle konnte ich mich beim besten Willen nicht mehr auf den Mathe Unterricht konzentrieren. Kayla, einen Platz neben mir, hatte damit offensichtlich keinerlei Probleme. Es schien mir, als hätte diese kurze Ablenkung den Meisten Energie gegeben, weshalb sich alle auf einmal wieder begeistert auf die Aufgaben stürzten. Meine Gedanken jedoch waren gar nicht bei der Sache, weshalb ich äußerst froh war, dass ich nur wenige Minuten später erlöst war.

So strich der restliche Schultag irgendwie so dahin. Die Mittagspause zog sich wie immer ewig und auch in den zwei Stunden danach passierte nichts außergewöhnlich interessantes. In Erdkunde kamen wieder einige Abiturienten in den Raum, ich erkannte aber schon von Anfang an, dass es sich um eine andere Gruppe handelte und war daher nicht überrascht, dass Benjamin nicht unter ihnen war. Was nicht hieß, dass ich nicht trotzdem ein bisschen enttäuscht war.

Während Kayla und ich also nach 9 langen Stunden endlich wieder nach Hause gehen konnten, erzählten wir uns gegenseitig von unserem Tag. Ich ließ Benjamin aus und erzählte ledigleich von meinen Lehrern und wie viele Hausaufgaben ich über die Ferien aufbekommen hatte. "Eine Unverschämtheit, wirklich!", beklagte ich mich. "Was denken die sich eigentlich? Als hätte ich nichts anderes zu tun." Meine beste Freundin stimmte mir zu und erzählte ähnlich Nerven aufreibende Momente von ihrem Tag. Benjamin und das Limbo waren für sie komplett vergessen. Im Grunde genommen wusste ich nicht einmal, ob sie überhaupt wusste, wer er war oder ihn je zuvor gesehen hatte.

"Karla, Mark und ein paar andere kommen nachher zu mir", sagte sie, als wir bei ihr zuhause ankamen. Ich wohnte noch ein paar Meter weiter, blieb aber wie immer noch ein paar Minuten länger, weil wir nie aufhörten konnten, zu quatschen. "Wenn du willst kannst du auch kommen", bot sie mir an. "Gehst du überhaupt zur Wendehammerparty?"

Die Wendehammerparty. Noch so eine Tradition unserer Schule. Wie fast alle andere Schulen wurde vor dem letzten Schultag eine ordentliche Feier veranstaltet. Anders als eine langweilige Club Tour, wo jeder irgendwie verschwunden ging, war es bei uns Standard, das Ganze in dem Wendehammer an unserer Schule zu veranstalten. Da die Schule halb im Wald lag, mussten wir uns keine besonders großen Gedanken darüber machen, zu laut Musik zu spielen. Außerdem hatte eine Party im Freien immer einen Flair von Sommer und man konnte sicherstellen, dass wirklich nur Leute aus unserer Schule da waren.

Letztes Jahr hatte ich persönlich keine große Lust gehabt mit den Leuten, die zwei Stufen über mir waren, zu feiern. Doch dieses Jahr sah das schon ganz anders aus. Wer nicht hinging, war eigentlich selber Schuld, weswegen es für mich fast gar keine Frage war, ob ich kam.

"Klar, komme ich. Erst recht, wenn alle meine Freunde mitgehen. Was denkst du denn?", fragte ich gespielt empört. "Hab ich mir schon fast gedacht", lachte Kayla. Jedem, der mich etwas besser kannte, war klar, dass ich die absolute Partymaus war. Auch wenn man mir das meist nicht ansah, weil ich im Alltag dann doch eher still und schüchtern war und nicht aussah wie eine, die jede Woche feiern ging. "Also kommst du auch zu mir?" "Mmh, ich weiß nicht. Ich wollte vorher eigentlich noch zur Fahrschule gehen", überlegte ich laut.

Vor gut zwei Wochen hatte ich mich in einer Fahrschule in unserer Nähe angemeldet und ging seitdem regelmäßig jeden Montag und Donnerstag zum Theorieunterricht, damit ich möglichst schnell meine Prüfung hinter mich bringen konnte. Außerdem mochte ich es nicht, eine Stunde ausfallen zu lassen, weil ich dann ein Thema verpasste und dafür ein Anderes doppelt machen musste, was mich zu Tode langweilte.

"Achso, ja klar kann ich verstehen", gab Kayla zu bedenken. Sie war in der gleichen Fahrschule wie ich, hatte aufgrund ihres Alters aber deutlich früher angefangen und ihre Theorie deshalb schon lange fertig. "Du kannst ja einfach nachkommen. Ich denke wir gehen eh nicht so früh, sonst ist ja nichts los."

Ich stimmte ihr zu und wir vereinbarten, dass sie mir einfach schrieb, wenn sie losgehen wollten. Dann verabschiedeten wir uns, sodass ich alleine weiter gehen musste. So kam es letztendlich immer dazu, dass ich statt 15 Minuten in etwa 25 für meinen Schulweg brauchte.

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