Kapitel 104

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Aus irgendeinem Grund verhielt ich mich schon am nächsten Tag als wenn nie etwas gewesen wäre. Die einzige Person, der ich mich zumindest ein bisschen öffnete war Kayla, weil sie auch so mitbekommen würde, wenn es mir nicht gut ging. Und das tat es definitiv nicht. Trotzdem hatte ich das Verlangen, wenigstens so zu tun, als würde es mir gut gehen. Vor allem wenn ich Bennys kleinen Bruder in der Schule sah.

Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich Johannes nur ein einziges Mal in der Schule gesehen, doch jetzt lief ich ihm fast jeden Tag über den Weg. Während ich beim ersten Mal noch innerlich ausgerastet war, versuchte ich ihn jetzt einfach zu ignorieren, was nur semi gut funktionierte. Benny und sein kleiner Bruder hatten sich immer sehr gut verstanden, weswegen ich mich gar nicht erst fragte, ob Johannes von der Trennung wusste, das war klar. Deshalb war es fast noch unangenehmer, ihn so oft zu sehen. Manchmal begegneten sich unsere Blicke und ich sah zwar die Kälte in seinen Augen, aber auch, dass es ihm irgendwie ein bisschen Leid tat. Meistens wich ich seinem Blick schnell wieder aus. Johannes weckte jedes Mal aufs Neue all die Emotionen, die ich so angestrengt versuchte, unter Dach und Schach zu bekommen.

Eine Woche später fuhr ich auch schon auf Kursfahrt nach Brüssel. Dass es meine letzte Fahrt mit der Schule sein würde, machte mich extrem traurig, deshalb wollte ich sie umso mehr genießen. Ich hatte die Hoffnung, so sehr abgelenkt zu werden, dass ich Benny vergessen konnte. Mit Kayla an meiner Seite würde das hoffentlich nicht all zu schwer werden. Allein die Tatsache, dass ich mich fast eine ganze Woche nicht selbstverletzen konnte, würde mir sicherlich eine Menge Kraft geben.

Noch bevor Benny alles beendet hatte, hatte ich mich hin und wieder geschnitten, weil ich das Gefühl hatte, dadurch eine Menge Druck loszuwerden. Nach letzter Woche hatte ich so viele neue Narben dazubekommen, dass ich sie nicht mehr wirklich zählen konnte. Erst als Kayla das mitbekam, konnte sie wirklich verstehen, wie schlecht es mir ging. Ich konnte nicht in Worte fassen, wie ich mich fühlte, weshalb auch keiner wirklich was davon mitbekam.

Am Wochenende noch ging ich mit meiner Mama shoppen. Unabsichtlich brachte sie irgendwann Benny in unser Gespräch ein, sodass ich keine andere Wahl hatte, als ihr zu erzählen, dass es vorbei war. Sie hatte so viel Mitleid mit mir, dass sie ein richtiges Frustshoppen mit mir veranstaltete, sodass ich jetzt mit einem Koffer voller neuer Klamotten nach Brüssel fahren konnte.

Die ganzen drei Stunden Busfahrt unterhielten Kayla und ich uns über sämtliche Themen, was unglaublich gut tat. Irgendwie kam sie darauf, mich zu Benny auszufragen und so konnte ich ihr nicht länger verschweigen, was ich mit Benny alles gemacht hatte. Sie war so neugierig, dass sie mich nach und nach zu allem fragte und dabei auch auf entsprechende Themen kam. Im Nachhinein wusste ich nicht, ob ich bereuen sollte, dass ich an Benny meine Jungfräulichkeit verloren hatte. Kurz bevor er nach Griechenland gefahren war, war ich noch davon ausgegangen, dass wir etwas Ernstes hatten, weshalb ich nicht länger hinterfragte, ob ich diesen Schritt gehen sollte. Da dabei nicht alles lief, wie ich mir das vorgestellt hatte, hatte ich das bisher noch niemandem erzählt. Es tat erstaunlich gut, mit meiner besten Freundin darüber zu reden. Und auch, wenn sie mich nicht wirklich aufheitern konnte, half es extrem, einfach mal alles los zu werden.

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