Kapitel 102

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Nachdem ich mich am Abend irgendwann doch noch erfolgreich in den Schlaf geweint hatte, wachte ich am nächsten Morgen mit geschwollenen Augen wieder auf. Zuerst dachte ich, dass das alles nur ein böser Traum gewesen war, doch sobald ich auf mein Handy sah und realisierte, dass ich weder eine gute Nacht noch eine guten Morgen Nachricht von Benny bekommen hatte, bemerkte ich, dass das leider doch die bittere Realität war.

Stöhnend quälte ich mich aus dem Bett und zog eine gemütliche Jogginghose und ein T-Shirt an. Ich ertrug es nicht, mich heute irgendwie fertig zu machen, denn an dieser Stelle war es schlimm genug für mich, dass ich wohl oder übel zur Schule musste und davor noch eine Fahrstunde hatte. Hätte ich diese nicht gehabt, hätte es auch gut sein können, dass ich die Schule geschwänzt hätte, doch da ich eh aus dem Haus musste, war das dann auch zu schaffen.

Die Fahrstunde entpuppte sich als die schlimmste Fahrstunde, die ich je in meinem Leben hatte. Auch wenn ich persönlich nicht das Gefühl hatte, dass ich die ganze Zeit an Benny dachte, richtig konzentrieren konnte ich mich auch nicht. Das führte dazu, dass ich schon beim vom Hof fahren, die erste ungünstige Situation erwischte. Keine 100 Meter von der Fahrschule entfernt hätte ich beim Spurwechseln fast ein  Auto voll zur Seite gerammt, was nur aufgrund seines lauten Hupens und des Eingreifens meines Fahrlehrers verhindert werden konnte. Ich bekam so einen großen Schock von dieser Situation, dass mir sofort die Tränen in die Augen stiegen. Dass mein Fahrlehrer mich daraufhin ordentlich zusammenstauchte, machte das auch nicht gerade besser.

Genauso zog sich die Fahrstunde über die restlichen 90 Minuten hinweg. Ich wusste nicht, wo mir der Kopf stand, doch bei der Sache war ich definitiv nicht. Aufgrund der Tatsache, dass ich momentan emotional instabiler war, als ich es sonst sowieso schon war und dass mein Fahrlehrer neben mir mich immer wütender anschrie, führte dazu, dass mir die Tränen nur noch über die Wangen kullerten. An jeder roten Ampel versuchte ich sie wegzuwischen, doch natürlich war es nicht zu übersehen, dass ich weinte. Ich versuchte verzweifelt, die Tränen aus meinen Augen zu blinzeln, damit ich zumindest scharf sehen konnte. Ich wusste, dass mein Fahrlehrer gemerkt hatte, dass es mir nicht gut ging, trotzdem sagte er nicht ein Wort dazu, sondern ließ mich einfach die Fahrstunde beenden und zur Schule fahren.

Es war diese eine Fahrstunde, die mich im Endeffekt dazu brachte, dass ich richtige Panik davor bekam, noch einmal als Fahrerin in dieses Auto steigen zu müssen. Eigentlich wollte mein Fahrlehrer mich schon in vier Wochen zur Prüfung schicken, doch ob ich das schaffen würde, war mir sehr schleierhaft.

Der Tag in der Schule war auch nicht sonderlich besser. Während ich mich in Deutsch noch einigermaßen konzentrieren konnte, weil es einfach mein Lieblingsfach momentan war, versagte ich in den anderen Fächern gänzlich. Es fing in Mathe an, wo ich zuerst nicht wirklich aufpassen konnte und dann auf einmal fast anfing zu weinen. Da ich glücklicherweise Kayla neben mir sitzen hatte, konnte ich diesen Drang noch ein wenig zurückhalten. In Englisch jedoch hatte ich dann keine Wahl mehr. In der ersten Reihe sitzend konnte ich meine Tränen nicht länger zurückhalten. Ich wusste nicht, was mit mir los war, da ich diese Gefühle noch nie zuvor so stark gefühlt hatte. Was ich jedoch wusste, war, dass ich mich nicht eine Sekunde darauf konzentrieren konnte, was meine Lehrerin nur zwei Meter von mir entfernt von sich gab. Stumpf wie ein Roboter schrieb ich einfach alles von der Tafel ab, ohne zu verstehen, was ich da überhaupt auf Papier brachte.

Nachdem mich Marie schon im Unterricht gefragt hatte, was los war und offensichtlich auch alle meine anderen Freunde mitbekommen hatten, dass irgendetwas war, hatte ich in der Mittagspause keine andere Wahl mehr, als ihnen alles zu erzählen. Auf mysteriöse Art und Weise hatte sich meine Laune bis dahin merklich verbessert, weshalb ich die Geschichte auf das Nötigste beschränkte. Zum Einen hatte ich keine Lust, Tonnen von Mitleid zu bekommen, zum Anderen war ich noch nicht bereit dazu, jedes kleinste Detail auf den Tisch zu legen.

Ich begann nur ganz langsam erst zu realisieren, dass Benny und ich Geschichte waren. Noch hatte ich immer noch im Kopf, dass ich ihm heute Abend entspannt von meinem Tag erzählen konnte. Ich hatte das Gefühl, dass ich erst einmal alleine verstehen musste, dass dem nicht so war. Benny war nicht mehr hier und würde es auch niemals mehr sein.

yearning for loveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt